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DURST

Als hierzulande 2004 Park Chan-wooks OLD BOY in die Kinos kam, stimmte selbst der ignoranteste Zeilenknecht, der sich ansonsten mit dem zufrieden gibt, was ihm deutsche Verleiher und vielleicht noch irgendwelche Filmfestivals vorsetzen, Lobeshymnen darauf an.

Durchaus verdient, auch wenn der Südkoreaner sein nach wie vor unerreichtes Meisterwerk SYMPATHY FOR MR. VENGEANCE bereits zwei Jahre zuvor gedreht hatte. 2005 folgte dann mit dem ebenfalls sehr guten LADY VENGEANCE der Abschluss dieser so genannten „Rache-Trilogie“.

Als dann allerdings ein Jahr später die zähe Roboter-Romcom I’M A CYBORG, BUT THAT’S OK folgte, hatte man das ungute Gefühl, mal wieder einen viel versprechenden Regisseur aus dem asiatischen Raum von seiner Liste streichen zu müssen.

Und über seinen aktuellen Film DURST (BAKJWI) gingen dann die Meinungen so auseinander, dass man eher mal mit dem Schlimmsten rechnete. Ein mit 130 Minuten überlanger Vampirfilm, der noch nicht mal ein richtiger ist, und auf keinen Fall etwas mit modischem Kinderkram wie TWILIGHT zu tun hat, was man auch nicht unbedingt erwartet hätte.

Ein Massenpublikum hatte Park Chan-wook zwar noch nie mit seinen Filmen angesprochen, dafür waren seine Themen immer viel zu verstörend, aber DURST entpuppt sich auch nicht wie befürchtet als öder Arthouse-Stinker, dem nur unverbesserliche selbsternannte Cineasten etwas abgewinnen können.

Ganz im Gegenteil, denn DURST ist erneut ein kleines formvollendetes Meisterwerk geworden – eben das, was seine drei Filme davor nur in Teilaspekten waren –, und ein cleveres, erstaunlich schwarzhumoriges Spiel mit Genrekonventionen, getaucht in opulente Bilder und untermalt von dazu passender sehr schöner Musik.

Im Mittelpunkt steht dabei der katholische Priester Sang-hyun (Song Kang-ho, der auch schon in SYMPATHY FOR MR. VENGEANCE die Hauptrolle gespielt hatte und im koreanischen Kassenschlager THE HOST), der sich für ein riskantes medizinisches Experiment freiwillig meldet, das zur Entwicklung eines Impfstoffes gegen einen mysteriösen Virus dient.

Gott meint es aber nicht gut mit ihm, denn er stirbt an den Folgen der Erkrankung, um durch die Verabreichung einer Blutkonserve unbekannter Herkunft wieder zum Leben zu erwachen. Seine Wiedergeburt hat allerdings recht unangenehme Nebenwirkungen, denn er ist gezwungen, fortan Blut zu trinken, damit die Krankheit nicht wieder ausbricht, ist dafür aber mit den übermenschlichen Kräften gesegnet, die Vampiren eben so zugeschrieben werden.

Das Problem mit der Beschaffung von Blut bekommt er einigermaßen in den Griff, schließlich arbeitet er in einem Spital, da gibt es immer einen willigen Blutspender. Dafür erliegt er schließlich den Versuchungen fleischlicher Lust, als er eine Affäre mit der Frau eines alten Freundes aus Kindertagen beginnt, und diese schließlich zur Vampirin macht, womit seine Probleme erst richtig beginnen.

Komplett wiedergeben lässt sich die Handlung von DURST eh nur sehr schwer, da Park Chan-wook die Erwartungshaltung des Zuschauers permanent unterläuft und seinen Film mit immer weiteren absurden Wendungen zu einem einmaligen Erlebnis werden lässt.

Eines ist DURST dabei ganz sicher nicht, ein konventioneller Horrorstreifen, auch wenn der Südkoreaner nicht gerade mit Blut und anderen schockierenden Szenen geizt. Letztendlich geht es auch hier wieder um humanistische Fragen zum Verhältnis von Schuld und Sühne.

Denn der Priester versucht eigentlich alles zu vermeiden, was ihn in Konflikt mit seinem Glauben und seinen Idealen bringen könnte, was natürlich zum Scheitern verurteilt ist, woraus der Film auch seinen teils recht morbiden Humor zieht, wie man es auch von anderen Werken Park Chan-wooks kennt.

Bewundernswert ist auch, wie konsequent Park Chan-wook seine vollkommen bizarre Geschichte zu Ende bringt und uns eine der schönsten Schlussszenen der letzten Zeit beschert, die gleichzeitig irrsinnig komisch, grausam und poetisch ist, als Sahnehäubchen eines rundum gelungenen, großartigen Films.

Die Idee dafür schleppte Park Chan-wook allerdings wohl schon etwas länger mit sich herum – nicht ganz unbeeinflusst von Émile Zolas berühmten Roman „Thérèse Raquin“, was gewisser Aspekte der Handlung betrifft.

Neben SO FINSTER DIE NACHT dürfte DURST eine der originellsten aktuellen Auseinandersetzungen mit alten Blutsauger-Mythen sein – THE HUNGER von Tony Scott kommt einem ebenfalls in den Sinn.

Und was manche Leute hier als schizophren oder verwirrend empfinden, sehe ich als angenehme Abwechslung an, denn wer will schon immer die ewig gleichen Filme anschauen. Die bereits Ende Januar erschienene deutsche DVD besitzt zwar keine spektakulären Extras, aber DURST ist bereits Spektakel genug.