Durst zu lesen war mir eine große Wonne, denn just diesen großen Durst teile ich genau so mit dem Autor des Heftes Jan Röhlk, der seit langen Jahren für das Trust Fanzine schreibt. Er ist bekannt für seine Nerdhaftigkeit, die gezeichnet ist durch eine immense und vor allem akribische Recherche im Vorfeld zu seinen vielen Interviews, Kolumnen oder Artikeln. Und wer verstehen will, wie Jan wirklich tickt, der sollte sich das Durst Magazin genehmigen. Ja, und zwar im Sinne von „sich einen genehmigen“, wie ein hochprozentiges Mixgetränk ... oder eine simple Pulle Bier, die Jan vermutlich bevorzugt. Das Durst steht exemplarisch für Jans Leidenschaft für alles, was mit der Subkultur in und um Los Angeles zu tun hat, seitdem er Anfang des Jahrtausends für ein paar Monate ein Praktikum bei Revelation Records in L.A. absolviert hatte. Diese Stadt lässt ihn augenscheinlich nicht mehr los. Kernpunkte des Inhalts sind Auszüge aus vielen unterschiedlichen Interviews mit Bandmitgliedern von Punkbands aus L.A., wobei diese die vielfältigen Schattierungen des Lebens in diesem riesigen Ballungsraum kolportieren. Die Existenz dort ist Himmel und Abgrund gleichzeitig, man kann nicht das eine ohne das andere zu haben. Beim Lesen des Durst wird man gut eingeführt in das, was Punk dort ausmacht. Eben jener krasse Gegensatz war die Grundlage von vielen Punkbands, die heute als Kult angesehen werden. Erstaunt war ich von den vielen diversen Orten, die Jan aufgesucht hat. Das liest sich in etwa so wie eine geführte Touri-Tour durch Hollywood, nur mit dem Unterschied, dass Jan die Örtlichkeiten besucht hat, die in Bezug zu Klassikern der Punk-Szene stehen, wie zum Beispiel Clubs, Wohnhäuser, ehemalige Proberäume, Plattenläden, Plattenlabels, Friedhöfe ... und all das nur mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, wobei L.A. eine 100%ige Autostadt ist! Krass! Ich habe mich tagelang mit Freude dem Durst gewidmet. Und Durst gehabt.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #153 Dezember/Januar 2020 und Helge Schreiber