Es dürfte unbestritten sein, dass die Animationsfilme der Walt Disney Studios bis Mitte der 90er und vor dem Aufkommen von Computeranimation in diesem Sektor den Markt beherrschten. Dann allerdings bekam Disney – die, um mit dem Fortschritt mitzuhalten, ja 1991 die im Bereich Computeranimation wegweisenden Pixar Animation Studios aufkauften – verstärkt Konkurrenz durch die Produktionen von Dreamworks, die dasselbe Feld beackerten.
Und man fragte sich so langsam, ob die klassischen 2D-Trickfilme nicht mittlerweile ein Relikt der Vergangenheit waren, die allerdings munter parallel weiter gedreht wurden. Den Bereich des Family Entertainments dürfte Disney immer noch dominieren, schon alleine durch die ganzen Klassiker, die ab den 30er Jahren bis in die Siebziger hinein entstanden, und nach wie vor ihre Abnehmer finden – ein recht zeitloses Vergnügen.
Ein Generationswechsel dürfte dabei dennoch stattgefunden haben, denn mir persönlich bedeuteten die in den Neunzigern gedrehten Disney-Filme nicht mehr allzu viel, die von mir nur noch in Ausnahmefällen zur Kenntnis genommen wurden.
Gary Trousdales und Kirk Wises DIE SCHÖNE UND DAS BIEST entstand in dieser Zeit des Umbruchs und scheint aufgrund seines Musical-Charakters mehr an Andrew Lloyd Webber-Fans als an Jean Cocteau-Anhänger adressiert zu sein.
Wer Musicals hasst, sollte deshalb einen großen Bogen um DIE SCHÖNE UND DAS BIEST machen, denn auch wenn sich die Gesangseinlagen in Grenzen halten, handelt es sich um den üblichen unsubtilen Singsang, dem man sich nur sehr ungern aussetzt, es sei denn, man hat schon sämtliche in Deutschland aufgeführten Musicals abgegrast – also Menschen, bei denen man im ersten Moment nicht ganz sicher ist, ob das hinten am Auto ein Sylt- oder „Das Phantom der Oper“-Aufkleber ist.
Richtig schlimm wird es dann in der deutschen Fassung, denn leider wird bei Disney ja immer auch sämtliche Musik eingedeutscht, was dann wirklich kein Spaß mehr ist. Das heißt aber nicht, dass nicht auch DIE SCHÖNE UND DAS BIEST seine charmanten und urkomischen Momente besitzen würde, wie man sie eben von den meisten Disney-Produktionen kennt.
Die Handlung ist nicht besonders überraschend und bietet einem eben das, was man von einem Märchen erwartet: eine holde Schöne, ein fieses Monster und das zugehörige Schloss, und noch einen vermeintlichen strahlenden Helden, der sich aber als das wahre Monster entpuppt.
Eine naive wie liebenswerte Geschichte, die immer dann am besten funktioniert, wenn die Disney-Mitarbeiter ihren manchmal gar nicht so familienkompatiblen Sinn für Humor entfalten können, etwa hinsichtlich des verwunschenen, äußerst lebendigen Inventars des Schlosses oder bei der amüsanten Interaktion zwischen der Schönen und dem Biest.
Sehr gelungen sind auch die Momente, in denen DIE SCHÖNE UND DAS BIEST den Bogen zu den frühen Universal-Monsterfilmen aus den 30er und 40er Jahren spannt und für echten Gothic-Horror sorgt, was vielleicht nicht ganz der Freigabe „ab 0“ gerecht wird.
Zu meinen Lieblings-Disney-Filmen wird DIE SCHÖNE UND DAS BIEST sicher nie gehören, genauso wenig wie die danach entstandenen THE LION KING, POCAHONTAS, MULAN oder TARZAN, aber insgesamt ist das hier immer noch Unterhaltungskino auf außerordentlich hohem Niveau, sowohl handwerklich als auch inhaltlich.
Nachdem der Film bereits 2002 schon mal auf DVD veröffentlicht wurde, gibt es jetzt eine so genannte Diamond Edition mit drei Fassungen des Films, einer Special Extended Edition mit einer zusätzlichen Gesangseinlage, der Kinofassung und einer Storyboard Version, die alle noch mal digital überarbeitet wurden, dementsprechend mit kräftigeren Farben aufwarten, aber dennoch wohl irgendwelche Tonbugs enthalten sollen, die mir aber nicht auffielen.
Plus jeder Menge Zusatzmaterial auf einer zweiten Disc, möglicherweise mehr, als man bei einem Film wie DIE SCHÖNE UND DAS BIEST tatsächlich sehen will.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #93 Dezember 2010/Januar 2011 und Thomas Kerpen