DIE EINSAMKEIT DES LANGSTRECKENLÄUFERS

Ähnlich wie Karel Reisz (siehe DRECKIGE HUNDE) gehört auch Tony Richardson zur British New Wave Ende der 1950er, Mitte der 1960er Jahre, die sich mit dokumentarischem Realismus dem Leben der Arbeiterklasse in Nordengland annahm, oft basierend auf Werken junger wütender Literaten wie Alan Sillitoe, auf dessen Kurzgeschichte DIE EINSAMKEIT DES LANGSTRECKENLÄUFERS basiert.

Bereits zwei Jahre zuvor hatte Reisz mit SATURDAY NIGHT AND SUNDAY MORNING einen Roman von Sillitoe verfilmt, der ebenfalls im Arbeitermilieu von Nottingham angesiedelt war. Die Hauptfigur von Richardsons Film ist der Teenager Colin, der aus ärmlichen Verhältnissen stammt, aber über kleinere Diebstähle hinaus wenig Motivation zeigt, etwas an seiner Lage zu ändern.

Als er nach einem Einbruch in eine Bäckerei von der Polizei gefasst wird, und man ihn in eine Besserungsanstalt für straffällig gewordene Jugendliche einweist, scheint er im Langstreckenlauf das erste Mal einen echten Sinn in seinem Leben gefunden zu haben, zumal es ihm gewisse Privilegien beschert.

Als Protest gegen die repressiven Mechanismen der Besserungsanstalt und auch generell die Gesellschaft gewinnt letztendlich aber Colins freier Wille und das Streben nach Unabhängigkeit wieder die Oberhand.

In naturalistischen Schwarzweißbildern gelang Richardson dabei ein in Rückblenden erzähltes, packendes Sozialdrama über das Aufbegehren eines Jugendlichen an der Schwelle zum Erwachsenwerden, der schließlich aber an seiner trotzigen Weigerung scheitert, sich der Gesellschaft anzupassen.

Das Laufen ist dabei natürlich eine Metapher für das Leben an sich, vor dem ja nicht nur Colin versucht davon zu rennen. Ein sehenswerter Film auf einer spartanischen DVD, bei der man vor allem Untertitel für den Originalton vermisst.