DER HEILIGE VATER

Gerhard Feldbauer

Der katholischen Kirche weht gerade wieder einmal der unangenehm heftige Wind der Skandale ins Gesicht. Nicht nur sexueller Missbrauch und Gewalt gegen Schutzbefohlene, sondern auch die ganz weltlichen Geschäftsgebaren der Vatikanbank sind seit der Veröffentlichung von Gianluigi Nuzzis „Vatikan AG“ kein Geheimnis mehr.

Aufgrund des zahlreichen Beweismaterials kann man problemlos festhalten, dass die Vatikanbank der Dreh- und Angelpunkt krimineller Geldgeschäfte und von Geldwäsche ist, insbesondere von Mafiageldern.

Und weil ein Sturm auf den anderen folgt, vergisst man die vorherigen schnell und bei all dem medialen Getöse bleibt eins sowieso auf der Strecke: eine Religionskritik, die nicht nur die Institutionen und ihr Gebaren ins Blickfeld nimmt, sondern auch den ganz privaten Irrsinn der Religion.

Das leistet auch Gerhard Feldbauer nicht in seinem kompakten Band zur katholischen Kirche, der sich bei weitem nicht nur auf den amtierenden Papst beschränkt, wie der Titel vermuten lässt.

Bei aller wünschenswerten Religionskritik kann aber auch nicht die Tatsache ausgeblendet werden, dass sich in einem einmaligen Prozess im Vatikan in 2000 Jahren geistliche und weltliche Herrschaft verzahnt haben und dieser Apparat nicht anders auftritt als ein beliebiger Nationalstaat mit Global Player-Anspruch.

Nicht selten lesen sich Feldbauers Schilderungen über die Geheimdienstaktivitäten des Vatikans, seinen Absprachen und Vorgehen vor allem gegen den ehemaligen realsozialistischen Block und (vermeintlich) antiklerikale Regierungen wie ein Agententhriller, was auch immer wieder auf kircheninterne Machtkämpfe zutrifft.

Dieser Eindruck wird vor allem vom Autor selbst befördert, der nur allzu oft Abläufe darlegt, ohne den Lesern irgendeine Möglichkeit zu geben diese Fakten einfach nachprüfen zu können oder zumindest nachvollziehen zu können, woher der Autor seine Informationen denn nun hat.

Das meist verschnarchte Vokabular des Realsozialismus, dem Feldbauer immer wieder zugetan ist und sonst nur noch in Zeitungen wie der „Jungen Welt“ oder dem „Neuen Deutschland“ anzutreffen ist, erweckt streckenweise den Eindruck, man befinde sich auf einer Parteischulung.

Das ist ärgerlich, denn was der Historiker und Italienexperte Feldbauer zusammengetragen hat verdient Aufmerksamkeit. Während in der Tagespresse zwar auch über Ratzingers Umgang mit den Holocaustleugnenden Piusbrüdern, der Heiligsprechung klerikaler Franco-Anhänger, seinem indifferenten Verhältnis zur Rolle der Kirche im Nationalsozialismus oder seiner Nähe zum Opus Dei zu lesen ist, werden in „Der Heilige Vater“ diese Ereignisse in das Gesamtmosaik Ratzinger eingeordnet und auf längere Sicht begutachtet.

Auf der Basis der vorhergehenden Kapitel, in denen der Autor die Entstehung der Papstkirche sowie ihrer Entfaltung der weltlichen und geistlichen Macht beschreibt und in erfrischend knappem Rahmen eine Kirchengeschichte darlegt, wird den Lesern die Ideologie des „deutschen Papstes“ aufgezeigt.

Dabei unterfüttert in diesen Kapiteln Feldbauer seine Thesen immer wieder mit Zitaten des aktuellen Papstes aus seinen Reden und Schriften. Vielfach stammen diese auch aus der Zeit vor seiner Inthronisation, wodurch besonders deutlich wird, dass Ratzinger ein äußerst wortgewandter Ideologe ist und vermeintlich liberale Anklänge einen erzreaktionären Kern beinhalten.

Eine Vorgehensweise die er besonders anwendet, seit er den Papststuhl erklommen hat und sich nicht mehr allzu offen zu einem Flügel der katholischen Kirche bekennen kann. Ratzinger steht aber eindeutig für die Strömungen, welche die Errungenschaften des II.

Vatikanischen Konzils rückgängig zu machen wünschen. Hatte sich der Vatikan in den 1960er Jahren mühsam dazu durchgerungen den Verlauf der Weltgeschichte in Form von Aufklärung und Französischer Revolution anzuerkennen, zudem ihren Kampfkurs gegenüber anderen christlichen Gemeinschaften zugunsten der Ökumene aufgegeben hatte, sind seit Johannes Paul II.

und besonders unter Ratzinger wieder gegenteilige Entwicklungen wahrzunehmen. So geraten auch die Juden unter Papst Benedikt erneut als zu missionierende Christusmörder in den Fokus, die Wiederbelebung der antisemitischen Tradition der Kirche scheint zumindest von den höchsten Stellen nichts mehr im Wege zu stehen.

Feldbauer charakterisiert das aktuelle Pontifikat und seine Bestrebungen als klerikalfaschistisch, was sich vor allem in den internen Machtkämpfen und Allianzen zeige, aber auch in dem nach außen gepredigten Menschenbild und Gesellschaftsvorstellungen.

Und so beantwortet Gerhard Feldbauer das „Quo Vadis?“ auch pessimistisch. Besser als unter seinen Vorgängern werde es mit Benedikt XVI. sicherlich nicht, eher schlechter. Man kann sich dieser Befürchtung nach Lektüre der materialreichen, aber bündigen Darstellung nur anschließen.

Warum aber der Autor immer wieder durchscheinen lässt, dass er auf die Befreiungstheologie hofft, bleibt auch von ihm selber unbeantwortet. Es wäre zu wünschen dieser einflussreiche Verein alter, reaktionärer Männer würde möglichst bald von der Bildfläche der Menschheitsgeschichte verschwinden.

All die anderen irrationalen Aberglaubensgemeinschaften, die nicht selten wie z.B. der Islam dem Vatikan locker das Weihwasser reichen können, dürfen gerne folgen. Das darauf nicht allzu schnell zu hoffen ist, zeigt der besprochene Band aber leider ebenso.