Heinz Strunk, zusammen mit Jacques Palminger und Rocko Schamoni Teil des Humorensembles Studio Braun und irgendwie Teil dieser punksozialisierten Hamburger Kultur-Bohème, zu der man auch Schorsch Kamerun zählen kann, veröffentlichte bislang vor allem Bücher mit autobiografischen Bezügen, allen voran „Fleisch ist mein Gemüse“ (2004).
„Der Goldene Handschuh“ weicht davon ab, hat aber mit den anderen Romanen gemeinsam, dass er starke Züge einer Sozialstudie hat. Und man kann vermuten, dass auch ohne direkte autobiografische Bezüge eine Menge persönliche Beobachtungen in das Buch hat einfließen lassen, denn wer sich seit Jahrzehnten in St.
Pauli herumtreibt und mit offenen Augen durch die Welt geht, einen Blick für all die schrägen Charaktere dort hat, dürfte genug Material für mehrere Romane in sich aufgesaugt haben. Mittelpunkt der Handlung ist die (real existierende) Kneipe „Der Goldene Handschuh“, und in den Siebzigern, als St.
Pauli noch keine weitestgehend gentrifizierte Ausgehmeile, war sie wohl ein richtig finsteres Absturzloch für Menschen am Ende ihrer Alkoholkarriere. Diese Szenerie um Stammgast Fiete beschreibt Strunk mit großer Akribie, ohne jede Sensationsheischerei und dokumentarisch trocken.
Die Kneipe war aber auch das Habitat des real existierenden Fritz „Fiete“ Honka (1935-1998), der zwischen 1970 und 1975 in seiner Wohnung in Hamburg-Ottensen vier Frauen umbrachte, die Leichen zerlegte und die Körperteile teilweise bis zur zufällige Entdeckung in eben dieser Wohnung lagerte – mit Duftsteinen versuchte er den Verwesungsgeruch zu überdecken.
Strunk ist ein völlig unvoyeuristischer Roman geglückt, ohne unangemessen spöttischen Unterton, der – einzige Kritik – gerne umfangreicher hätten sein dürfen.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #125 April/Mai 2016 und Joachim Hiller