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DELIVER US FROM EVIL

Ende nächsten Jahres steht offenbar ein Remake von Sam Peckinpahs STRAW DOGS an, aber die Mühe kann man sich eigentlich sparen, denn das hat der Däne Ole Bornedal quasi schon mit DELIVER US FROM EVIL besorgt.

Also könnte man auch gleich ein Remake davon drehen, oder es lieber ganz lassen, denn von einem Dünnbrettbohrer wie Regisseur Rod Lurie braucht man nun wirklich keine Vergewaltigung von Peckinpahs Klassiker.

Umso irritierender ist es, dass ausgerechnet Bornedal, der nun wirklich nicht mit einem aufregenden Gesamtwerk gesegnet ist – sieht man mal von seinem etwas überbewerteten NATTEVAGTEN (auf deutsch NACHTWACHE) von 1994 ab –, jetzt mit so einem gelungenen Update von STRAW DOGS aufkreuzt, dass dieser sehr schön in die ländliche Abgeschiedenheit Dänemarks verlegt hat. Dabei unterscheidet sich die Story von DELIVER US FROM EVIL nicht sonderlich von STRAW DOGS: hier treibt es den erfolgreichen Großstadtanwalt Johannes zusammen mit seiner Familie zurück in seine idyllische Geburtsstadt, die allerdings den üblichen Anteil rückständiger Hinterwäldler aufweist.

Darunter auch sein Bruder Lars, ein primitiver Prolet, der gerne seine Freundin verprügelt, und damit das genaue Gegenteil von Johannes darstellt. Der intellektuelle Großstadtmensch trifft also auf die rustikale Dorfbevölkerung, was ja noch kein unüberbrückbares Problem wäre.

Doch wie der Zufall es will, wird Lars in einen tragischen Unfall verwickelt, bei dem eine ältere Frau umkommt, die gute Seele des Dorfes und Gattin des psychisch schwer gestörten Ingvar, der diese Tat gesühnt haben will, egal mit welchen Mitteln.

Und Lars versucht deshalb alles, um auf perfide Art seine Schuld auf einen unbeliebten Balkanflüchtling abzuschieben, den der Vernunftmensch Johannes in Folge versucht vor dem wütenden Dorfmob zu beschützen, und damit sein eigenes Leben und das seiner Familie aufs Spiel setzt.

Eigentlich ist es fast schon ärgerlich, wie dreist Bornedal STRAW DOGS kopiert, nur irgendwie gelingt es ihm dabei aber doch, aus diesen bekannten Zutaten einen eigenen Film zu machen, der sich den lokalen Gegebenheiten wunderbar anpasst.

Und der eigentlich auch sehr schön skizziert, wie bröckelig die uns umgebende Zivilisationsschicht doch ist, wenn man sieht, wie einige an sich friedliche Dorfbewohner hier zu blutrünstigen Killern mutieren, nur weil die Schicksalhaftigkeit des Lebens mal wieder einen schlechten Tag hatte.

Neben der bekannten Gewaltspirale integriert Bornedal in DELIVER US FROM EVIL auch noch modernere Themen wie Rassismus und religiösen Fanatismus, wodurch am Ende ein dicht inszenierter, düsterer und exzellent getimter Thriller mit gesellschaftskritischer Tendenz herauskommt, der durch seine durchgängige Intensität und seinen Realismus leicht darüber hinwegsehen lässt, dass Peckinpah damit schon knapp 40 Jahre früher dran war.

Handwerklich und schauspielerisch ist DELIVER US FROM EVIL ein wirklicher Genuss, inhaltlich ist er sicher diskussionswürdig, aber das ändert nichts an der grundsätzlichen Glaubwürdigkeit des Films, der über gut 90 Minuten nie seine sozialen und politischen Motive aus den Augen verliert, und sogar auf einen recht antiklimaktischen Showdown hinausläuft.

Was sein generelles skeptisches Menschenbild angeht, gehört DELIVER US FROM EVIL auf jeden Fall zu den verstörendsten und bittersten Thrillern der letzten Jahre, was dann vielleicht doch näher an Michael Haneke als an Peckinpah ist – denn im Bierzelt hört keiner deine Schreie.

Seit Ende September auf DVD erhältlich, die ein paar eher unspektakuläre Featurettes enthält.