Dave Smalley ist ein spontaner Bauchentscheider. 2004 ging das einmal schief, als er auf der von Michale Graves (Ex-MISFITS) initiierten Plattform Conservative Punk eine Kolumne über den Zustand der Punk-Community aus seiner Sicht verfasste.
Das Problem lag nicht am Inhalt der Kolumne an sich. Sie war weder konservativ noch reaktionär, allenfalls liberal und etwas oberflächlich in der Argumentation. Angriffsfläche bot vordergründig die Plattform an sich, auf der sich Bush-Befürworter und Patrioten mit Punkrock-Affinität tummelten.
Smalley war keiner von denen. Wahrscheinlich haben die wenigsten seinen Beitrag wirklich gelesen. Aber mitgefangen, mitgehangen. Smalley ist in Teilen der Szene noch heute eine persona non grata aufgrund eines Textes, der sich im Kern gegen Dogmen aller Art wendet und dafür plädiert, eigene Denkmuster zu hinterfragen.
Bereits mehrfach hat er sich dazu im Nachhinein klar geäußert und Position bezogen, auch 2012 im Interview in Ox #103. Der tugendhafte Moralpunker vergibt aber nicht so schnell und vergisst auch nicht.
Ich habe für mich beschlossen, das Scheißewerfen wegzulassen. Daher gab es in den beiden letzten Interviews 2017 (#127) und 2018 (#139) auch keine politischen Fragen mehr. Warum nach Dingen fragen, die längst geklärt sind? Was hat das mit dem Album von DAVE SMALLEY AND THE BANDOLEROS zu tun? Smalley ist eben ein spontaner Bauchentscheider.
Scheinbar ploppen in den letzten fünf Jahren überall, wo er auftaucht, Projekte aus dem Boden, von denen keines musikalisch schlecht oder inhaltlich belanglos ist. Der Mann ist in einem kreativen Dauerhoch.
Die BANDOLEROS starteten vor zwei Jahren als spanische Backing-Band für Smalleys Solo-Auftritte. Das lief offenbar so rund, dass man beschloss, eigenes Material zu schreiben. Herausgekommen ist eine Platte, die mich noch mehr abholt als das aktuelle DOWN BY LAW-Album „All In“.
Das Ding spielt in einer Liga mit „Minority Of One“ von DAG NASTY und den Höhepunkten von DOWN BY LAW plus einem satten Nackenklatscher DYS. Nach jahrelanger Bandroutine scheint wieder das ursprüngliche Rezept von Musikmachen Früchte zu tragen: Wut und Energie in Musik zu kanalisieren, bevor sie verpufft ist.
„Join the outsiders“, „My funeral pyre“ und „Red alert“ drücken dich beim Autofahren förmlich in den Sitz. „Journey“ hätte auch ein hymnisches ALL-Midtempo-Stück sein können. „The calling“ und „Stand or kneel“ sind die Tracks, die dem letzten DOWN BY LAW-Album gutgetan hätten.
Das komplette Album ist gleichzeitig verspielt und aggressiv. Kein Ausfall! Fünf Punkrock-Best-Ager fangen den Esprit früherer Tage ein. Und es funktioniert. Ist das zu viel an Lobhudelei? Das hier ist ein Fanzine.
Und ich bin ein Fan. Diese Platte ist großartig!
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #142 Februar/März 2019 und Daniel Schubert