Dieser Comic mag thematisch an einem Fußballspiel aufgezogen sein, aber eigentlich geht es um viel mehr: „Das Spiel der Brüder Werner“ beschreibt in mal dunkel-, mal hellschattigen Bildern von Sébastien Goethals und basierend auf der erstklassigen Dramaturgie und Dialogführung Philippe Collins einen großen, die gesamtdeutsche Nachkriegsgeschichte umfassenden Plot. Und den größten, den es geben kann: den kalten Krieg. Die beiden Protagonisten überleben den Zweiten Weltkrieg in den Trümmern Berlins, angelehnt an die aus der Kriegshistorie bekannten „Wolfskinder“, die sich am Ende der Nazi-Gräuel verwaist und vergessen alleine durchschlagen mussten. Sie wachsen in der DDR auf, machen Karriere bei der Stasi, werden zu „Wächtern der Weltrevolution“ – und sollen im Juni 1974 ihren beruflichen Höhepunkt erfahren: Als Agenten – einer hüben, einer drüben stationiert – sollen sie rund um das legendäre Fußball-Weltmeisterschaftsspiel der BRD gegen die am Ende durch Jürgen Sparwassers Tor siegreiche DDR-Auswahl den Klassenfeind bespitzeln. Dass dieser Tag ihre enge Verbindung zueinander auf eine maximale Probe stellen wird, ahnen die Brüder nicht. Das, was diese Graphic Novel nicht nur so intensiv, sondern so gut, relevant und wichtig macht, ist das Gerüst aus historischen Fakten, an dem entlang die beiden Autoren ihre Geschichte entwickeln und ebenso konzentriert wie erschütternd erzählen. Popkultur meets Sportgeschichte meets Gesellschaftspolitik meets Nachkriegshistorie – „Das Spiel der Brüder Werner“ gehört eigentlich in jede Schulbibliothek und ist mehr als nur Entertainment. Es ist anspruchsvolle Literatur. Und das kann man wirklich nicht von jedem Comic behaupten.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #153 Dezember/Januar 2020 und Frank Weiffen