Vorab: REIZ legen zum zweiten Mal eine Spitzenplatte vor. Zweiter Schuss, zweiter Treffer. Chapeau! Aber was macht denn eigentlich eine „Spitzenplatte“ aus, im Speziellen in diesem Falle? Eigentlich liegt doch „nur“ ein Album mit neun schlichten, gut zweiminütigen Garage-Pop-Punk-Songs mit deutschen Texten vor. Auch noch „Made in Mannheim“. Große Kunst oder mit anderen Worten Punk ist es eben, wenn etwas den Eindruck macht, es sei ganz leicht und locker-flockig. Als würde die Band, die dieses macht, es nur so nebenbei rausrotzen. Und das ist hier der Fall. Die Songs wirken so, als müssten sie so sein, wie sie sind. Als hätte die Band gar nichts anderes gemacht, als die Lieder wie reife Äpfel vom Baum zu pflücken, ganz nebenbei. Bei schlechten Bands hört man quasi das Gequäle bei der Proberei aus der Platte heraus, es wirkt angestrengt und verbissen. Nicht so bei REIZ. Sie machen nicht mehr als sie müssen, schon gar nicht als sie können. Aber das reicht ja locker aus, weil sie geil sind. Musikalisch ist der Gitarrensound hervorzuheben. Ist der Verzerrer überhaupt eingeschaltet? Oder ist die Batterie alle? Egal, das rotzt allein durch die Art des Spielens. Dafür ist punktuell das Bigsby-Vibrato im Einsatz, der Federhall an und das gibt dem Ganzen noch einen Schubs mehr Surf-Anmutung, als das beim Debüt der Fall war. Textlich ist es wie bei der Musik: Da will uns keiner beweisen, wie klug, abgefuckt oder sonst wie bewandert er selber ist. Da hat augenscheinlich einfach jemand Spaß an Worten und will etwas mitteilen, das offensichtlich Bezug zu seinem eigenen Leben hat und das raus unter die Menschheit will. Die Texte machen sich selber nicht größer, als sie tatsächlich sind, und eben das macht sie groß, weil sie einfach Substanz haben. Zeitweise sind sie lustig und manchmal fragt man sich, was das denn soll. Das Schlimmste ist ja, wenn (vor allem deutsche) Texte angeblich „unpeinlich“ oder „intelligent“ seien. Meistens bedeutet das ja, dass sie peinlich und dumm sind. Wie gesagt: nicht so hier. Nach dem Abgefeiere will ich aber noch zwei Dinge erwähnen, so dass nicht der Eindruck entstehe, ich sei bestochen worden: Der Gesang hätte etwas lauter gekonnt, weil ich die eine oder andere Textzeile (trotz Textblatt) auch gerne beim Hören verstehen können möchte. Außer dem sind gut zwanzig Minuten für ein Album schon etwas frech, was aber eigentlich auch scheißegal ist. Gut: Die Platte wird nach hinten immer besser und bei der Kürze kommt nach dem letzten Song unweigerlich ein „Schade“ beim Zuhörenden auf. Insgesamt also klare Kaufempfehlung, zumal die Troika aus Spastic Fantastic, Kink und Pifia Records jede Unterstützung wert ist und jedes Label für sich seit vielen Jahren geile Bands aus dem Hut zaubert. Es ist ja auch mal schön, eine Combo zu haben, die durchaus ein relativ breites Publikum anspricht.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #141 Dezember/Januar 2018 und Christian Bruder
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