Kann sich noch jemand daran erinnern, in welchem Land vor zwei Jahren die Kulturhauptstadt Europas war? Nein? Das ist ja ein Ding. Neben Liverpool war es die norwegische Stadt Stavanger. Im Zuge dieses Kulturhauptstadtjahres 2008 bekam der Norweger Frode Gjerstad (seit den Achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts das Gesicht dieser außergewöhnlichen, nicht statischen Big-Band, mit der er bereits zwei Alben herausbrachte) die Gelegenheit, die Besten der besten Jazz- und Improvisationsmusiker um sich zu scharen.
Flugs drehte er erneut am Besetzungskarussell und zauberte eine generationenübergreifende Riege an norwegischen und internationalen Musikern auf die Bühne. Dabei waren natürlich Frode an Saxophon und Klarinette, die südafrikanische Jazzlegende Louis Moholo-Moholo am Schlagzeug, Morten J.
Olsen an Electronics und Schlagzeug und Anders Hana an der E-Gitarre (beide bei MOHA! aktiv), Nick Stephens am Kontrabass, Børre Mølstad an der Tuba (BARDAL-CAMINADA-MÖLSTAD-TRIO), der Virtuose Sabir Mateen an Saxophon und Klarinette (TEST, ONE WORLD ENSEMBLE), sowie Kevin Norton am Vibraphon (spielte mit Anthony Braxton im FOUR COMPOSITIONS QUARTET), Bobby Bradford am Horn (wirkte im berühmten COLEMAN-QUARTET), sowie Elektroniker Lasse Marhaug, der unter anderem schon mal mit MERZBOW oder SUNN O))) auf der Bühne steht.
Nicht zu vergessen: Schlagzeuger Paal Nilssen-Love und Kontrabassist Ingebrigt Håker Flaten (beide unter anderem bei THE THING), des weiteren Per Zanussi am E-Bass und last but not least der fantastische Schlagzeuger Hamid Drake.
Eingeweihten wird jetzt wohl schon das Wasser in den Mundwinkeln stehen, blutigen Einsteigern wird spätestens beim Hören der ersten der drei CDs ziemlich schnell bewusst – Schmuseblues geht anders.
Das Konglomerat aus improvisiertem Avantgarde Jazz, Noise, sowie elektronischen und metallischen Einstreuungen lässt Chaosfanatikern sicher das Herzchen im Dreieck springen. Aus verstörenden Geräuschen werden unfassbare Soundsphären, ohrenbetäubender Krach verdichtet sich zu wohl geformten Klangmetaphern.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #88 Februar/März 2010 und Jenny Kracht