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CHIP KINMAN

The Great Confrontation

Beim Namen Chip Kinman dürfte es sicherlich nicht gleich bei jedem Klick machen, aber Chip und sein Bruder Tony (der bereits 2018 verstarb) gründeten Anfang der Achtziger in Austin, Texas zusammen mit Alejandro Escovedo (von THE NUNS, die zu den frühen Punk-Pionieren in San Francisco gehörten) RANK & FILE, die ähnlich wie X den Grundstein für so was wie Alternative Country legten. Zuvor waren die Kinman-Brüder auch schon Teil der kalifornischen Punk-Szene Ende der Siebziger gewesen (Tony spielte wohl auch mal kurz bei Penelope Houstons Band AVENGERS) und nahmen unter dem Namen THE DILS („California’s THE CLASH“) Platten für Labels wie Dangerhouse oder Triple X auf. Nach RANK & FILE verliert sich ein wenig die Spur von Chip Kinman, der jetzt auf In The Red sein erstes Soloalbum veröffentlicht hat, das als CD oder Doppel-LP im Klappcover erhältlich ist. Das Ganze hat allerdings wenig mit THE DILS oder RANK & FILE zu tun, denn Kinman arbeitet sich hier an abstrakten Formen minimalistischer Elektronikmusik ab, offenbar eingespielt mit analogem Vintage-Equipment. Dabei zerlegte Kinman auch eine alte irische Volksweise und ein Stück von THE CARTER FAMILY, von Country hört man dabei natürlich nicht viel. „The Great Confrontation“ erscheint insgesamt wie eine Verbeugung vor Pionieren der Elektronikmusik wie Mort Garson, RESIDENTS oder in Deutschland CLUSTER. „Normale“ Songs darf man dabei nicht erwarten, und so ist „The Great Confrontation“ eher etwas für ein Nischenpublikum, das Spaß an möglichst abseitigen und sperrigen Soundexperimenten hat, wobei es Kinman dabei durchaus gelingt, immer wieder interessante und atmosphärische, teils recht verspielte klangliche Strukturen zu entwickeln ­– weniger aufgeschlossene Musikhörer:innen dürften das eher für akustischen Schluckauf halten.