So ein richtig großer Fan von Neil Marshalls bisherigen Schaffen war ich eigentlich noch nie. Sein Regiedebüt DOG SOLDIERS war ganz okay, aber nicht sonderlich erinnerungswürdig, THE DESCENT überwiegend viel heiße Luft mit schlechter Beleuchtung beziehungsweise WRONG TURN unter Tage und DOOMSDAY von 2008 dann eine echte Lachnummer, mit der Marshall verschiedenste Genres verschmelzen wollte.
In Deutschland hatte DOOMSDAY zusätzlich auch noch große Probleme mit FSK, was ihm zumindest eine gewisse Aufmerksamkeit bescherte. Und jetzt CENTURION, ebenfalls ein recht ruppiger Film, aber diesmal zumindest mit „FSK ab 18“-Freigabe ungekürzt erschienen, bei dem sich Marshall erfreulicherweise auf ein Genre beschränkt.
Zu Beginn, als römische Soldaten einige Jährchen vor unserer Zeitrechnung von den Ureinwohnern Schottlands in einen Hinterhalt gelockt und schwer dezimiert werden, hat man noch kurz das Gefühl, Marshall hätte ein ernsthafteres Historiendrama im Sinn gehabt, aber muss schnell einsehen, dass CENTURION nur die übliche, wenig tiefschürfende Schnitzeljagd in etwas ungewohnter Umgebung und ohne Anspruch auf zeitgeschichtliche Genauigkeit ist.
Denn das Massaker überleben sieben Soldaten, die daraufhin versuchen, ihren von den Pikten entführten Kommandeur zu befreien. Das Unternehmen scheitert kläglich, dafür haben die Römer jetzt wieder die schottischen Barbaren am Hals, die gnadenlos Jagd auf sie machen, weil ein Legionär dummerweise den Sohn des Piktenführers umgebracht hatte.
Autorenkino ist CENTURION also wahrlich nicht, dafür gelang Marshall ein sympathisch oldschooliger Actionfilm und ein Wiedergänger des klassischen Sandalenfilms, nur dass hier ordentlich Blut fließt, das aber oftmals nur aus dem Computer stammt – da wären einem handgemachte Effekte wirklich lieber gewesen.
Im Prinzip ist CENTURION das, was Stallone mit seinem enttäuschend lahmen THE EXPENDABLES nicht geglückt war, nämlich die Rückbesinnung auf grobschlächtiges Männerkino, in dem nur gekämpft und gestorben wird, und wo der Regisseur wunderbar seine sadistischen Neigungen ausleben kann.
Nur ganz zum Schluss wird er dann doch noch weich und gönnt seinem Held Quintus Dias auch mal ein bisschen „true romance“, aber auf diesen Anflug von Melodramatik hätte man wirklich gut verzichten können.
Der wird vom deutsch-irischen Darsteller Michael Fassbender gespielt (bekannt aus INGLOURIOUS BASTERDS oder HUNGER), der sicherlich dazu beiträgt, dass CENTURION eine wirklich starke Identifikationsfigur besitzt.
Die heimliche Heldin ist allerdings die von Olga Kurylenko (QUANTUM OF SOLACE) gespielte stumme Fährtensucherin der Pikten, die, das mag jetzt eine rein männliche Perspektive sein, selbst in Schrott wie MAX PAYNE und HITMAN in läppischen Nebenrollen noch ein echter Hingucker ist.
Und hier hat das ukrainische Model quasi eine Hauptrolle und macht mit beängstigender Beharrlichkeit Jagd auf die römischen Legionäre – denn nur ein toter Römer ist ein guter Römer. Seine brutale Historien-Schlachtplatte hat Marshall in dazu passende kühle, blaustichige Widescreen-Bilder verpackt, was die Wälder und Landschaften Englands und Schottlands noch um einiges unwirtlicher und unwirklicher erscheinen lässt – aber in visueller Hinsicht konnte der Brite eigentlich bei all seinen Filmen punkten.
Filmgeschichte wird Marshall mit CENTURION auch nicht schreiben, aber man ist ja schon dankbar für so ein schönes Exemplar versierten Testosteron geschwängerten „Blood and guts“-Genrekinos mit stylishen Bildern, vor allem nach solch unfreiwillig komischen Unsinn wie DOOMSDAY.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #92 Oktober/November 2010 und Thomas Kerpen