CANARDO SAMMELBAND I

Sokal

Wenn man sich das erste Mal mit Benoît Sokals Figur Inspektor Canardo, einer melancholischen Ente mit Trenchcoat und Zigarettenkippe im Schnabel, durch den kürzlich bei Schreiber & Leser neu aufgelegten Band „Eine schöne Flasche“, mit Geschichten, die 1978 bis 1980 im belgischen Magazin „À suivre“ veröffentlicht wurden, näher beschäftigt hat, könnte man den Eindruck gewinnen, es würde sich um eine möglichst zynische Parodie auf typische Motive des Kriminal-Romans/Films handeln.

Inzwischen liegt auch ein Sammelband mit den ersten, schon länger vergriffenen Abenteuern des desillusionierten Enteninspektors bei Schreiber & Leser vor, die nicht nur von Sokals nihilistischem Humor, sondern auch von seinen Fähigkeiten als origineller Autor und eigenwilliger Zeichner zeugen, der seine moralisch recht ambivalente Hauptfigur in immer wieder recht überraschende Geschichten verstrickt, die durchaus schwarzhumorig sind, aber auch Momente echter „menschlicher“ Tragik enthalten.

Augenscheinlich bedient sich Sokal zwar der Stilmittel der Funnys mit lustigen Tieren und ähnlichem, aber die Welten des Belgiers sind doch um einiges grausamer, düsterer und hoffnungsloser, und seine tierischen Akteure weisen zahlreiche schlechte menschliche Angewohnheiten auf.

Anti-Disney sozusagen, mit besten Noir-Zutaten und popkulturellen Verweisen, etwa wenn Sokal in „Ein schöner Tod“ seine Version eines Italowestern präsentiert und das Lied „Lili Marleen“ zum Katalysator einer blutigen Rache wird.

Aber auch, wenn Canardo als Bodyguard einer Zarenerbin auf den Tyrannenkater Rasputin trifft, muss man vor Sokals Einfallsreichtum ein weiteres Mal den Hut ziehen.