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CABLE TIES

Far Enough

Wow, die Australier haben vielleicht eine erstklassig eingespielte Rhythmussektion, die vor Laszivität und Tightness nur so strotzt. Selten so das Gefühl gehabt, ein derart aufeinander fixiertes und harmonisches Duo aus Bass und Schlagzeug zu erleben, die irgendwie, auf eine ganz befremdliche und zugleich wunderschöne Art miteinander metaphysischen Sex haben.

Wenn ich das unstillbare Verlangen habe, mich nach dem Anhören der aktuellen Platte umgehend mit den Vorgängern beschäftigen zu müssen, ist das ein weiteres Indiz dafür, dass sich hier etwas ganz Besonderes im Player dreht.

Aktuell läuft der werbefinanzierte Download des Debüts, und irgendwo müssen auch noch die Singles aufzutreiben sein. Allzu viel hat das Trio, das sich durch energetische Auftritte Down Under bereits einen Namen gemacht hat, ja noch nicht auf der Habenseite.

Vier Singles, und „Far Enough“ ist gerade mal das zweite Album, das wiederum dann schon auf Merge, die sich diesen Energiebolzen aus Protopunk, Shoegaze, Indierock und einem Sack voller Hits geangelt haben.

Hier passt alles, vom Gitarrensound über die Stimme der Sängerin, Schlagzeug, Bass, Songwriting und der Portion Energie, die nur von Innen kommen kann, weil aufgesetzt für jeden Nichttrottel sofort spürbar wäre.

Die acht Songs strotzen vor Selbstbewusstsein und klingen so unverkrampft, wie eine Band nur klingen kann, die ihre Pulvervorräte noch nicht einmal annähernd angebrochen hat. Was die drei Leute hier für eine Wand hochziehen, Holladiewaldfee (einfach mal „Anger’s not enough“ anhören, dann hast du alle Zutaten), dafür müssen andere lange die Stiefel von Knastbruder Phil Spector küssen, um das so hinzubekommen.

Das Schönste: Sie können neben Kratzspuren auf dem Rücken auch gefühlvoll, und so ist „Pillow“ das beinahe zärtliche Nachspiel am Ende der Platte, die nach meinem Geschmack auch gerne länger hätte ausfallen dürfen.

Aber wie so oft geht es nicht nach mir, obwohl ... wer an CABLE TIES (hoffentlich bald auf einer Bühne in der Nähe) vorbeigeht, dem oder der ist beim besten Willen nicht zu helfen. Bleib einfach bei deiner hundertmal gehörten Musik und überlass aufregende Bands wie diese einfach den Profis und Profiteusen (Welches Arschloch hat eigentlich beschlossen, dass es für den Profi keine weibliche Form gibt?) Lass einfach die Expertinnen ran, die mit großartigen Songs umgehen können.

Anspieltipps neben „Anger ...“? Die Platte funktioniert tatsächlich als wohlkonzipiertes Ganzes, ein Kunststück, das im Zeitalter von Streaming und Podcasts nur sehr, sehr wenige beherrschen, weil sie weder einen Goldenen Schnitt erkennen würden, wenn es daneben steht, noch Grundregeln der LP-Komposition beherrschen.

Dass es dafür auch noch gute Songs braucht, versteht sich von selbst.