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CABARET VOLTAIRE

Dekadrone / BN9Drone

Selbst für Leute, die die Karriere der Anfang der Siebziger Jahre in Sheffield gegründeten Industrial-Pioniere CABARET VOLTAIRE halbwegs zeitnah miterlebten, dürfte die Band ein schwer einzugrenzendes Phänomen geblieben sein. Nach frühen, meist wenig songorientierten und oft verstörenden Klangexperimenten wurden CABARET VOLTAIRE spätestens 1983 mit „The Crackdown“ zur waschechten Synthpop-Band, die sich in den folgenden Jahren bis zur Auflösung im Jahr 1994 immer mehr Techno und House Music zuwandte und dieser Hinsicht ebenfalls Pionierarbeit leistete, ob man diese Genres nun mag oder nicht. Insofern war es es wohl nur konsequent, dass Richard H. Kirk – der CABARET VOLTAIRE 2014 ohne das andere verbliebene Gründungsmitglied Stephen Mallinder wiederbelebte – unter zahlreichen Pseudonymen zum angesehenen Techno-Lieferanten wurde. 2020 erschien dann das erste neue CABARET VOLTAIRE-Album seit „The Conversation“ von 1994. Erfreulich war dabei, dass Kirk damit an den Synthpop und Post-Industrial der Anfang/Mitte der Achtziger Jahre erschienenen CABARET VOLTAIRE-Platten erfolgreich anknüpfte und sich mit Techno-Referenzen zurückhielt, was man unter gelungenem Alterswerk einordnen kann. Inzwischen erschienen mit „Dekadrone“ und „BN9Drone“ gleich zwei neue Platten, die jeweils nur einen durchgängigen instrumentalen Ambient-Drone-Track enthalten (die Plattentitel deuten es schon an), womit Kirk quasi noch weiter in der CABARET VOLTAIRE-Geschichte zurückgeht und abstrakte disharmonische wie hypnotische Soundscapes produziert. Ähnliches hatten THROBBING GRISTLE bei ihrer Reunion Mitte der 2000er Jahre versucht, erstaunlicherweise gelingt Kirk in dieser Hinsicht deutlich zwingendere Musik, die Post-Industrial-Sounds in die Neuzeit transportieren kann, ohne dabei wie ein blutarmer Abklatsch einer früheren radikalen Verweigerungshaltung zu wirken.