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BRONSON

Charles „Charlie“ Bronson (geboren als Michael Gordon Peterson am 6. Dezember 1952, der diesen dann für Untergrund-Boxkämpfe im Londoner East End umänderte) gilt in England als einer der gewalttätigsten Gefangenen überhaupt.

Der verbrachte sein Leben seit den Siebzigern, bis auf eine Unterbrechung von 69 Tagen, ausschließlich in englischen Gefängnissen und Heilanstalten, war legendär für seine Streitlust und brach oft auch unbegründet irgendwelche Kämpfe mit Insassen und Wärtern vom Zaun, die er auch gerne mal als Geiseln nahm, um irgendwelche idiotischen Forderungen durchzusetzen.

Ein Mensch, der offenbar nur über physische Gewalt kommunizieren kann, inzwischen aber sogar seine Liebe für Kunst und Gedichte entdeckt hat. Im Knast sitzt der Fitnessfreak, der zu diesem Thema auch ein Buch namens „Solitary Fitness“ geschrieben hat, immer noch und so hat er auch bisher nicht Nicolas Winding Refns „Bio-Pic“ über ihn gesehen.

In der Hauptrolle ein beeindruckender Tom Hardy, der mir bisher trotz größerer Rollen noch nie richtig aufgefallen ist, aber die kahlköpfige, schnauzbärtige Hauptfigur aus BRONSON in all ihrer physischen Präsenz gelungen auf die Leinwand bringt.

Refn, der bisher PUSHER 1-3 und den unterbewerteten FEAR X (nach einem Drehbuch von Hubert Selby Jr.) gedreht hat, also immer für eigenwillige, interessante Filme gut ist, nähert sich seinem Sujet auf ungewohnte Weise.

Denn er macht Bronson zum Erzähler der Geschichte, der immer wieder das Publikum direkt anspricht und als eine Art Entertainer auf einer Theaterbühne agiert, wodurch die normal inszenierten Episoden aus seinem Leben unterbrochen worden („How would you feel, waking up in the morning without a window? My window is a steel grid, I ’ave to put my lips against that steel grid and suck in air, that’s my morning...

’cause I got no air in my cell. I have to eat, sleep and crap in that room twenty-three hours of a twenty-four hour day. You tell me, what human being deserves that? Apart from the stinking paedophile or a child killer.

I don’t deserve that, I done nothing on this planet to deserve that.“). BRONSON ist allerdings eine recht freie Umsetzung von Bronsons Biographie, bei der sich Refn auf bestimmte Teilaspekte konzentriert und vor allem versucht, dessen Gewaltverliebtheit zu erklären, was ihm aber nicht wirklich gelingt, dafür wirkt sein Film dann doch zu episodenhaft.

Es entsteht dabei das eher bruchstückhafte Bild eines Mannes, dessen Motivation für sein Tun nie wirklich klar wird – und die Ursachen dafür lassen sich auch nicht wirklich in seiner Kindheit finden.

Bronson bleibt für den Zuschauer zwar eine ungemein faszinierende Figur, aber er kommt ihr nicht wirklich näher, spätestens wenn das extreme Gewaltpotential dieses Mannes wieder ans Tageslicht kommt.

Insofern ist BRONSON auch weniger ein Bio-Pic im klassischen Sinne als eine Reise in die verquere Gedankenwelt eines sympathischen Irren, der gesellschaftlichen Normen auf seine Art den Kampf erklärt hat.

Ein unverbesserlicher Individualist, dessen „mit dem Kopf durch die Wand“-Mentalität erstaunlich unterhaltsam ist. Refn findet dabei ein spannendes Gleichgewicht zwischen tiefschwarzem Humor und purem Horror, das streckenweise äußerst verstörend wirkt, aber seinen Film auch so sehenswert macht – einen starken Magen vorausgesetzt.

Und die damit verbundene ästhetische Überhöhung der dargestellten Gewalt durch Musik und stylische Bilder provoziert geradezu Vergleiche mit Kubricks UHRWERK ORANGE, wobei Refn keine Gesellschaftssatire im Sinn hatte, sondern das Porträt eines extremen gesellschaftlichen Außenseiters, für dessen Natur die Gesellschaft nicht unbedingt etwas kann.

Am Ende ist man so schlau wie zuvor, dafür verspürt man das extreme Bedürfnis, mehr über diesen seltsamen Menschen zu erfahren – wirklich begegnen möchte man ihm aber auch nicht unbedingt –, denn so jemand kann es doch eigentlich gar nicht geben, oder?