Die eine Hälfte von YELLO lädt uns nach zehn Jahren Soloabstinenz ein weiteres Mal in seine Welt ein. Eine Mischung aus Ambient-Sounds, natürlich rein elektronisch, exotischen Untertönen und einer tiefenentspannten Haltung, in der alles kann, aber nichts muss. Die Klangräume sind stets voluminös, weit gedacht und wunderschön strukturiert. Mal befindet man sich in einem Urwald, in megalithischen Gebäuden oder einer Stadt, stets in Abwesenheit von Menschen. Boris Blank kreiert hier Soundlandschaften, die ohne Gesang funktionieren und bei denen die richtigen Punkte treffen, für die Menschen nur als Beiwerk vorkommen. Monumentale Tracks, die morgens um vier Uhr stattfinden, wenn man in der ersten (oder letzten) U-Bahn sitzt, leicht einen sitzen hat und komplett in sich ruht. Da ist niemand, der einen nervt oder stört, man ist alleine mit sich und mit der Welt im Reinen. Gelegentliche Kraut-Anleihen funktionieren genauso perfekt wie das Schichten von mehreren Ebenen, die ebenso für einen Soundtrack herhalten könnten. Für mich hat das durchaus Lovecraft-Qualitäten und das Potenzial für einen Soundtrack zu „Berge des Wahnsinns“, den es immer noch umzusetzen gilt. So eine Platte hätte ich eher in einem Industrial-Ambient-Umfeld vermutet als bei jemandem, den man mit YELLO assoziiert. Respekt, diese Seite goutiere ich ebenso mit Hochachtung.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #173 April/Mai 2024 und Kalle Stille