Schon seit einer ganzen Weile beschert uns das kleine Label Bildstörung liebevoll gemachte Releases, die an ein Publikum adressiert sind, das mehr an künstlerischem Anspruch als an oberflächlichem Radau interessiert ist.
So ein Fall ist auch der Spielfilm „Blut an den Lippen“ („Les lèvres rouges“) des Belgiers Harry Kümel, der ein recht überschaubares Gesamtwerk vorzuweisen hat. Neben „Blut an den Lippen“, der bei uns bis 2003 als jugendgefährdend galt und um fast zehn Minuten Handlung erleichtert wurde, dürfte „Malpertuis“ mit Orson Welles zu seinen bekanntesten Arbeiten zählen.
„Blut an den Lippen“ ist traumartiges und poetisches Erotik-Drama, das sich einerseits am Gothik-Horror der Hammer-Filme orientierte, andererseits aber auch sexuelle Inhalte deutlich expliziter als diese mit einbezog.
Bereits ein Jahr zuvor hatte Hammer mit „Comtesse des Grauens“ die Legende der ungarischen „Blutgräfin“ Elisabeth Báthory aufgegriffen, die angeblich im Blut ermordeter Mädchen gebadet oder es getrunken hatte, um sich selbst jung zu erhalten.
Kümels Film reißt die Gräfin aus ihrem historischen Kontext heraus, verpflanzt sie in ins heutige Ostende in ein luxuriöses Hotel und betont stärker die Vampirismus-Motive der Geschichte.
Auch wenn ein jüngeres Publikum hier die Abwesenheit konventioneller Spannungsmomente bemängeln dürfte, besitzt Kümels Film aufgrund der stilvollen Umsetzung, seines unterschwellig morbiden Erotizismus’ und einer selbstironischen Distanz zum Horror-Genre verdientermaßen Kultstatus.
Neben der ungeschnittenen Originalfassung enthält die qualitativ zufriedenstellende DVD (inzwischen „ab 16“ freigegeben) auch noch interessantes Bonusmaterial wie einen Audiokommentar von Kümel und die deutsche Kinofassung des Films.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #108 Juni/Juli 2013 und Thomas Kerpen