Die größte Kunst des Beat-Man liegt darin, sich immer wieder ein wenig oder auch ein bisschen mehr neu zu erfinden, ohne dabei seine Handschrift zu verwässern. Der lange Weg vom Lightning Beat-Man und den frühen Rockabilly-lastigen MONSTERS zu dem Powerhouse, das die Band heute live ist, und dem Reverend, seinem Prediger-Alter-Ego, ist lang, aber stringent.
Während der Reverend live eine One-Man-Show ist, holt er sich für seine Platten entweder eine Band oder, wie in diesem Fall, handverlesene Musiker ins Studio. Diesmal offenbar Vollprofis, denn wer nach dem einmaligen Vorspielen der Grundidee sofort loslegen kann, so dass etwas so Ausgefeiltes wie diese Platte dabei herauskommt, der hätte früher auch bei Frank Zappa eine Anstellung gefunden.
Herausgekommen ist die vielleicht musikalisch am breitesten und bei einigen Songs vom Primitive-Rock’n’Roll am weitesten entfernte Scheibe des Wanderpredigers aus Bern. Die Veredelung, anders kann man es nicht nennen, reicht von „I’m not gonna tell you“ (eine Orgel/Keyboard ergänzt die krachige Fuzzgitarre) bis hin zu „Today is a beautiful day“, einem völlig relaxten Sonnenuntergangssong, den man dem einen oder anderen Kojoten vorspielen möchte.
„I’ll do it for you“, das live schon im typischen One-Man-Style zu hören war, mutiert zu etwas völlig anderem, mit Schifferklavier und locker-flockigem korsischen Flair, während er kurz danach schon in CRAMPS-Gefilde vordringt, um mit „But I love you“ endlich einmal ein waschechtes Liebeslied abzuliefern, das auch noch so klingt, wie es gemeint ist.
„If I knew“ ist wahrscheinlich der erste Beat-Man-Song in waschechten Psychedelic-Gefilden. Den Dancetrack gibt es mit „Looking right through“ und „Lass uns Liebe machen“ hat (Achtung!) eine singende Säge im Gepäck, die den Song ganz schön weit trägt.
Alles in allem ein gelungenes Experiment, bei dem oft nur noch der Gesang und die Texte an den Urheber und Solokünstler erinnern. Für dasselbe Ergebnis rotten sich normalerweise Fanboybands zu einem Tribute-Sampler zusammen, der Beat-Man macht es einfach selber.
Für alle Die-hard-Fans, von denen es beim Berner Wunderkind einige geben dürfte, gibt es die komplette Platte in einer limitierten (blauen) zweisprachigen Fassung. Einmal im Original, sprich Englisch/Deutsch, und in der Doppel-LP-Version zusätzlich in Berndeutsch, einem schweizerdeutschen Dialekt, von denen das Alpenland ja einige zu bieten hat.
Dieselben Songs, nur eben in einer Sprache, die die wenigsten außerhalb eines relativ kleinen Sprachraums verstehen dürften. Insgesamt die wahrscheinlich massenkompatibelste Platte, die der Beat-Man bisher veröffentlicht hat, ein guter Startpunkt, um sich tiefer vorzuarbeiten, und für alle „Wissenden“ ein Festmahl.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #138 Juni/Juli 2018 und Kalle Stille