Manchmal bin in schon froh, in Deutschland zu leben. Einem Land, in dem es keine nationale Musikpresse von der Penetranz und Erscheinungsheft des britischen NME gibt. Einem Blatt, das jede Woche eine neue Sau durch's Dorf treiben muss und sinn- wie hirnlose Superlative liebt.
Zum Beispiel BLOC PARTY: die waren unlängst Support von INTERPOL und überraschten nicht wenige positiv mit ihrem, wie man übelmeinend behaupten könnte, gar nicht so weit von dem des Hauptacts entfernten Sound.
Zumindest live klang das so. Junge Menschen aus England, geboren in den späten Siebzigern und frühen Achtzigern und damit weit entfernt von jedem Verdacht, in jungen Jahren gehörte Musik aufzugreifen, denn die Musik, nach der es hier an allen Ecken und Enden klingt, wurde in genau der Zeit gemacht, als die Vier noch im Bauch ihrer Mutter zappelten.
Zurück zum NME: dessen Schaumschläger erblöden sich, BLOC PARTY als "the next most important band in rock" zu bezeichnen, schließen den Satz auch noch mit "FACT." ab, holen die große Vergleichskeule raus und faseln was von THE CLASH und THE SPECIALS, und man misst so einer Aussage den gleichen Wert zu wie der eines Kleptomanen, der letzte Diebstahl sei auch wirklich der letzte gewesen.
Nicht zu vergessen FRANZ FERDINAND, deren Name natürlich in so einer Rezension auftauchen muss, so, wie man in Süddeutschland sinnfrei ein "Grüß Gott" in die Gegend blökt, wenn man grüßt.
Man macht's halt, fragt sich kaum, warum. Doch lassen wir das Gestänker, wenden wir uns dem nach diversen Kleinformaten ersten Album der bereits 1998 gegründeten Band zu. 1998, da war von Dance-Punk nicht wirklich die Rede, da roch es aber für jeden, der es wissen wollte, schon nach Achtziger-Revival, und wie INTERPOL und gerade auch THE FAINT lassen BLOC PARTY diese unbestimmte, düstere Gefühl, das die Post-Punk-Bands jener Zeit prägte, auch in ihrer Musik aufleben.
Doch Kopisten sind sie auf keinen Fall, sie greifen mehr eine Stimmung auf als einen bestimmten Sound, machen daraus ihre eigene Version moderner (britischer) Popmusik, mal Gitarrenpop, mal wavig, mal vertrackt, und auf jeden Fall ist ihr Songwriting so gut, dass man es hier mit dreizehn differenzierten Songs zu tun hat und nicht nur einem angenehm durchlaufenden Album.
Mit "Banquet", "Helicopter" (beide hier enthalten) und "Little thoughts" glückten ihnen in UK bereits Charterfolge, wobei ich "Price of gas" oder "This modern love" aber für genauso eingängig halte.
Ein Album voller akustischer Déjà-vus - mal abwarten, wie weit es trägt. (50:32) (8)
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #70 Februar/März 2007 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #58 Februar/März 2005 und Joachim Hiller