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BARFLY

Zu Schulzeiten hat die Literatur von Charles Bukowski eine extreme Faszination besessen, diese poetische wie derb realistische Schilderung des Alltags eines Underdogs zwischen Saufen und Ficken. Ungeschönte Slum-Philosophie von einem, der nicht nur darüber schrieb, sondern dieses Leben auch so führte, zumindest vermittelte Bukowskis Gesicht diesen Eindruck.

Insofern besuchte man damals mit einer gewissen Erwartungshaltung die Kinovorstellung von Barbet Schroeders BARFLY, schließlich hatte auch Bukowski an dem Film mitgearbeitet, und wurde enttäuscht.

Mickey Rourke war zu dieser Zeit ein wirklich toller Schauspieler und auch gerade schwer angesagt, aber nicht das, was man sich unter Bukowskis Alter Ego Henry Chinaski vorstellte. Denn selbst mit fettigem Haar und blutverschmiert sah Rourke einfach viel zu nett aus.

Es wäre sicherlich interessant, ihn heute in dieser Rolle zu sehen. Und so richtig viel passierte auch nicht: Rourke hing in Bars in Los Angeles ab, prügelte sich mit dem Barkeeper, pflegte eine seltsame Beziehung zu Faye Dunaway, stach seinen Nachbarn ab und stieg schließlich mit seiner Verlegerin ins Bett („I am a bum.

What do you want me to do? Do you want me to write about the sufferings of the upper classes?“), natürlich alles im kompletten Vollrausch. Too drunk to fuck? – kein Problem für Bukowski/Chinaski.

Und auch heute hat sich an dieser Enttäuschung nichts geändert, auch wenn Schroeder an sich einen recht ansprechenden, authentisch wirkenden Film über einen verwahrlosten Möchtegern-Literaten mit nihilistischer Lebensphilosophie hinbekommen hat, nur eben keine echte Adaption von Bukowskis Werk.

Das sah der wohl ähnlich, zumal er eigentlich Sean Penn für die Rolle haben wollte, der wiederum Dennis Hopper als Regisseur bevorzugte. Aber da Schroeder Bukowskis Schaffen bereits 1985 in THE CHARLES BUKOWSKI TAPES gut dokumentiert hatte, bestand da offenbar eine gewisse Vertrauensbasis.

Massive Probleme mit der Produktionsfirma Cannon gab es dann auch noch, da diese kurz vor der Pleite stand, weshalb Francis Ford Coppola einspringen musste, sonst hätte es BARFLY niemals gegeben.

Eine insgesamt so unerfreuliche Geschichte, dass Bukowski sie später in „Hollywood“ verarbeitete, einem seiner letzten Bücher. Kultstatus hat der Film dennoch erlangen können, aber ähnlich wie STORIE DI ORDINARIA FOLLIA oder CRAZY LOVE wird er Bukowski nur in Teilen gerecht, da war zuletzt FACTOTUM ein befriedigenderes Erlebnis für den Fan dieser Ikone des amerikanischen Literaturbetriebes.

Im Heimvideo-Bereich hatte sich BARFLY inzwischen zum Collector’s Item gemausert und wurde dieses Jahr noch mit einem deutschen Bootleg geehrt, aber jetzt gibt es den Real Deal von Koch, der sich vor allem in der Special Edition lohnt.

Denn da gibt es THE CHARLES BUKOWSKI TAPES noch als Bonus dazu, die ultimative Aufarbeitung des Innenlebens des Autors und sicherlich spannender als jeder auf Bukowskis Werk basierender Spielfilm.