Der 1992 verstorbene Jack Arnold ist vor allem als Regisseur von Horror/Science Fiction-Filmen wie TARANTULA, DIE UNGLAUBLICHE GESCHICHTE DES MR. C. und DER SCHRECKEN VOM AMAZONAS bekannt, was ja nicht automatisch heißt, dass er nicht auch in anderen Genres zu Hause war.
Und so entstand 1959 mit AUF DER KUGEL STAND KEIN NAME (NO NAME ON THE BULLET) auch ein klassischer Western von ihm, nicht sein einziger übrigens. Ein Vehikel für Hauptdarsteller Audie Murphy, ein mehrfach ausgezeichneter Kriegsheld des Zweiten Weltkriegs und Star vieler Western dieser Zeit.
Der ist hier aber in einer ungewohnten Rolle zu sehen, nämlich nicht als Held, sondern als skrupelloser Killer mit knabenhafter Unschuldsmiene. Besagter John Gant taucht irgendwann in dem kleinen Kaff Lordsburg auf und versetzt die Bevölkerung in Angst und Schrecken.
Dabei ist aber nicht ausschlaggebend, was Gant tut, sondern was er nicht tut. Denn der wartet einfach ab, während sich die rechtschaffenen Bürger regelrecht selbst zerfleischen, bis endlich klar wird, auf wen es der Killer wirklich abgesehen hat.
Und selbst, als ihn der Sheriff dazu zwingt, doch zum Colt zu greifen, entpuppt sich Gant eher als nüchterner Geschäftsmann denn als kaltblütiger Mörder (Sheriff: „Why didn’t you kill me? - Gant: „I wasn’t paid to.“).
Und so scheint Gant trotz seiner unangenehmen Profession ein ehrenwerterer Mensch als der Großteil der Bevölkerung des Städtchens zu sein, die alle irgendwelche Leichen im Keller haben, bis auf den durch und durch anständigen Arzt Luke Canfield („I like you, Physician.
You’re like me. You and I may well be the only two honest men in town.“). AUF DER KUGEL STAND KEIN NAME ist somit weniger ein actionreicher Genre-Film als ein hintergründiges „Morality play“, das uns auch einiges über die menschliche Natur erzählen will und bei dem die Grenze zwischen Gut und Böse gar nicht so leicht zu ziehen ist.
Eine psychologische Charakterstudie über die Folgen unbewältigter Individualschuld, die hier zu einer Art Massenpanik führt. Murphy brilliert dabei als Katalysator mit bedrohlicher Präsenz, der mit gewisser Selbstzufriedenheit beobachtet, wie ihm andere Leute die Drecksarbeit abnehmen, und zeigt mit dieser ambivalenten Rolle, dass er eben mehr war als nur der Typus des braven Schwiegersohns.
AUF DER KUGEL STAND KEIN NAME mag es dabei an der epischen Breite fehlen, um als echter Klassiker des Western-Genres zu gelten, aber in der B-Liga gehört diese Universal-CinemaScope-Produktion auf jeden Fall zu den sehenswerten Highlights.
Eine kleine Perle, die bereits vor zwei Jahren zusammen mit DES TEUFELS LOHN und AUF DER SPUR DES TODES bei Koch als „Jack Arnold Western Collection“ erschien, jetzt aber auch mal einzeln erhältlich ist, in ausgezeichneter Bild- und Tonqualität.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #91 August/September 2010 und Thomas Kerpen
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #131 April/Mai 2017 und Thomas Kerpen