Die ARBEITSGRUPPE LOBOTOMIE und ich, wir hatten keinen guten Start. Ihr erstes Album kam mir befremdlich vor, weil sie sich textlich meiner Meinung nach eines Vokabulars bedienten, das auch bei Querdenker:innen und Wutbürger:innen anschlussfähig sein kann. Auf „Etikettenschwindel“ positioniert sich die AGL textlich viel eindeutiger. Es wird klar, dass ihre Kritik an den gesellschaftlichen Strukturen und Verhaltensweisen (gerade im Bezug auf Konsum und Globalisierung) durchaus Hand und Fuß hat. In „Das böse Wort mit A“ tritt beispielsweise eine gute anarchistische Einstellung mit einem Hang zur Utopie zutage. So weit also alles gut. Allerdings ... ja, es gibt ein „allerdings“ ... ist mir diese Industrial/Steam-Punk/Gothic/-Inszenierung etwas zu dick aufgetragen. Es scheint, als will sich dieses Kollektiv als explizit links-anarchistische Version von RAMMSTEIN, OOMPH, KNORKATOR und Co. positionieren. Das ist an sich keine schlechte Sache, allerdings (da ist es!) sind sie mit diesen harten Gitarren, den strammen Rhythmen, mit diesem Gegensatzpaar von knödeligen Männer- und glockenklaren Frauen-Vocals, mit diesem auf 1930er-Jahre-Retro getrimmten Sepia-Artwork, also mit dem ganzen Konzept eigentlich, bei mir an der komplett falschen Adresse. Das erinnert mich an unfreiwilliges Neue-Deutsche-Härte-Polit-Kabarett. Sorry, liebe Arbeitsgruppe, das wird wohl nichts mehr mit uns. „Weit hinaus“ ist allerdings ein sehr schönes Lied.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #176 Oktober/November 2024 und Gary Flanell
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #167 April/Mai 2023 und Gary Flanell