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ANTICHRIST

Zugegeben, ein großer Fan von Lars von Triers filmischen Schaffen war ich noch nie, und dieser ganze Dogma-Quatsch war mir eh immer viel zu suspekt. Denn gerade hinsichtlich des Aspekts Wirklichkeitsentfremdung des Kinos war ja wohl gerade der Däne ein Meister auf diesem Gebiet, dessen Werke ich oft kaum bis zum Ende ertrug.

Sein letzter Film, ANTICHRIST, war dann mal wieder einer dieses vermeintlichen Cannes-Skandalstreifen, aufgrund seiner expliziten Darstellung von Sexualität und Gewalt. Frauenfeindlich sollte er gleich auch noch sein, aber wie so oft entpuppt sich das bei näherer Betrachtung als Sturm im Wasserglas.

Denn was von Trier hier als „Shock Value“ zu bieten hat, beschränkt sich auf wenige Einzelszenen. Zumindest gab es dafür eine „FSK ab 18“-Freigabe, denn normalerweise kommen Kunstfilme mit so was ja dennoch ungeschoren durch.

Nach einer wirklich grandios gefilmten Eingangssequenz, in der ein kleiner Junge aus einem Fenster in den Tod stürzt, während die Eltern im Badezimmer Sex haben (eigentlich müsste man eher „ficken“ sagen, wie von Trier das inszeniert hat), folgt eine ausgedehnte Therapiesitzung im verwunschenen Märchenwald („Nature is Satan’s church.“) zur Verarbeitung dieses Traumas.

Denn der Ehemann, der zufälligerweise Psychologe ist, kommt auf die Schnapsidee, seine Frau selbst therapieren zu wollen, die allerdings auf recht drastische Weise darauf reagiert, was man als zartbesaiteter Mensch dann doch als ziemlich schockierend empfinden könnte.

ANTICHRIST ist dabei so eine Art Psycho-Horrorfilm geworden, was der Däne damit allerdings genau zum Ausdruck bringen will, ist mir nicht ganz klar geworden. Zumindest impliziert von Trier, dass der Ursprung des Bösen in der Natur zu finden ist und damit auch in der Frau, die ja von dieser mit der Gabe der Schaffung von neuem Leben ausgestattet wurde.

Am besten nicht weiter drüber nachdenken, ebenso wenig wie über das bräsige Ende von ANTICHRIST, und den Film als einen in den Wald verlegten WENN DIE GONDELN TRAUER TRAGEN genießen, denn eine unter die Haut gehende Atmosphäre besitzt dieser bizarre Psychotrip auf jeden Fall.

Vor allem aufgrund der wirklich surrealen Szenerie des Waldes, die den Film alleine schon sehenswert macht, wäre da nicht dieser ganze verquaste tiefenpsychologische und philosophische Unsinn und die tiefgründige Symbolik.

Womit von Trier erneut unter Beweis stellt, dass er einer dieser die Geduld überstrapazierenden Kunstfilmer ist, die gerne mal provozieren, um dann als kontrovers zu gelten. Damit sollen sich dann irgendwelcher Filmtheoretiker herumschlagen.

Und man kann durchaus verstehen, wenn jemand den Film deswegen einfach nur für fürchterliche Kunstkacke hält. Das namenlose Ehepaar wird dabei von Willem Dafoe und Charlotte Gainsbourg gespielt.

Und während ich die Gainsbourg noch nie für eine tolle Darstellerin hielt, die überwiegend vom Ruf ihrer Eltern zehrt, ist Dafoe mal wieder ganz ausgezeichnet, der ja bereits in frühen Rollen wie in PLATOON eine extreme Leinwandpräsenz entwickeln konnte.

Die nett aufgemachte Special Edition im Schuber und mit Wendecover enthält noch einige Making of-Featurettes, Interviews mit Lars von Trier, Charlotte Gainsbourg, Willem Dafoe und einen Audiokommentar des Regisseurs.