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AN EINEM TRÜBEN NACHMITTAG

Bryan Forbes’ Film „An einem trüben Nachmittag“ dürfte einer der mit Abstand seltsamsten Kriminalfilme über eine Entführung sein. Die Vorlage lieferte 1961 Mark McShane mit seinem Buch „Séance on a Wet Afternoon“, das 1969 im Heyne Verlag unter dem Titel „Spiele für einen heißen Nachmittag“ erschien – bei der Titelgebung für Film und Buch gab es anscheinend andere Vorstellungen bezüglich der in der Geschichte vorherrschenden klimatischen Bedingungen. Forbes, der auch als Schauspieler („Die Kanonen von Navarone“) und Drehbuchautor („Ein Mann jagt sich selbst“) aktiv war, verfilmte 1975 auch Ira Levins satirische Dystopie „Die Frauen von Stepford“, ließ sich aber nie in von irgendwelchen Genre-Konventionen einengen. Das merkt man auch bei „An einem trüben Nachmittag“, in dem zu Beginn im Haus von Myra Savage (Kim Stanley) und ihrem Mann Bill (Richard Attenborough, später Regisseur von „Gandhi“) eine Seance abgehalten wird. Anscheinend hält sich Frau Savage für ein echtes Medium. Aber der Zuschauer hat gleich das Gefühl, dass mit diesem komischen Pärchen irgendetwas nicht stimmt, vor allem als Bill in Auftrag seiner Frau die Tochter eines reichen Ehepaars entführt. Forbes vermischt dabei Elemente des Kriminal- und Geisterfilms und zeichnet das verstörende Psychogram einer durch den Verlust des eigenen Kindes bei der Geburt traumatisierten Soziopathin mit extrem dominanten Zügen, die ihren Mann nach Belieben manipulieren kann, bis dieser ihrem Treiben ein Ende bereitet. Der mit einem subtilen Soundtrack von James Bond-Komponist John Barry unterlegte „An einem trüben Nachmittag“ erschien jetzt offenbar das erste Mal auf DVD, besitzt aber eine sehr gelungene Synchro älteren Datums. Interessant ist auch das darauf enthaltene längere Interview mit Forbes, der einiges über die britische Filmindustrie in den Sechzigern zu erzählen hat.