AMERICAN HARDCORE

Es scheint so eine Art ungeschriebenes Naturgesetz zu sein, dass nach ca. 20 Jahren jede Form von Subkultur, egal ob es sich um die Bereiche Kunst, Musik oder Film handelt, für den Ottonormalverbraucher aufgearbeitet und auf deren Relevanz für bestimmte Entwicklungen im Mainstream hingewiesen wird, blablabla ...

So ein Fall ist in gewissem Sinne auch diese durch Steven Blushs Buch „American Hardcore: A tribal history“ inspirierte Doku von Regisseur Paul Rachman, der bereits zu College-Zeiten Bands wie BAD BRAINS, GANG GREEN, NEGATIVE FX oder MISSION OF BURMA gefilmt hatte, bevor er erfolgreich Videoclips für ALICE IN CHAINS, THE REPLACEMENTS und SEPULTURA drehte.

Rachman versucht hier die Entwicklung der Ende der 70er an der Westcoast durch Reagonomics-Frust entstandene amerikanische Hardcoreszene bis Mitte der 80er durch Interviews mit unzähligen Beteiligten, die hier teilweise köstliche Anekdoten zum Besten geben, und rare Live-Aufnahmen einzugrenzen und in einen Rahmen von 100 Minuten zu pressen.

Szenekennern mag dieser Blickwinkel letztendlich etwas beschränkt erscheinen, und so kann man im Internet auch seitenweise Gemecker von Leuten finden, die sich darüber beklagen, wer alles nicht im Film auftaucht und wieso nicht auch die Entwicklung in England in Sachen Hardcore berücksichtigt wurde usw.

Ist auch alles richtig, aber dann hätte man aus AMERICAN HARDCORE wohl eine TV-Serie machen müssen, und dabei sollte man auch nicht vergessen, wer alles im Film auftaucht, eine imposante Liste, die hier den Rahmen sprengen würde.

Auf jeden Fall gelingt es Rachman dabei auf sehr kurzweilige Art, das grundsätzliche Lebensgefühl der damaligen Hardcoreszene und die damit verbundene Aufbruchsstimmung zu vermitteln und zu konservieren, was schon mal viel wert ist, vor allem wenn man sich den Grad der Kommerzialisierung und gelangweilten Professionalisierung im heutigen Punk/Hardcore-Bereich anschaut.

Früher war sicher nicht alles besser, aber bestimmte Sachen passieren halt nur einmal in einer bestimmten Form – man braucht in diesem Zusammenhang nur das aktuelle Album der BAD BRAINS mit ihrer, in AMERICAN HARDCORE gut dokumentierten, nach wie vor mitreißenden Frühphase zu vergleichen, um das zu begreifen.

Auf der jetzt erschienenen DVD gibt es neben einem Audiokommentar von Rachman und Blush auch noch 50 Minuten nicht verwendetes Material. Ein vielleicht unwichtiges, aber mich extrem amüsierendes Detail in AMERICAN HARDCORE war übrigens, dass bei der Szene mit Dan Kubinski von Die Kreuzen hinter ihm im Regal gut sichtbar ausgerechnet das erste Neil Young Solo-Album steht, Absicht oder Zufall?