AMERICAN GOTHIC

John Houghs AMERICAN GOTHIC, der bei seiner Erstveröffentlichung auf Video hierzulande DARK PARADISE hieß, ist ein schönes Beispiel dafür, wie die Verschärfung der Jugendschutzbestimmungen zu immer mehr Chaos geführt hat und zeigt ebenfalls die Schizophrenie der Bewertungsmaßstäbe von FSK und BPjS - und demnächst soll alles ja noch schlimmer werden.

Denn einem Großteil der DVD-Kundschaft dürfte wohl nicht bewusst sein, dass die neue FSK-Plakette "Keine Jugendfreigabe" nicht dasselbe ist wie die alte "ab 18"-Freigabe, auch wenn es sich in beiden Fällen um Filme handelt, die nur für Erwachsene geeignet sind.

Aber Erwachsener ist nach Logik der staatlichen Institutionen eben nicht gleich Erwachsener und so kann es vorkommen, dass Filme wie AMERICAN GOTHIC, die auf Videokassette mit altem roten Prüfsiegel noch ungeschnitten waren, plötzlich auf DVD um drei Minuten gekürzt sind.

Was also früher Erwachsenen zumutbar war, soll es heute nicht mehr sein. Besitzt das irgendeine nachvollziehbare Logik? Nein! Der Grund dafür ist ein ganz anderer und hat mit der Verzahnung von FSK und BPjS zu tun beziehungsweise mit dem wunderbaren staatlichen Züchtigungsinstrument der Indizierung, was Verleiher regelmäßig dazu zwingt, bei bestimmten Filmen die Schere anzusetzen, um ihre Filme noch kommerziell auswerten zu können, und zwar über der Ladentheke.

Denn was heutzutage die FSK-Plakette "Keine Jugendfreigabe" bekommt, kann nicht mehr indiziert werden, unterliegt also keinen Vermarktungsbeschränkungen mehr, zumal selbst Amazon solche Titel mittlerweile mit der Post verschickt.

Gleichzeitig sind aber auch die Bewertungsmaßstäbe schärfer geworden, denn damals ließen sich "ab 18"-Titel ja noch indizieren, um die Jugend nachträglich vor ihnen zu schützen, wenn die FSK mal wieder zu nachlässig war.

Wenn man sich AMERICAN GOTHIC jetzt anschaut, kann man die "Keine Jugendfreigabe"-Plakette eigentlich kaum noch nachvollziehen, Kinowelt hätte den Titel auch direkt auf "ab 16" prüfen lassen können, aber dann wäre diese Käuferverarsche nur noch viel schneller aufgeflogen.

Der Jugendschutz scheint dabei eh zweirangig zu sein, es geht nur darum, die Verleiher durch Vorlage ihrer Filme bei FSK und BPjS immer wieder von neuem finanziell zu melken - welch schöne Geldvermehrungsmaschinerie.

Wie gut, dass man Cineasten-Fachblätter wie das Intro hat, die in ihrer Mai-Ausgabe den Film als "Wiederentdeckung" feierten, aber denen dieses kleine aber feine Detail offenbar entging. Wobei sie ja nicht ganz Unrecht haben, denn Houghs Film ist ein dezent satirischer, wirklich amüsanter TCM-Backwoods-Nachzügler, der dreisten Schabernack mit dem Bible Belt Amerikas und seinem evangelikalen Protestantismus treibt.

Darin spielen Rod Steiger, der zu diesem Zeitpunkt seine besten Rollen schon hinter sich hatte, und Yvonne De Carlo (Lily Munster) ein seltsames Pärchen auf einer einsamen Insel, auf der zufällig die üblichen US-Teenager gestrandet sind.

Nicht nur, dass die beiden recht radikale Ansichten vertreten, sie haben auch noch einige seltsame Kinder, die allerdings schon lange die Adoleszenz hinter sich gelassen haben, sich aber nach wie vor auf diesem geistigen Level befinden.

Die Stalk'n'Slash-Systematik von AMERICAN GOTHIC unterscheidet sich zwar nicht von vergleichbaren Filmen, der auch überwiegend ein billig gemachter B-Horrorfilm ist, aber das Ganze ist schwarzhumorig, sadistisch und abseitig genug, um einen prächtig zu unterhalten, zumal Steiger und De Carlo offenbar viel Spaß mit ihren Rollen hatten.

Leider macht das Ganze auf der Kinowelt-DVD nur halb so viel Spaß, also muss man mal wieder zu einer ausländischen Fassung greifen - die preiswerte englische DVD ist ungeschnitten und qualitativ sehr gut - oder versuchen, die alte Videokassette irgendwo auszugraben.