Die Brüder Joel und Ethan Coen sind ja schon seit langer Zeit Kritikerlieblinge, ihre Filme konnten nicht immer mit dieser breitflächigen Begeisterung mithalten, denn gerade in den letzten Jahren schlichen sich doch einige Stinker in ihr Gesamtwerk.
Vor allem THE LADYKILLERS (2004) oder INTOLERABLE CRUELTY (2003), aber auch NO COUNTRY FOR OLD MEN (2007) versaute mir mit seinem antiklimaktischen Schluss den ganzen Spaß. Da hatte ich doch wesentlich mehr Freude an ihrem letzten Film BURN AFTER READING, ein an sich harmloser Scherz in Form einer wenig tiefsinnigen Agentenparodie, der am Ende etwas die Puste ausging, aber die durchweg sehr unterhaltsam war.
Mit ihrem aktuellen Werk A SERIOUS MAN knüpfen die Coen aber beinahe wieder an alte Glanzleistungen an, eine wundervolle Tragikkomödie über einen jüdischen Mathematikprofessor namens Larry Gopnik, dessen biedere 60er-Jahre-Idylle zerbricht, als sich seine Frau plötzlich scheiden lassen will und auch noch seine heiß ersehnte Beförderung gefährdet ist („I feel like the carpet’s been yanked out from under me.“).
Hinzu kommt auch noch der Ärger mit seinen neurotischen Kindern und seinem nichtsnutzigen Bruder. Gopnik muss sich in Folge also die Frage nach dem Sinn seines Lebens stellen, um diesen Scherbenhaufen selbst wieder irgendwie zu kitten, denn die drei Rabbis, die er deswegen konsultiert, können ihm in dieser Hinsicht nicht wirklich weiterhelfen.
Offenbar hat sich das ganze Universum gegen ihn verschworen, dabei will Gopnik doch nur das Richtige tun und eben ein „serious man“ sein. Dass Filmemacher sehr viel Spaß daran haben, Gott zu spielen und ihre im Mittelpunkt stehenden Figuren komplett zu demontieren, um ihnen dann quasi eine Art Wiedergeburt zu spendieren, ist keine ganz neue Sache.
Doch die Coens verleihen ihrem Film durch die Einbeziehung ihrer eigenen Jugenderinnerungen hinsichtlich ihres Aufwachsens in einer jüdischen Gemeinde einen ganz besonderen Reiz, den man in dieser Form bisher noch nicht gesehen hat.
Sicherlich, auch Woody Allens Humor war immer sehr von seiner jüdischen Herkunft geprägt, aber A SERIOUS MAN rüttelt schon ganz ordentlich an den Grundfesten des jüdischen Glaubens, was ernsthafte Mitglieder dieser Religionsgemeinschaft vielleicht gar nicht mehr besonders zum Lachen finden werden, vor allem wenn die Coens ihrem Sinn für absurde, tiefschwarze Komik freien Lauf lassen.
Doch im Gegensatz zu RAISING ARIZONA driftet A SERIOUS MAN nie in karikaturhafte Comicheft-Gefilde ab und besitzt trotz aller ruppiger Schicksalsschläge immer viel Empathie für die normalen menschlichen Nöte der Figuren, die nie ihre Würde verlieren, ebenso wie ihr Verhalten immer recht nachvollziehbar wirkt.
Darüber hinaus besticht A SERIOUS MAN durch seine Detailverliebtheit und seinen generellen Realismus, mit dem hier die leicht provinziell wirkende jüdische Gemeinde irgendwo im Mittleren Westen der Vereinigten Staaten zum Leben erweckt wird.
Ein weitere Beleg dafür, dass sich die Coens hier nicht nur einfach über einen Teil ihrer persönlichen Biographie lustig machen wollten, sondern dass hier auch durchaus nostalgische Regungen im Spiel waren.
Mit A SERIOUS MAN gelang den Coens auf jeden Fall eine der schönsten und sympathischsten Komödien der letzten Zeit, bescheiden und tiefsinnig, die so ganz anders ist als alles, was Hollywood in dieser Hinsicht ansonsten auf das Publikum loslässt.
Was aber nicht heißt, dass einem hier das Lachen im Halse stecken bleiben würde. Ganz im Gegenteil, ich habe schon lange nicht mehr so herzhaft wie hier lachen müssen, ohne dass es einem hätte peinlich sein müssen.
Ab Mitte August als Kauf-DVD erhältlich und highly recommended.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #91 August/September 2010 und Thomas Kerpen