In den 1990er Jahren besuchte ich in Hamburg ein Solo-Konzert von Wreckless Eric im von Schorsch Kamerun und Rocko Schamoni gegründeten Golden Pudel Club. Zwischen den Songs erzählte Eric (1977: „Whole wide world“) traurige Geschichten aus seinem Leben, die aber kaum auf Interesse stießen. Der Großteil des Publikums hielt sich selbst für den Hauptact und bevorzugte lauten Smalltalk an der Bar (inklusive Toilettensteinduft). Es war grotesk, eine gescheiterte Existenz erzählt und keiner hört zu. 1999 begann Eric Goulden, Jahrgang 1954, damit, sein Leben aufzuschreiben, jeden Tag 1.000 Zeichen. Seine Geschichte handelt von seiner Erziehung, dem sozialen Hintergrund, der ihn prägte, und allem, was danach passierte. Die Sechziger und Siebziger Jahre in einem Vorort im Südosten Englands, die Entdeckung von Musik und sein Umzug nach London. Ärmliche Wohnungen, einfache Jobs, Plattenaufnahmen, der kometenhafte Aufstieg zum Ruhm, der Vertrag bei Stiff Records (wie Ian Dury, Elvis Costello, Nick Lowe, DAMNED, MOTÖRHEAD, MADNESS) und der erneute Abstieg in die Armut. Immer dabei: der Alkohol. Eric Goulden hat nicht nur eine unverwechselbare Stimme, sondern auch eine unverwechselbare Art und Weise, über sich, sein Leben und seine Fehler zu schreiben – ohne dabei in Selbstmitleid zu verfallen. Es ist ergreifend und oft auch urkomisch – und es ist immer ehrlich. 1985 hörte er mit dem Trinken auf und hier endet auch das Buch, obwohl sein Leben danach weiter zerbrach – die Depression – und es erst ganz langsam wieder aufwärts ging. Ursprünglich wurde das „A Dysfunctional Success“ schon 2003 veröffentlicht, jetzt gibt es die Neuauflage mit einem aktuellen Vorwort.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #174 Juni/Juli 2024 und Kay Werner