Die Band von gestern

YOUTH OF TODAY ist nach wie vor eine der wichtigsten Hardcore-Bands, auch wenn sehr viele sogenannte Hardcore-Kids heutzutage anderer Meinung sind. Vor allem für mich sind sie wichtig, waren sie doch eine der ersten Straight Edge-Bands, die ich kannte und die ich mir immer wieder anhören kann. Erstaunlicherweise gaben YOUTH OF TODAY tatsächlich wieder ein paar Konzerte in Europa – mit Ken Olden (BATTERY, BETTER THAN A THOUSAND, FACE THE ENEMY etc ...) am Bass–, darunter das Pressure Festival, das überwiegend Metal-Bands vorzuweisen hatte.

Nach einer halbwegs guten Show traf ich John Porcell. Eigentlich wollte ich ja auch noch Ray Cappo und Sammy Siegler dabei haben, aber Ray hauchte mir nur so etwas wie „My voice, I can’t really speak“ entgegen und Sammy war unauffindbar. So kam es dieses Jahr zum zweiten John Porcell-Interview im Ox, und Porcell entpuppte sich erneut als mehr als freundlicher Zeitgenosse.

Meine erste Frage muss natürlich lauten: Warum zur Hölle habt ihr eine Reunion-Tour gemacht?

Es war so, dass Marc von M.A.D. Tourbooking jeden von uns einzeln angerufen und gefragt hat: ‚Hey, wollt ihr nicht eine YOUTH OF TODAY-Tour machen? Das wäre super cool.‘ Da haben wir uns dann gesagt: ‚Ja, warum eigentlich nicht.‘ Ray lebt jetzt in Kalifornien, Sammy lebt in New York und ich im Staat New York, wir sind also alle über das Land verstreut, und haben uns jahrelang nicht gesehen. Es war also im Prinzip eine gute Ausrede, um zusammenzukommen und mit seinen Freunden rumzuhängen.

Viele Leute in den USA sind sicher sehr enttäuscht, dass ihr nur in Europa spielt. Werdet ihr noch in den USA spielen?

Nicht wirklich, es ist ja keine Comeback-Geschichte, wir haben halt das Angebot bekommen, und gedacht: ‚Cool, let‘s do it.’ Wir leben ja wie gesagt so weit auseinander. Bevor wir rübergekommen sind, war es auch schwer zu proben. Ray musste aus Kalifornien rüberfliegen und Ken musste aus Washington DC rüberkommen. Es ist einfach zu schwierig, YOUTH OF TODAY so am Laufen zu halten.

YOUTH OF TODAY sind ja so was wie die Väter der ganzen Straight Edge-Bewegung. Wie denkst du über Leute, die damals nicht dabei waren und viel jünger als ihr seid, und euch jetzt wegen der Reunion-Tour kritisieren?

Sobald man in einer Position ist, in der man öffentlich wahrgenommen wird, wird es Leute geben, die dich kritisieren. Ich spiele seit den 80ern in Bands, und man merkt, dass es immer mehr Kids gibt, die unsicher sind, die das, was du machst, machen wollen, aber nicht machen können, und deshalb versuchen, dich auf ihr Level runter zu ziehen. Das ist einfach lächerlich, und man sollte sich da einfach nicht drum kümmern. Es gibt ein altes Sprichwort, ‚Die Hunde können bellen, aber die Parade zieht weiter‘, also sollte man sich nicht um die Hunde, sondern um das kümmern, was einem wichtig ist, und einfach weitermachen. Aber ich habe bis jetzt eigentlich noch nichts an Kritik gehört. Ich denke, dass die meisten Kids, die zu jung sind, um uns damals sehen zu können, es wirklich schätzen, endlich die Chance zu haben, uns live zu sehen, auch wenn es nur eine Reunion-Tour ist. Bis jetzt haben sich die Leute wirklich darüber gefreut, und sie werden wohl nie wieder die Chance haben, YOUTH OF TODAY zu sehen. Bisher hat es jedenfalls Spaß gemacht.

Hast du erwartet, dass die Show hier so sein wird? Ich meine, die meisten Leute hier stehen ja mehr auf Metal ...

Ich lerne bei jeder Show, dass Hardcore mit einer positiven Message, der auf etwas Größeres ausgerichtet ist, nichts für jedermann ist. Man muss eine bestimmte Persönlichkeit und Selbstdisziplin besitzen, um sich verbessern zu wollen und zu können. Bei jeder Show weiß ich, dass nicht alle Leute darauf stehen werden, weil es so ein spezielles Ding ist, das auf bestimmte Persönlichkeiten ausgerichtet ist.

Ihr werdet ja auch noch Club-Shows spielen. Was erwartest du davon?

Ich mag die Club-Shows mehr, denn darum ging es bei YOUTH OF TODAY damals immer. Wir haben gestern auf einem Riesen-Festival vor ca. 4.000 Leuten gespielt. Wenn da diese große Barriere ist, und niemand nach vorne kommen, mitsingen und stagediven kann, dann hat das nichts mehr mit YOUTH OF TODAY zu tun.

Ich habe gehört, dass Matt Warnke von BOLD und RUNNING LIKE THIEVES eigentlich für euch Bass spielen sollte. Was ist da schief gelaufen?

Ganz einfach, er sollte mitkommen, hat aber gerade einen super Job bekommen und konnte deshalb nicht mit.

Die Hardcore-Szene hat sich in den letzten Jahren ja sehr verändert. Die Leute fahren immer mehr auf super brutale Musik ohne wirklichen Inhalt ab. Zum Beispiel HATEBREED, die ich sehr mag, die aber meiner Meinung nach keine wirkliche Message haben, oder wie siehst du das?

Bands wie HATEBREED und ähnliche Bands haben eine natürliche Message, sie verarbeiten die ganzen Frustrationen eines jeden von uns. Ich habe auch Sachen, die mich wütend machen, das ist ein ganz natürliches Gefühl, das man rauslassen muss. Ich kann Texte über das Verprügeln von Leuten oder so was nicht ab, aber die Texte von HATEBREED finde ich eigentlich ziemlich cool, diese Message, sich am eigenen Schopf aus dem Dreck zu ziehen und mit dem Leben weiterzumachen. Aber ich habe mich schon immer gegen Gewalt ausgesprochen. Ich finde es sehr gut, dass YOUTH OF TODAY gerade jetzt spielen, denn ich denke, unsere Botschaft ist wichtiger als jemals zuvor. Denn wie du gesagt hast, gibt es heute viele ‚harte‘ Jungs im Pit, die es cool finden, andere Leute zu schlagen. Und wir sind hier, um ihnen zu sagen, dass das immer noch nicht cool ist.

Na ja, manchmal mache ich mich dessen auch schuldig. Wenn ich eine Band wie zum Beispiel MADBALL sehe, flippe ich auch aus. Ich meine, du hast ja mit NEVER SURRENDER auch eine Möglichkeit, alles rauszulassen ...

Ja, NEVER SURRENDER ist wirklich eine ziemlich angepisste Band.

Was denkst du darüber, wenn bestimmte Leute bei ihren aktuellen Bands verstärkt darauf hinweisen, dass sie in der und der wichtigen Band waren?

Mit NEVER SURRENDER versuche ich, das ein bisschen runter zu spielen, dass ich früher bei YOUTH OF TODAY, PROJECT X, JUDGE, GORILLA BISCUITS oder BOLD gespielt habe. Ich will, dass die Band auf eigenen Füßen steht, und nicht nur wegen der Ex-Mitglieder bekannt ist, sondern weil sie gut ist. Das ist meine Meinung

Wie läuft es eigentlich mit deinem Label Fight Fire With Fire Records?

Phantastisch! Wir haben bis jetzt vier Veröffentlichungen, die NEVER SURRENDER-EP, die in den USA rausgekommen ist, dann die ‚Rise Up‘-Compilation mit 18 der besten neuen Hardcore-Bands. Da ist auch eine europäische Band namens THE CHANGE dabei, die wirklich super sind.

Du hättest BLACK FRIDAY ‘29 mit drauf nehmen sollen ...

Die werden auf einer Straight Edge-Compilation drauf sein, ich finde die wirklich gut. Es sind meistens neue Bands, von denen die Leute noch nicht so viel gehört haben, aber das sind die besten Bands. Unsere Platten werden jetzt von Revelation vertrieben, die einen super Job machen. Die Compilation war innerhalb der ersten Woche ausverkauft. Dann haben wir das neue Album von COALITION aus Detroit veröffentlicht, und ein Album von BONES BRIGADE, eine wirklich aggressive Skatecore-Band aus Boston. Dann werden wir als nächstes eine CD von EARTHBREAKER aus New York rausbringen, eher eine New School-Band wie zum Beispiel AMERICAN NIGHTMARE oder CARRY ON, aber mit wirklich positiver Botschaft und sehr guten Texten.

Was hast du denn sonst noch im Moment am Laufen?

Ich habe diese Website namens truetilldeath.com, die wirklich super läuft, und ich habe mittlerweile Leute, die mir dabei helfen, weil es schwer war, so viele Sachen unter einen Hut zu bringen.

Fotos: Rudy De Doncker