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Das Licht des Mondes fiel blaß ins Penthouse des Zollhofes, als Sven Hodo und The Rose of Abel (formerly known as Abel Rose) bei einem Gläschen Erdbeersekt zusammensaßen und über ihre gemeinsamen Zukunftspläne sprachen.
"Von Luft und Liebe allein können wir wohl nicht mehr lange weiterleben", stellte Sven Hodo beim Blick auf die Monatsabrechnung fest und besann sich dabei auf sein Talent als Musiker, was er über viele Jahre stets unter Beweis stellte, es aber nun schon geraume Zeit mehr und mehr verkümmern ließ. "Laß uns doch eine Band gründen, Rose." Seit jeher als überzogener Egomane und Egozentrikertucke verschrien, fand The Rose of Abel diesen Plan auf der Stelle ansprechend und lenkte ein. "Ich will aber keinen Punk mehr machen. Dafür bin ich inzwischen echt zu alt. So ein Indianerherz altert eh schneller als bei euch Bleichgesichtern."
Vor rund drei Jahren verließ The Rose of Abel seinen Heimatstamm der nordamerikanischen Sioux-Indianer, um in Hamburg ein Auslandsstipendium in Völkerkunde anzutreten. Da jedoch "das Tor zur Welt" für eine junge, wilde Rothaut mehr zu bieten hat als Hörsäle und Mensa, trieb die Rose ihr Unwesen recht schnell in den einschlägigen Clubs auf der Simon von Utrecht-Straße und lernte dort Hodo kennen und lieben. Seit dem leben die beiden gemeinsam über den Dächern der Stadt und genießen ihre junge Liebe. Doch wie das bei frisch Verliebten nun mal so ist, vergißt man darüber hinaus schnell den Rest der Welt um sich herum. Kein Wunder also, wenn irgendwann keine Wurst mehr aufs Brot kommt und der Kühlschrank leer bleibt. Wie gut, daß Sven Hodo jetzt diese dufte Idee mit der Band hatte.
"Wenn ich mich recht entsinne, sucht unser alter Lederboy Glenn Dungo derzeit auch Leute zum gemeinsamen Musizieren", fiel es der Rose beim Durchforsten des gemeinsamen Freundeskreises nach potentiellen Mitmusikern wie Schuppen aus den Augen.
"Ich rufe Glenn am besten gleich mal an und frage ihn."
"Wir haben aber schon bald drei Uhr, meinst du nicht, der schläft schon?"
"Ach Quatsch, wie ich den kenne, streunert Glenn wieder durch die Nacht, um sich jemanden fürs Wochenende aufzureißen. Aber vielleicht hatte er ja bereits Erfolg und ist schon zu Haus."
Das Telefon hatte unzählige Male geklingelt und die Rose wollte gerade den Hörer auf die Gabel legen, als er am anderen Ende der Leitung Glenn Dungos Stimme vernahm.
"Wer stört? Ich habe gerade Besuch." Ob der barschen Worte des Lederboys stark eingeschüchtert, mußte die Rose seine Worte erst einmal wiederfinden.
"Ich bin es, The Rose of Abel. Glenn, wir brauchen noch einen wilden Rocker für unsere Band."
"Scheiße, Rose. Leck mich am Arsch, ich habe gerade ´nen kleinen, geilen Eishockeyspieler bei mir im Bett, und du kommst mir mit irgendeiner Band. Du bist doch bekloppt."
"Warte Glenn, leg bitte noch nicht auf. Sag uns erst, ob du generell Interesse hast."
"Wenn du dann Ruhe gibst, sage ich mal ja. Morgen werde ich es bestimmt bereuen. Und jetzt leck mich am Arsch."
Der Hörer wurde aufgelegt.
"Und Rose?"
"Ja was, Hodo?"
"Na sag schon, Rose!"
"Was soll ich sagen, Hodo?"
"Du sollst mir sagen, was Glenn gesagt hat, Rose."
"Ach so, Hodo. Er macht wohl mit, will aber jetzt nicht weiter gestört werden. Er hätte einen Eishockeyspieler bei sich."
"Einen Eishockeyspieler? Hatte Glenn letztens nicht sogar einen Metzger mit nach Hause genommen?"
"Ich glaube schon, aber was hat das eine mit dem anderen zu tun, Hodo?"
"Was fragst du, Rose? Kein Schwuler ist Metzger oder Eishockeyspieler."
"Du und deine Vorurteile, Hodo. Es soll ja sogar schwule Polizisten und Cowboys geben."
"Naja, wie dem auch sei, Rose, dann sind wir schon zu dritt. Nach dem Rest können wir ja morgen beim BRONSKI BEAT Konzert Ausschau halten."
Und so ging wieder eine lange Nacht im Zollhof zu Ende.
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Die Markthalle kannte Sven Hodo noch aus alten Punkertagen, wo er seinerzeit desöfteren mit seiner Band gastierte. Heute Abend fand er seinen Weg jedoch aus anderen Gründen dorthin, denn es sollten BRONSKI BEAT zum Tanz aufspielen. Zusammen mit Glenn Dungo und The Rose of Abel, sozusagen dem Rumpf der neugegründeten Band, machte er sich rechtzeitig auf den Weg, um auch ja nichts zu verpassen.
Der Nachmittag schon stand bei allen drei voll und ganz im Zeichen des Ankleidens, Schminkens und Ausgehfeinmachens. Alle drei wählten schließlich die in ihren Augen pässlichste Garderobe für diesen Anlass. Sven Hodo entschied sich für ein kariertes Flanelhemd, blaue Jeans und schwarze Lederstiefel, The Rose of Abel trug diesmal zu seinem Leopardenfell-Lendenschurz ein neuerstandenes Hawaiihemd und Wildledermokassins, während Glenn Dungo wie eh und je komplett in schwarzem Leder gekleidet daherkam. Nachdem gegenseitig das Make-Up kontrolliert und korrigiert wurde, konnte es endlich losgehen.
"Hoffentlich finden wir heute noch Leute, die auch Lust auf eine Band haben", merkte Glenn Dungo an, als sie die Eingangstreppen zur Markthalle emporstiegen.
"Also ich denke mal, heute wird hier alles vertreten sein, was Rang und Namen in der Szene hat. Da wird doch wohl auch der ein oder andere Musikus drunter zu finden sein", erwiederte ihm Hodo.
"Das schon, aber ob die auch Interesse daran haben, mit Typen wie uns Musik zu machen."
"Was soll das denn heißen, "Typen wie uns"?", mischte sich die Rose ins Gespräch ein.
"Naja, so ganz normal sind wir drei ja wohl alle nicht. Aber wer will das schon sein?"
"Eben. Keiner. Und jetzt laßt uns reingehen, Schwestern. Die Boys da drinnen warten nur auf uns."
Das Innere der Markthalle war zum Bersten voll. Vom Ledermacho bis zur Vorzeigetunte waren Szenevögel sämtlicher Coleur gekommen, um hier heute ihre alten Helden von BRONSKI BEAT gebührend zu huldigen. Schließlich gehörten BRONSKI BEAT noch zu den ersten Popbands der frühen 80er Jahre, die sich offen zu ihrer Sexualität bekannten. Und das rechnet man ihnen heute, wie man an diesem Abend an den zahlreich erschienen Leuten sehen konnte, immer noch hoch an.
Das Konzert war bereits im vollen Gange, als sich unsere drei Freunde einige Zeit später am Bierstand wiedertrafen.
"Puh, da kommt man aber ganz schön außer Atem", stöhnte die sichtlich erschöpfte Rose.
"Aber gut sind BRONSKI BEAT immer noch", stellte Glenn Dungo fest.
"Klar, aber es viel zu voll. Man sieht ja vor lauter Leuten keine Menschen mehr."
"Habt ihr euch denn schon mal nach eventuellen Mitmusikern umgeschaut?" wollte Sven Hodo wissen.
"Das schon, aber noch keinen ausmachen können."
"Scheiße, das kann doch nicht so schwer sein. Laßt das mal den Glenn machen, Mädels. Ich besorg uns da ein paar fähige Leute."
"Jaja, das kennen wir ja schon. Eishockeyspieler und Metzger."
"Ach halt´s Maul, Hodo."
Und schon verschwand Glenn Dungo wieder in der schwitzenden Menge.
"Ihr sucht noch Leute für ´ne Band ?"
Der Fragende stand hinter Hodo und muß das Gespräch der drei wohl mitgehört haben. Es war ein stämmiger, gutgebauter Typ im Cowboylook.
"Ich bin ein ganz guter Sänger", sagte er.
"Aha, hat der tolle Sänger auch noch ´nen Namen?" wollte Hodo wissen.
"Oh, verzeiht. Ich vergaß mich vorzustellen. Mein Name ist Randy Knoop."
Man war sich gleich sympathisch. Ein paar Biere später war die Sache im Kasten. Auch der erfolglos von seiner Suche zurückkommende Glenn Dungo hatte gegen Randy Knoop als vierten Mann an Bord nichts einzuwenden. Als das Konzert zu Ende war und sich der Abend dem Ende entgegenneigte, verabschiedeten sich die vier von einander, nicht aber ohne sich für den morgigen Abend in der "Amigo Bar" verabredet zu haben.
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Zu Hause angekommen fielen The Rose of Abel und Sven Hodo wie vom Blitz getroffen ins Bett. So anstrengende Konzerte sind in ihrem Alter wohl doch nichts mehr für die beiden. Damals, als sie noch jung waren, ging Hodo jede Woche auf zwei, drei Konzerte und steckte diese Events meistens locker weg. Heutzutage braucht er bald eine Woche, um wieder ganz der Alte zu sein.
Trotz all der Erschöpfung konnte die Rose jedoch noch nicht sofort einschlafen. Er mußte ständig an den süßen Cowboy denken, den sie für ihre Band gewinnen konnten. So sehr die Rose auch an Sven Hodo hing, ein wenig Routine war inzwischen schon ins triste Leben der beiden Großstadttucken gekommen. Und dann jetzt dieser gutgebaute Viehtreiber.
Hodo schnarchte bereits munter vor sich hin, als The Rose of Abel den Entschluß faßte, noch einmal bei Randy Knoop anzurufen.
"Knoop."
"Hallo Randy. Hier ist The Rose of Abel. Du weißt, der Indianer aus der Markthalle."
"Na klar. Wie könnte ich so ein schnuckeliges Kerlchen wie dich denn schon wieder vergessen haben."
"Das freut mich. Auch ich muß die ganze Zeit an dich denken. Das ist eigentlich auch der einzige Grund, warum ich dich jetzt noch anrufe."
"Das macht doch nichts. Aber sag mal, vorhin wirktest du mir gegenüber so reserviert. Kann das sein?"
"Möglicherweise. Aber das lag dann nur daran, daß ich mit meinem Freund da war."
"Dein Freund? Etwa der Lederboy, der da bei dir stand?"
"Nee, der hält es lieber mit Metzgern und Eishockeyspielern. Ich lebe mit Sven Hodo, dem Bauarbeiter, zusammen. Und eigentlich hatten wir uns gegenseitig versprochen, uns treu zu bleiben."
"Den fand ich ja auch ganz schnuckelig. Du kannst allerdings auch mit mir reden, ohne Hodo gleich untreu zu werden. Was macht der überhaupt jetzt?"
"Der schnarcht hier bereits munter vor sich hin."
"Ach daher weht der Wind. Dein Lover pennt schon, und jetzt dachtest du dir, könnte vielleicht der gute, alte Randy Knoop mal herhalten. Aber ich bin echt auch zu müde. Bis du hier bei mir wärst, würde ich es wahrscheinlich längst Hodo gleichtun. Aber aufgeschoben ist ja nicht gleich aufgehoben, Süßer. Außerdem spielen wir jetzt gemeinsam in einer Band. Da sehen wir uns noch oft genug. Also onanier am besten noch ´ne Runde und leg´ dich dann auch schlafen."
"Wahrscheinlich hast du recht. Gut Randy, es war trotzdem gut, mit dir zu sprechen. Dann bis morgen."
The Rose of Abel tat, wie ihm Randy Knoop empfahl.
- 4 -
Heute Abend sollten also Nägel mit Köpfen gemacht werden, und die vier wollten die angedachten Bandplanungen konkretisieren. Dazu trafen sie sich in der "Amigo Bar" am Hafen. Das Etablissemente ist geradezu dafür prädestiniert, um als schwules Kollektiv Spaß zu haben. Nachdem sich alle eingefunden hatten und die ersten Erdbeersekt auf dem Tisch standen, ergriff Hodo das Wort.
"Jetzt sind wir zu viert. Das sollte doch eigentlich für eine Band ausreichen, oder ?"
Der Rest sah das jedoch etwas anders. Schließlich wolle man auf der Bühne auch etwas hermachen. So meinte Glenn Dungo, auf der Bühne einige Go-Go-Tänzer haben zu müssen, The Rose of Abel sprach sich für einen kompletten Bläsersatz aus, während Randy Knoop davon ausging , daß eine Band ohne ausreichend großen Tuntenchor eh nichts bereißen könne.
Während die vier so vor sich hin diskutierten, betrat ein sichtlich angetrunkener Seemann die Bar und steuerte schnurstracks auf den Tisch, an dem sie saßen, zu.
"Ich geh kaputt, die VILLAGE PEOPLE! Und das hier in Hamburg in der Amigo Bar."
Sofort zog der Mann der Meere die Aufmerksamkeit auf sich. Wieso er die Jungs mit den VILLAGE PEOPLE verwechseln würde, wollten sie wissen. Und erst da fiel ihnen die charakterliche Ähnlichkeit zu dieser Disco-Kultband auf.
"Wo ist denn euer Kapitän?", wollte der Seemann wissen.
"Wir haben keinen. Bisher sahen wir uns auch noch nicht als VILLAGE PEOPLE. Aber wo du das so feststellst: Eine Band wollten wir vier eh gründen. Warum treten wir nicht in deren Fußstapfen."
"Also wenn ihr dazu dann noch einen Captain braucht, ich werde die nächste Zeit in Hamburg bleiben und erstmal nicht mehr zur See fahren. Übrigens heiße ich Wibbel Briley."
Nach kurzer Aussprache stand fest, der Kapitän ist der fünfte Mann an Bord und man wolle sich nun daran machen, die VILLAGE PEOPLE der Neunziger zu werden. Kaum ausgesprochen hatte Randy Knoop auch schon die Jukebox gefüttert und die ersten Klänge von "Y.M.C.A." dröhnten durch den Laden. Wie von der Tarantel gebissen tanzten die fünf über Tische und Bänke und sorgten für ein heilloses Chaos.
"Wenn hier nicht gleich Schluß ist mit dem Zirkus, rufe ich die Bullen", pöbelte der Wirt hinter seinem Tresen. Doch das interessierte die Jungs nicht mehr. Jetzt waren sie in ihrem Element. Erste Tanzschritte und -formationen wurden erfunden bzw. aufgegriffen und alles sang aus Leibeskräften mit.
Dem Wirt platzte bald darauf der Kragen und er rief die Polizei, mit den Worten an, eine Horde Verrückter würde ihm die Bar auseinandernehmen. Als wenig später ein Streifenpolizist vorbeischaute, war dieser sichtlich überrascht, daß er eine derart ausgelassene Stimmung in der Bar vorfand.
"Lassen Sie den jungen Leuten doch ihren Spaß", sagte der nette Polizist zum Wirt, der jedoch kein Verständnis dafür aufbringen wollte.
"Jungs, anscheinend versteht man hier keinen Spaß. Sucht euch doch eine andere Lokalität aus. Was macht ihr hier überhaupt?"
"Wir sind die neuen VILLAGE PEOPLE!" schallte es ihm mehrstimmig entgegen.
"Ohne Polizisten?"
Plötzlich hielten die fünf inne.
"Stimmt", fand Hodo zuerst wieder Worte. "Uns ist noch gar nicht aufgefallen, daß uns noch einer zum großen Glück fehlt. Aber wie sieht es denn mit dir aus? Du scheinst ja Gefallen an unserer Darbietung gefunden zu haben."
"Warum eigentlich nicht. Dieser Streifendienst geht mir schon seit geraumer Zeit auf den Sack."
So ergab ein Wort das andere und wenig später, man war inzwischen in die "Alte Liebe" übergewechselt, stand fest, daß Ficktor Fennich, so hieß der nette Polizist, als sechster Mann mit an Bord sei.
"Jetzt brauchen wir nur noch einen Namen", warf Glenn Dungo in die Runde.
Wie auf Kommando hagelte es Namen abstrusester Art. Nach dem ersten Redeschwall, wurde man konkreter.
"Wie wäre es mit ALTE SAU?"
"Oder DIE TANZMÄUSE?"
"Ich bin aber eher für DIE LIEBENDEN."
Schließlich war es Randy Knoop, der das Wort ergriff.
"Wenn wir schon die VILLAGE PEOPLE der Neunziger sein wollen, sollten wir uns vielleicht nach deren größtem Hit benennen. Wie wäre es denn mit THE Y.M.C.ASS?"
Das kam an. Jetzt hatte das Kind einen Namen und die steile Karriere der Y.M.C.ASS konnte ihren Lauf nehmen. Innerhalb kürzester Zeit tanzten sich die Jungs in die Herzen zahlreicher Fans und erlebten dabei unzählige Abenteuer, aber das ist eine andere Geschichte und wird zu späterer Stunde erzählt.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #35 II 1999 und Abel