Wenn jemand sein 25-jährige Dienstjubiläum feiert, gibt es Blumen, Geld und warme Worte. Ein Label über einen so langen Zeitraum am Leben zu erhalten, ist jedoch eine ganz andere Geschichte. Wie es dem Düsseldorfer Sascha Wolff gelang, mit Wolverine Records so lange durchzuhalten, wollten wir von ihm im Detail wissen.
Sascha, wie hat das 1992 begonnen, hattest du einen richtigen Businessplan oder wolltest du einfach einmal eine Platte rausbringen, um zu sehen, wie das so ist?
1992 war ich 23 Jahre alt, studierte Soziologie – furchtbar – und war als Punkrocker dem D.I.Y.-Gedanken verbunden. Ich hatte die Jahre zuvor mit ein paar Freunden ein Fanzine gemacht, Rhein Pest hieß das, und als das eingestellt wurde, weil ich einer lokalen Bekanntheit aus Düsseldorf ans Bein gepisst hatte, die mich daraufhin verklagte – ich gewann –, wollte ich irgendwas mit Musik machen neben dem Studium. Da ich selbst musikalisch völlig untalentiert war, dachte ich mir: Deine besten Freunde spielen in einer Band, THE BULLOCKS, dann mach doch deren Label. Und so kam dann die erste EP von den BULLOCKS raus und Wolverine Records war geboren. Im folgenden Jahr ging es dann Schlag auf Schlag, mit ein paar Bands kam auf einmal etwas Erfolg dazu und ich konnte dem Ruf der Selbstständigkeit nicht mehr entkommen. Das Studium war kacke, also machte ich das hier.
„Punkrock mit Frontfrau“ ist eine Merkmal vieler deiner Veröffentlichungen, eine Art Markenzeichen. Drückt sich da vorwiegend dein eigener Musikgeschmack aus oder hat das auch mal strategische Gründe?
Es geht immer zuerst um meinen Musikgeschmack, strategische Überlegungen sind immer zweitrangig. Ich mag Frauengesang – da bin ich schnell begeisterungsfähig. Wenn mir etwas nicht gefällt, dann bring ich das auch nicht raus. Das würde dann auch nicht klappen. Bei einem Label wie Wolverine muss man zu 100% hinter einer Sache stehen. Außerdem finde ich, dass Bands mit Sängerin immer noch viel zu wenig Beachtung finden im Punk- und Rock’n’Roll-Bereich.
Vinyl am Leben zu halten war in unseren Kreisen immer ein hehres und nun auch erreichtes Ziel. Wie siehst du die aktuelle Entwicklung?
Ich mag zwar Vinyl, bin aber jetzt nicht der Hardcore-Verteidiger dieses Formats. Die Neunziger waren eher geprägt von der CD, und die Frage nach Vinyl war damals wenig aktuell. Heute erscheint mir der ganze Vinyl-Boom auch etwas künstlich gepusht. Hauptsächlich verkaufen doch die Majors alte AC/DC- und LED ZEPPELIN-Aufnahmen auf Vinyl und blockieren damit die Presswerke. Wenn bei bestimmten Sachen die Nachfrage nach Vinyl hoch genug ist, dann mache ich es. Aber jetzt davon zu sprechen, dass die Leute wie irre Vinyl kaufen von neuen Scheiben, da kann ich nur drüber lachen. Die Neunziger waren da anders. Ich habe noch die Zeit vor den Downloads miterlebt, da kauften die Leute noch Musik. Allerdings habe ich auch alles, was da verdient wurde, wieder ins Label gesteckt.
Wurde es mit dem Label schon einmal so richtig eng?
Ja. Es ist die letzten Jahre durchgehend eng. Man muss sich immer etwas hin und her hangeln. Ein durchgehender Drahtseilakt. Ich habe das Glück, eine Frau mit einem vernünftigen Beruf zu haben. Sonst wäre es hier wohl schon zappenduster. Und auf kurz oder lang muss man sich vielleicht auch damit auseinandersetzen, zumindest noch was anderes nebenbei zu machen.
Wenn du auf die Liste der vielen prominenten Namen zurückblickst, die du herausgebracht hast, wie etwa THE BOYS oder SLOPPY SECONDS, welche fünf Platten würdest du spontan als Meilensteine bezeichnen?
Es ist natürlich ungerecht, hier auf einzelne Bands oder Platten zu schauen, denn alle meine Bands sind mir lieb und teuer. Keiner kriegt eine Extrawurst. Aber natürlich gibt es Dinge, die für das Label wichtig waren. Eine neue Platte von einer Legende wie THE BOYS zu veröffentlichen, welche auch noch – im Gegensatz zu vielen anderen der alten „Heroen“ – so brillant ist wie „Punk Rock Menopause“, macht einen schon etwas stolz. Die erste YETI GIRLS-7“ ist auch so eine Platte, die jeder im Schrank haben sollte. Oder Bands wie PSYCHOTIC YOUTH, deren Alben sind so genial und eigentlich echte Meilensteine des poppigen Punkrocks. Dass diese Band nicht wirklich weltberühmt geworden ist, ist eine Schande. Auch THE MAHONES sind ein wichtiger Teil des Labels und eine der bekanntesten Folk-Punk-Bands überhaupt.
Gehören Sampler wie die bekannte „Punk Chartbusters“-Reihe und die Swing-Platten, die auf dem Unterlabel Frankie Boy Records erschienen sind, jetzt ganz der Vergangenheit an?
Es gab ja vor ein paar Jahren noch mal den Versuch von mir, die Swing-Sache etwas zu beleben. Insbesondere das ADRIANO BATOLBA ORCHESTRA sei da genannt, und auch der Sampler „Swing’s Not Dead“. Aber derzeit ist in der Richtung nichts geplant. Doch wenn da auf einmal eine tolle Band ankommt, kann es sein, dass ich ganz schnell Feuer und Flamme bin. Die „Punk Chartbusters“-Sampler-Reihe war eine tolle Sache und alle sechs Teile sind wirklich großartig. Allerdings sind Sampler im Allgemeinen kaum noch gefragt. Und die Zusammenstellung der „Chartbusters“ war immer mit immens viel Arbeit verbunden. Deshalb ist da derzeit auch nichts in Planung. Aber man soll ja nie nie sagen.
Zum Abschluss: Welche weiteren Ziele verfolgst du mit dem Label?
Ach, ich hoffe einfach, dass es weitergeht und dass die Leute denken: Hey, das ist cool, was der da macht, das unterstütze ich. Natürlich hofft man als Label immer auch darauf, es mit einer Band ganz weit nach oben zu schaffen. Also hoffe ich mal weiter ...
© by - Ausgabe # und 15. Dezember 2020
© by - Ausgabe # und 18. September 2020
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #101 April/Mai 2012 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #130 Februar/März 2017 und Markus Franz