VISION

Epitaph hat sich mit VISION mal wieder eine altgediente Eastcoast-Hardcore-Band geangelt, die zwar schon vor Jahren gute Platten machte, aber nie so richtig einen Fuss auf den Boden bekamen. Mit "Watching The World Burn" erschien jetzt via Epitaph das neue Album, und erfreulicherweise blieb einem die Erfahrung erspart, dass eine weitere Band auf ihre alten Tage schwächelt - ganz im Gegenteil: VISION erweisen sich als besser und frischer denn je. Sänger Dave Franklin stand am Telefon Rede und Antwort.

Dave, wir haben vorhin schon ein bisschen über Internet gequatscht, wer macht eigentlich eure Website?


"Ein Freund von uns. Er macht das nicht hauptberuflich, aber er ist sehr fit in Sachen Computer, und als er mal eine Website machen wollte, fragte er uns, ob er nicht eine VISION-Website machen soll, und wir sagten klar, warum nicht."

Was mich aber immer noch am Internet ankotzt, sind die ganzen Scheiss-Nazi-Seiten und vor allem die Seiten, wo Sex mit kleinen Kindern publiziert wird. Wie stark dringt das bei euch in den USA an die Öffentlichkeit?

"Ja, du hast Recht. Alles, was im Grunde genommen hilfreich und nützlich ist, wird für ein paar scheissdumme Idioten zum Werkzeug ihrer dummen Ideen. Man muss sich aber stark von solchem Müll fernhalten, und versuchen, den Kampf dagegen zu unterstützen. Die Sache mit der Öffentlichkeit ist, dass es das gibt. Aber du bekommst davon nur etwas mit, wenn es in deiner Gegend passiert. Die ganzen Local News sprechen nur davon, wenn es wirklich eine schreckliche, grosse Sache war, oder eben, wenn es in deiner lokalen Gegend war. Wir hier in New Jersey würden nie von einem derartigen Verbrechen in Missouri hören, weil die ganzen News-Leute das nicht wirklich ergreift, weil es zu weit weg ist, es sei denn, wie gesagt, es ist wirklich schrecklich und gross. Diese Scheisse passiert echt jeden Tag, und man hört zu wenig davon."

In Belgien wurden ja auch einige von diesen Leuten festgenommen, aber ich denke auch, es gibt diese Verrückten überall, nur es ist eben zufällig gerade in Belgien rausgekommen...

"Ja, es passiert echt überall, es ist ein Teil dieser Gesellschaft, und da hilft ja auch das Internet, sowas zu verbreiten. Jeder, der auf diese Perversitäten steht, kann sie sich jetzt via Computer ins Zimmer holen, und das ist halt die schlechte Seite des Internets."

Wie ist das in den USA eigentlich mit dem KKK, wo wir gerade über Idioten reden...

"Hmm, in manchen Bundesstaaten ist der schon gross, und immer wieder hört man vom KKK in den Nachrichten. Man hört über Treffen, die sie abhalten und so. Die haben versucht, eine Riesenveranstaltung in New York zu machen Ich glaube, die hatten sie auch gehalten, aber nicht erfolgreich. Aber du weisst ja, New York ist einer der bekanntesten Teile der USA, da hört die ganze Welt von. Aber weisst du, im Süden, z.B. in Pennsylvania, war vor ein paar Jahren so ein Mekka für rechte Skinheads und diese White-Power-Idioten, die versucht haben, etwas mit dem KKK zu machen. Weisst du, es ist auf jeden Fall da, es ist vertreten, aber du hörst nicht so viel davon."

Meiner Meinung nach gehört zu Punk/HC auch immer eine gewisse politische Meinung, wie siehst du das?

"Ja, da hast du recht. Und gerade in der Punk/HC Szene sollten die Leute auf jeden Fall eine Meinung zu dem haben, mit was sie sich identifizieren und an was sie glauben. Und wenn die die Meinung haben, dann sollten sie die auch bekanntmachen und sagen. Denn, nichts wird sich ändern, wenn wir nicht gemeinsam dagegen angehen. Wir müssen gemeinsam gegen solche Idioten, wie z.B. Faschisten kämpfen und sie verdrängen."

Ich dachte mit vor dem Interview, als ich eure Texte las, dass ihr nicht so eine "Schallala, Uhuuh"-Punkband seid, deswegen habe ich ein wenig im politischen Bereich rumgestochert.

"Nein, mit Sicherheit sind wir keine solche Band. Magst du unsere Texte?"

Ja, sehr sogar. Spontan fallen mir nur PENNYWISE und RANCID mit ähnlich guten Texten ein.

"Cool, PENNYWISE und RANCID mag ich auch sehr gerne, das sind so mit meine absoluten Lieblingsbands. PENNYWISE kenne ich schon seit der ersten Platte, und ihre Texte bedeuten mir sehr viel, bei RANCID genauso. Wir versuchen, in unseren Texten genau unsere Meinung zu sagen, aber keinem die Meinung einzubleuen, wir versuchen die Leute nur zum Denken anzuregen, denn die Leute sollen selber entscheiden, ob sie das mögen oder nicht. Wenn wir helfen können und jemanden zum Guten bekehren können, wunderbar, aber gleichzeitig will ich auch niemanden zu etwas zwingen und niemandem meine Meinung einhämmern. Bands, die immer nur Rumpriestern, haben die Tendenz, mich von ihnen weg zu bringen. Vielleicht ein bisschen Predigen geht ja noch, aber immer nur Predigen und Predigen, das nervt."

Wo du gerade vom Predigen sprichst: was hältst du von Punk oder HC mit religiösen Texten?

"Hmm, ich bin kein religiöser Mensch. Ich meine, Religion sollte generell aus der Musik rausgehalten werden, und wenn jemand an Religion glaubt, ist das ja auf jeden Fall ok, da habe ich kein Problem mit, aber, wenn du es in die Musik einbringst, macht es, meiner Meinung nach, so einen, wie schon gesagt, priestermässigen Eindruck. Und das finde ich nicht so gut. Für manche Leute ist Religion vielleicht ganz gut und positiv, ist ja auch ok, aber ich denke, wenn du beide Füsse auf dem Boden hast und weisst, was du machst und wo du stehst, dann kommst du auch ohne Religion durchs Leben."

Ich denke, du kommst auch generell ohne Idole irgendwelcher Art aus, die man ja meistens eh nicht kennt...

"Ja, genau. Wie kann man jemanden verehren, den du selber nicht kennst? Gerade hier in den USA mit Hollywood: viele Leute kennen die Schauspieler nicht, aber vergöttern trotzdem irgendwelche Penner aus dem Fernsehen. Du kennst sie nur aus dem TV. Gut, einerseits sind die vielleicht schön, vielleicht sind die attraktiv und talentiert, aber du kennst sie nicht und wirst sie wahrscheinlich auch nie kennenlernen. Es ist sehr naiv, so zu leben."

Ok, stimmt. Aber lass mal einen kleinen Themawechsel machen und über "Watching The World Burn" sprechen. Sag doch zu Beginn mal was zu der Entstehung des Albums.

"Wir haben so vor einem Jahr angefangen, das Ganze zu schreiben. Wir hatten verschiedene Touren am laufen und so hat das ganze dann eine Weile gedauert. Wir hatten auch noch keinen Deal, als wir ins Studio gingen. Wir hatten die Musik für zwölf Stücke, wir hatten alles geschrieben, aber nur sechs richtig eingeprobt mit Gesang und so. Wir hatten kein Geld, keinen Deal und so nur ein sehr kleines Budget fürs Studio."

Ihr seid ohne Deal ins Studio gegangen???

"Ja, wir haben die ganze Platte ohne einen vorhandenen Deal aufgenommen, wir hatten keine Idee, wo wir die Platte hätten rausbringen sollen. Wir haben ja früher über Cargo USA rausgebracht, aber man kann "The Kids Still Have A Lot To Say" nirgends bekommen, denn Cargo USA hatte einen furchtbaren Vertrieb hier bei uns, und jetzt auf Epitaph wird das alles leichter, weil die Leute leichter an Platten rankommen. Wir wussten jedenfalls zu Beginn der Aufnahmen, dass dieses oder jenes Label Interesse hatte, aber wir sind erstmal so ins Studio gegangen. Also sind wir ins Studio gegangen mit Musik für zwölf Stücke, sechs Stücke komplett fertig, und Texte für alle Stücke, nur noch nicht ganz richtig in die Stücke involviert. Wir haben zwei Wochen lang aufgenommen. Und während der Aufnahmen hörten wir, dass Epitaph Europe Interesse hätte, mit uns etwas zu machen. So haben wir dann drei Stücke ganz fertig gemacht und einen groben Mix an sie geschickt. Und sie wollten uns, dann wollten wir sehen, ob Epitaph uns auch in der ganzen Welt machen will. Zur gleichen Zeit haben wir aber auch was an BYO Records in Kalifornien geschickt, und die sagten uns, sie wollten die Platte aber definitiv nur in den USA rausbringen. So hatten wir dann zwei Labels, BYO für Amerika und Epitaph Europe für Europa, und so warteten wir dann immer noch, ob Epitaph es nicht weltweit machen wollte. Ich habe dann, nachdem wir alles beendet hatten, eine Mail an Brett Gurewitz geschickt, und habe ihm die ganze Sache erklärt. Er rief mich dann am nächsten Tag an und wollte einen ganzen rohen Mix der Platte haben. Ich habe es dann grob gemixt und ihm geschickt und er rief mich dann mit den Worten "I want fuckin VISION on Epitaph worldwide". So waren wir sehr froh darüber, dass wir den Deal mit Epitaph hatten, nur das Cover fehlte noch."

Wer hat das gemacht?


"Das Bild, von dem, der den Molotovcocktail hält, hat ein Freund von uns aus der Schweiz gemacht. Er hat den Kerl gemalt, für ein Poster, als wir da mal gespielt haben, er hatte aber den Molotov noch nicht in der Hand. Wir haben den da reingebaut. Auch die Flammen und den VISION-Schriftzug hat unser Gitarist Paul eingebaut und den dreidimensionalen Effekt auch. Das Feuer ist übrigens von echten Fotos genommen."

Wo siehst du die Unterschiede zu euren älteren Platten, wenn du sie mit "Watching..." vergleichst?

"Ich finde, dass wir uns als Band ziemlich musikalisch verbessert haben. Und ich denke, dass VISION mal wieder richtig zusammen etwas auf die Beine gestellt und etwas geschafft haben. Die Chemie hat wieder richtig gestimmt in der Band. Der Kerl, mit dem wir gearbeitet haben, Eric Rachel, der die Platte produziert hat, sagte, dass er sich ein bisschen über uns wundere. Denn wir beschimpfen uns immer gegenseitig und machen Witze über uns, aber eben nur aus Spass. Naja, jedenfalls, in dem Studio, wo wir waren, haben schon viele Punk- und Hardcore-Bands aufgenommen und wir haben mit dem Kerl schon seit über zehn Jahren gearbeitet, und als ich ihm sagte, dass das alles ganz normal ist, wie wir uns anreden, sah er mich an, als ob ich total abgedreht und verrückt sei und sagte, dass wir die abgebrühteste und brutalste Band seien, mit der er bis jetzt zu tun hatte. Ihr macht euch gegenseitig fertig und so und ihr lacht drüber. Da nehmen sonst viele Revelation- und Victory-Bands auf, und wenn die uns sehen würden, dann würden die sich unter Umständen sofort auflösen, sagte er mir. Und wir haben nur gelacht und gesagt, komm, so schlecht sind wir nicht. Und dann sagte er noch, dass er sich total wundere, dass wir uns den ganzen Tag so anmachen können, und am Ende immer noch Freunde sind. Aber das hält bei uns einfach den Stress weg, denn das ist ja einfach nur Spass."

Ok, das ist doch ein gutes Schlusswort, Dave, danke für deine Zeit!

"Kein Problem, ich danke dir."

Ganz meinerseits.