Geschichten über Dämonen mit erigierten Riesenschwänzen sind sicherlich nicht jederfraus Sache. Tatsache ist aber, daß die Inhalte von VEROTIK (zumindest im puritanischen Amerika) ein Schlag in die Fresse für die verlogene Doppelmoral der Öffentlichkeit sind. Und das macht die Titel zumindest allgemein interessant, wenn auch nicht für jeden lesenswert. Abgedrehte Comics wie SATANIKA, GRUB GIRL, VENUS DOMINA und ALBINO SPIDER erfordern jedenfalls eine gewisse sittliche Reife des Lesers, um den ironischen Abstand wahren zu können.
Beim Gespräch mit Dauerdüstermann Glenn Danzig fällt übrigens positiv auf, daß er seine derben Geschichten keineswegs für das allein seelig machende hält, sondern einfach nur als seinen persönlichen Beitrag für die breite Palette der Comickunst sieht.
"Ich habe schon immer gerne Horrorcomics gelesen, und mir meine eigenen wilden Dämonengeschichten ausgedacht", erklärt er. "Von dieser Art Stories gab es einfach viel zu wenig in den USA. Wenn ich mit meiner Band auf Tour ging, habe ich immer wieder andere Comicfans getroffen, die ebenfalls herumjammerten, daß es nur noch langweilige Mainstreamcomics gibt. Nimm nur Simon Bisley und seine Figur LOBO. DC hat diese Figur zerstört und zu einem GOOFY-Comic gemacht. Das ist der Grund, warum ich einen eigenen Verlag gegründet habe: um mir und anderen amerikanische Lesern eine Wahlmöglichkeit zu geben, damit auch wir lesen können, was uns Spaß macht. In Europa und in Japan werden Comics als Kunstform für Erwachsene betrachtet, deshalb gibt es bei euch auch eine große Bandbreite an Themen. Aber in den USA sieht die Situation ganz anders aus, dort wird alles von den Superheldengeschichten beherrscht, es gibt fast nichts anderes."
Die Verotik-Geschichten zeichnen sich vor allem durch ihre gewalttätigen Inhalte aus. Im wirklichen Leben pocht Danzig aber nicht auf das Recht des Stärkeren, sondern bemüht die asiatischen Ying & Yang-Philosophie, um seine Geschichten zu erklären. Seiner Meinung nach existiert nur dort Licht, wo es auch Schatten gibt. Diese Definition deutet wohl auch an, woher seine Faszination am Dunklen und Makaberen rührt: "Wenn du das Böse nicht kennst, weißt du doch gar nicht, was das Gute bedeutet. Und wenn du nicht weißt, was Haß ist, dann hat der Begriff Liebe nicht die geringste Bedeutung für dich. Das ist ein großer Kreislauf, der nicht verändert werden kann und der auch nicht verändert werden darf. Viele Leute jammern herum, wenn sie sich mal an der Hand oder sonstwie verletzt haben. Aber das gehört zum Leben mit dazu. Es gibt für niemanden irgendwelche Garantien, die hat es nie gegeben."
EEE ist der erste europäische Verlag, der eine Lizenz für Verotik-Comics erhielt. Da stellt sich natürlich die Frage, warum die Partnersuche so lange dauerte. "Wir hatten bis dahin niemanden gefunden, dem wir trauen konnten. Es gab eine Menge Angebote von verschiedenen Verlagen aus Deutschland, Italien und Frankreich. Aber wenn wir dann ein wenig herumtelefoniert und nachgefragt haben, dann erfuhren wir, daß die meisten von ihnen Diebe waren, die uns vermutlich abzocken würden. Du mußt schon vorsichtig sein, wem du deine Lizenzen gibst. Um ein Beispiel zu nennen: Ich war vorhin in Armin Strömmers Comicladen und habe dort die deutschen Image-Titel gesehen. Es gibt von jedem Heft ein Variantcover, und wo die im Original nicht existieren, haben die einfach ein Panel aus dem Heft hochgezogen und vorne als Variantcover draufgeklatscht. "Okay, das kostet jetzt 10 Dollar", so in der Art. Als Bela und Armin sich für unsere Rechte interessierten, habe ich mit einem Freund bei Rebel Studios gesprochen, der sie durch ihre Zusammenarbeit bei FAUST und GOTHIC NIGHTS kennt. Er meinte zu mir, daß ich diesen Jungs vertrauen kann. Das ist der Grund, warum ich zum ersten Mal eine Lizenz nach Europa verkauft habe. Es gibt auch ein Angebot aus Italien, aber das scheinen wieder Diebe zu sein. Diese Comicsache ist kein Geldgeschäft für mich, deshalb sage ich in solchen Fällen lieber: Vergeßt es!"
Neben den Comics gibt es bei Verotik aber noch eine ganze Reihe weiterer Aktivitäten. Neben einem Satanika-Film sind auch verschiedene CD-ROM und Internetprojekte geplant. "Für Satanika haben wir jetzt das Budget für einen Pilotfilm zusammen. Wir hatten jede Menge Gespräche mit den japanischen Trickfilmern von Mad House Studios, und nun ist ein achtzig Minuten langer Videofilm geplant. Wenn wir grünes Licht bekommen, werden wir in einem Monat mit der Produktion beginnen und eine zwei- oder dreiteilige Serie drehen, nicht mehr. Es wird ein völlig durchgeschossener Film mit einem Rocksoundtrack werden."
Es gibt aber auch Planungen, verschiedene Serien als Realverfilmung umzusetzen. "Wir wollen Grub Girl verfilmen und haben die Pornodarstellerin Randy Rage für die Titelrolle ins Auge gefaßt, die ist wirklich klasse. Vielleicht werden wir einen Screentest mit ihr machen, um zu sehen, wie es wird. Das wird sich alles in den nächsten Monaten entscheiden. Bei Albino Spider werde ich selbst Regie führen. Das ist ein Mädchen, die Augen statt Nippeln auf ihren Brüsten hat. Sie ist ein Freak, mit einem Serienmörder zum Gefährten, der sechs Arme hat, wie eine Spinne. Eine ziemlich durchgeknallte Geschichte."
Bei der Auswertung der Figuren sind auch verschiedene Multimediabereiche eingeplant: "Zur Zeit entsteht ein Satanika Computergame, das von den gleichen Leuten gestaltet wird, die auch DOOM und DUKE NUKEM programmiert haben. Außerdem planen wir ein interaktives Internetangebot mit unserer Figur Venus Domina. Dort wird es Liveaction mit einer echten Darstellerin geben. Sie fragt den Kunden dann: ,Was soll ich mit dieser Sklavin machen?' Er kann dann z.B. antworten: ,Peitsche sie aus' und sie wird es machen. Der Kunde kann die Domina nach seinen eigenen Wünschen lenken und dabei meinetwegen an sich selbst herumspielen, was immer er will. Venus Domina wird keinerlei Sex enthalten, sondern nur dieses ganze typische S/M-Zeug. Es ist geht dabei nicht um Sex, sondern um Emotionen."
Wenn man den einschlägigen Informationssendungen auf den privaten Fernsehkanälen glauben darf, dann ist in diesem Bereich vermutlich mehr Geld zu machen, als der erfolgreichste Comic der Welt je einbringen kann. Abseits von der Frage des persönlichen Geschmacks, sind viele Leute der Meinung, daß solche krassen Angebote schlicht krank sind. Auf diesen Vorwurf hat Glenn Danzig eine klare Antwort: "Die Puritaner schreien immer am lautesten, dabei machen sie selber insgeheim die schlimmsten Sachen auf der Welt. Du kennst doch sicherlich den Film "Der Name der Rose", da wird das sehr schön dargestellt. Die Leute, die dort am meisten über Satanismus reden und auf ihm beharren, sind die Mönche. Die Kirche hat das meiste Interesse am Satanismus, denn es ist etwas, das aus ihren Büchern stammt. Und so ist es auch bei vielen anderen Dingen: jene, die am meisten vor etwas warnen, sind oft diejenigen, die es dann als erste heimlich tun. Das ist der Grund, warum ich auf solche Sachen nichts mehr gebe. Jeder, der große Reden schwingt, versucht nur, dich zu verarschen."
Trotzdem stellt sich die Frage, ob der Musiker diese S/M-Sache ernst nimmt oder nur als Showelement verwendet. An dieser Stelle wird Mr. Cool dann doch ein wenig verlegen, drückt sich aber nicht um eine ehrliche Antwort: "Das kommt darauf an, mit wem du es machst. Manchmal ist S/M hohl, aber manchmal macht es viel Spaß und ist wirklich klasse. Das kommt immer darauf an, mit wem du zusammen bist, bzw. wie die Situation ist, in der du dich befindest."
Danzigs Comictexte sind nicht unbedingt für ihre innovative Storyführung bekannt. Da drängt sich natürlich schon die Frage auf, ob für ihn ein großer Unterschied darin besteht, einen Songtext oder eine Comicstory zu schreiben. Der Autor erklärt darauf mit entwaffnender Offenheit: "Es fällt mit viel leichter, eine Geschichte zu schreiben als ein Lied. Songs haben eine ganz andere, viel schwierigere Poesie. Comics sind für mich dagegen sehr einfach, deshalb macht es mir auch so viel Spaß. Aber nun steht die Arbeit an der sechsten Danzig-CD an. Wir gehen demnächst ins Studio und nehmen auf, dann kommt die ganze Nachproduktion und alles, was damit zusammen hängt. Deshalb wird mein Comic-Output in der nächsten Zeit zurückgehen."
Die Musik bleibt also weiterhin Danzigs Hauptgeschäft? "Ja, auf jeden Fall. Danach kommen die Comic- und Filmsachen. Die Alte Schule halt."
Bernd Frenz
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #34 I 1999 und