Willkommen zur angedrohten Bonusfolge, in der wir uns nicht den bisher ungenannten und zahlreichen verbliebenen Herstellern von Destillaten widmen, die ihr Zeug für unter 40 Euro verschleudern, sondern uns ein paar Vertretern zuwenden, die andere Qualitäten haben, und bei denen der Preis letztendlich keine Rolle mehr spielt, weil du ja jetzt ohnehin schon angefixt bist. Wie früher auf dem Schulhof: Der erste Schuss ist umsonst, für den Rest gehst du gefälligst selber auf den Strich.
Also darfst du selber herausfinden, ob die „übergangenen“ Benromachs, Tomatins, Auchentoshans, Balvenies, Glenkinchies, Bunnahabhains, Taliskers, Redbreasts, Clynelishs dieser Welt etwas für deinen Gaumen sind. Ein paar gute Ratschläge darf ich dir aber trotzdem mitgeben, an denen du erkennst, ob der „Genuss“ zu einem handfesten Problem geworden ist. Das Dilemma beginnt, wenn du nicht mehr daran riechst oder die Fruchtfliege, die sich gerade selig lächelnd in deinem Glas ertränkt hat, nicht mehr mit dem Finger rauspopelst, sondern mittrinkst, um ja nichts zu verschwenden. Weitere untrügliche Zeichen: Wenn das dir Nosingglas egal wird und du den ersten tiefen Schluck direkt aus der Flasche nimmst, oder wenn Fassstärken nicht mehr verdünnt werden, damit das Zittern schneller aufhört. In diesen Fällen lege ich eine kleine Auszeit unter den gestrengen Augen von ein paar Betty Ford-Mitarbeitern nahe. Und noch etwas: Spüle dein Glas niemals mit kohlensäurehaltigem Wasser aus, ich hab dich gewarnt! Nun widmen wir uns ein paar außergewöhnlichen Exemplaren, von denen jeder für sich sein eigenes Genre definieren würde, sofern Whiskys als Bands unterwegs wären. Fast alle dieser hier erwähnten Purschen sind übrigens Finisher, also keine, mit denen man einen geselligen Abend eröffnet, sondern vielmehr selbigen als allerletzte Zugabe, als Grande Finale beendet, weil man danach ohnehin kaum noch etwas anderes schmecken wird.
Sloupisti – Stork Club
Eine Flasche zu leeren, die man so nie wieder bekommt, ist ein unbezahlbarer Moment, fast wie das Omelett mit dem letzten Dodo-Ei, nur ohne schlechtes Gewissen. So ging es mir mit dem Sloupisti, einem Whisky von einem kleinen Hof aus dem Spreewald. Vor einiger Zeit veräußerte der Urheber seine Restbestände nebst Rezept an ein paar Jungspunde aus Berlin, die den bisher in Fassstärke ausgegebenen Stoff auf Trinkstärke herunterverdünnten und nun unter dem Namen „Storck“ weitervermarkten. Unverkennbar derselbe Stoff, nur eben nicht mehr ganz so extrem-medizinisch-brutal wie das bis dahin nur vor Ort erhältliche Original, das perfekt zu SEPTIC DEATH gereicht wird. Ein klassischer Magenschließer, der nach karamellisierten Mandeln mit dunkler Kirsche und Trauben riecht, einen auf der Zunge aber mit einer öligen Tiefe überrascht, die wie ein langanhaltender wohliger Schlag in die Magengrube wirkt.
Puni – Nero
Italien?! Ach Quatsch, die können nur Glykolweine, Pennerglück und Barolo. Zum Glück hast du keine Vorurteile, was? Zum Glück liest du und ich tippe, nicht umgekehrt, denn wo kämen wir da hin? Nicht weit, vermute ich, denn dann würde dir der „Nero“ aus dem Hause Puni entgehen, der vier Jahre lang in Weinfässern (Pinot Nero-Fässer, daher der Name) gelagert wurde und so allerhand Kirsche und Wildbeere aufnehmen konnte. Aufgrund seines jungen Alters ist er wild und ungestüm, überrascht auf dem Gaumen aber schon mit einer ausgewogenen Komplexität, in der man Datteln und logischerweise jede Menge Trauben herausschmecken kann. Der einzige Vertreter auf dieser Seite, den man irgendwo im hinteren Mittelfeld verkosten kann, während man sich durch das Gesamtwerk von KYLESA arbeitet, die hervorragend zu einem Whisky passen. Wie das hier wohl wird, wenn die dem Stoff noch ein paar Jahre gönnen, kaum auszudenken!
Säntis – Dreifaltigkeit
Wenn die Schweizer etwas nicht können, dann ist es vernünftiges Bier brauen. Was sie aber können – besser als die meisten benachbarten Obstbrandbrenner –, ist hervorragenden Whisky zu kreieren, der nicht nur dank des Frankenkurses seinen Preis hat. Erwähnt sei hier vor allem die Dreifaltigkeitsabfüllung von Säntis aus Appenzell, die im medizinisch-brachialen Bereich ihresgleichen sucht und immer noch geht, wenn die Geschmacksnerven eigentlich schon die weiße Fahne hissen. „Einen allerletzten noch?“ Mit der Dreifaltigkeit (und nur der!) in Fassstärke geht immer noch ein allerletzter auf den Weg, nach dem du absolut keine weitere Zugabe mehr hören möchtest. Wäre je ein Song über einen Whisky wie diesen geschrieben worden, dann wäre es „Kerosene“ von BIG BLACK.
Glen Els – Journey/Wayward
Die Gründe, warum deutsche Whiskys hier bisher keine Erwähnung fanden, liegen auf der Hand: Sie bewegen sich fast ausnahmslos im höherpreisigen Sektor, die meisten Panscher sind eigentlich Obstbrenner und es gibt eine Menge Mist von Leuten, die meinen, dass Schwaben alles können außer Hochdeutsch. Ausnahmen bestätigen freilich die Regel, wie eine Brennerei aus Zorge im Harz, die mit dem Glen Els ein paar echte Treffer (neben ein paar weniger geglückten Exemplaren) gelandet hat, die sich international nicht zu verstecken brauchen und immer wieder für eine Überraschung gut sind, wie eine neue Scheibe von EA80. Manchmal muss man sich erst ein wenig anfreunden, will dann aber doch nie wieder loslassen und freut sich, wenn das eine oder andere Stück es in die Setliste geschafft hat. „Journey“ und „Wayward“ sind zwei der wenigen echten Winterwhiskys, die ich gelten lasse, weil sie nach Zimt, Honig und Rosinen mit Keks riechen und die Versprechen auf der Zunge ebenso einlösen.
Flöki – Sheep Dung Reserve
Wer weiß, wie ein Karnickelstall riecht, dessen Streu langsam mal wieder gewechselt werden muss, der darf sich die berechtigte Frage stellen, ob man das wirklich in der Nase und auf der Zunge in flüssiger Form erlebt haben muss! Genau genommen noch kein richtiger Whisky, weil ihm dazu noch ein paar Monate fehlen, ist der isländische Flöki, dessen Getreide in Ermangelung von Holz und Torf über dem geräuchert wurde, was in Island ausreichend zur Verfügung steht, nämlich Schafsköttel. Exakt so riecht er dann auch und macht überhaupt keine Lust, dieses Aroma über den Gaumen zu leeren, denn feuchtes Kaninchenstreu assoziiert eigentlich nur Hasenurin, dem zu allem Überfluss etwas Lebertran hinzugefügt wurde. Schmeckt erstaunlicherweise nicht halb so schlimm, wie die Nase einen vorwarnt, etwas rauchig und null fischig, hält dann aber lange. Eine echte Erfahrung wie fermentierter Fisch und so einzigartig wie SIGUR RÓS, die man liebt oder hasst.
Bruichladdich – Octomore 7.1
Eindimensionalität kann durchaus ihre schönen Seiten haben, eine Erkenntnis, die sich dir auch erst nach einem kompletten Gig von SUNN O))) erschließen wird, wenn dein Inneres komplett durchmassiert nach Hause schwebt. Nase und Gaumen: Torf, Torf und nichts als Torf (vielleicht mit etwas Rauch obendrauf), in einer ungeahnten Intensität gibt es aus dem Hause Bruichladdich mit dem Octomore 7.1 (Vorsicht, jeder Octomore ist anders!). Der 7.1 hat einen ppm-Gehalt von schlappen 208, während die meisten der wirklich torfigen Whiskys bei 70 bis 80 die Flügel strecken. Im Vergleich zu diesem Monster sind die meisten Mitbewerber auf der Schmerzskala wie ein Nasenpiercing, während der 7.1 eine plane schwarze Fläche über den gesamten Rücken in nur einer Sitzung ist. So als würdest du an einem feuchten Teerklumpen lutschen, ohne die Hoffnung, je wieder etwas anderes zu schmecken. Trost? Ende Gelände? Nein, der Octomore 8.3 hat ganze 310 ppm!