URGENT FURY

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Der Mann der vielen Worte

Seit ein paar Jahren steuert Abraham Rodriguez jr. seine Kolumne zum Ox bei, schreibt über seine Jugend im New York der Achtziger, sein Leben in Berlin, seine Familie. Und über seine Band URGENT FURY, die er einst in den Achtzigern in NYC gründete. Deren neues Album „Hasta Fuego!“, in neuer Besetzung in Berlin aufgenommen und von Rod von DIE ÄRZTE produziert, nahm ich zum Anlass, mir mal die ganze Abe-Story erzählen zu lassen, also wie das alles so kam mit der Schriftstellerei und der Musik und dem Leben in Berlin.

Abe, die Ox-Leser kennen dich schon von deiner Kolumne. Dennoch, wo kommst du her?

Ich wurde in der South Bronx in New York geboren, war ein Kind, das auf Rockmusik und das Schreiben stand, ein Außenseiter, der nirgendwo so richtig reinpasste. Aufgewachsen bin ich in einer feindseligen Umgebung, bitter und zynisch, was mich zu jemandem machte, der wahrscheinlich ein bisschen politischer denkt als die meisten. Mein Vater war ein Poet, und er mochte es, noch auf diesen alten, riesigen Schreibmaschinen zu tippen. Ich habe das Geräusch geliebt und fing selbst an zu schreiben. Ich war ein langhaariger Rockfreak in einer Nachbarschaft, in der Rockmusik damals noch „Honky Music“ genannt wurde. Ich habe eine Menge solcher Beleidigungen einstecken müssen, aber dadurch war ich immerhin schon reif für die Punk-Revolution, als es soweit war. Meist floh ich aus der Bronx nach Downtown, wo ich an der Lower East Side abhing und Läden fand, wo ich Punk-Musik und -Singles bekommen konnte. Zu meinem 16. Geburtstag bekam ich meine erste Gitarre, eine Hondo Les Paul-Kopie, die mir über Jahre hinweg treue Dienste geleistet hat.

Wann hattest du deine erste Band?

Meine erste Band, WHITE RIOT, gründete ich 1980. Das waren ich, der englische Typ, den ich bei den HURRAH!s getroffen habe, und ein Drummer, Tom, der aber wieder abhaute, nachdem wir nach einem halben Jahr noch keinen Bassisten gefunden hatten. Ich war niedergeschlagen wegen all dem, aber irgendwie schien der Punk sich zu der Zeit schlafen zu legen. Alle wollten nur noch diese Skinny Ties tragen und wie „Turning Japanese“ von THE VAPORS klingen. Schließlich endete ich bei ein paar Rastafaris, spielte uptown in einer Band und rauchte tonnenweise Gras, als mich dann – irgendwann um 1984 herum – ein Freund mit zu einer Hardcore-Matinee ins CBGB’s mitnahm. Der Moment veränderte mein Leben. Körper flogen durch die Luft und Bands wie REAGAN YOUTH, THE MOB, HEART ATTACK, VIRUS, THE YOUNG AND THE USELESS und MURPHY’S LAW waren die ersten, die ich jemals sah, und die mich unfassbar inspiriert haben. Ich rannte nach Hause und begann Songs zu schreiben. Punk ist also doch nicht tot, dachte ich. Nachdem ich Zev Rogoff getroffen hatte, der Bass spielte, gründete ich 1985 URGENT FURY. Zev brachte noch einen Freund mit, Harry Viderci, der bereits für THE SIC* FUC*S Schlagzeug spielte – und die erste Fury-Version war geboren. Sieben Jahre haben wir zusammen gespielt, eine 10“ und eine grauenvolle Split-Single herausgebracht, bevor ich das Ganze 1992 auflöste.

Und wie kam es zu deiner Karriere als Autor?

Mit dem Schreiben habe ich in dem Jahr wieder richtig angefangen, in dem mein erstes Buch veröffentlich wurde. „The Boy Without a Flag“ erschien 1991 und verschaffte mir einen Buchvertrag mit Hyperion für meinen ersten Roman, „Spidertown“. Das Buch lief ganz gut, wurde in vier Sprachen übersetzt und es war sogar ein Deal für einen Film im Gespräch – was zwar zu nichts führte, aber mir wenigstens eine Menge Kohle verschaffte. Ich nutzte das Geld, um zu reisen und endlich mal mehr von den USA zu sehen als die South Bronx. Ich hatte diesen Traum: einfach durchs Land reisen und in kleinen, miefigen Zimmern leben, mit nichts weiter als einer Schreibmaschine. Meine erste Wahl fiel auf Seattle, wo ich dann vier Jahre lang gelebt und die dort explodierende Musikszene genossen habe. Ich habe auch eine kurze Zeit in Minneapolis verbracht und noch ein Jahr in Washington DC gelebt, bevor ich wieder zurück nach New York ging. Für meinen zweiten Roman brauchte ich acht Jahre. „The Buddha Book“ erschien dann 2001. Ich lebte wieder in New York, nachdem ich ein Jahr in Holland verbracht hatte. In diesem Jahr habe ich öfter mal gehört, dass mein vorheriger Roman „Spidertown“ – der auch zweimal in Deutschland veröffentlicht worden war – einen Jugendpreis am Wiener Literaturhaus gewonnen hatte. Und dass ich eingeladen war, um die Studenten kennen zu lernen. Ich habe wirklich alles getan, um da nicht hin zu müssen. Das Schicksal hatte aber andere Pläne, und so ging ich nach Wien und traf dort ein paar coole Kids. Auf dem Rückweg hätte ich eigentlich einen Anschlussflug nach New York bekommen müssen, als Freunde aus Berlin mich so sehr anflehten, sie zu besuchen, dass ich in Düsseldorf meine Pläne änderte und nach Berlin flog.

So kamst du also nach Berlin, wo du bis heute lebst.

Ja. Von der Minute an, in der ich in Berlin landete, habe ich mich dort zu Hause und wohl gefühlt und ... einfach fantastisch. Obwohl ich mich verlaufen und den falschen Zug genommen habe, weswegen ich zu spät bei meinen Freunden ankam. Als ich dann ihre Küche betrat, saß da die süßeste Frau, die ich jemals in meinem Leben gesehen habe. Sie hatte eigentlich schon längst nach Hause gewollt, aber meine Freunde haben sie da behalten, damit sie mich kennen lernt. Und diese süßeste Frau, die ich jemals in meinem Leben gesehen habe, fragte: „Was hat denn so lange gedauert?“ Ich realisierte schnell, dass auch ich schon viel zu lange gewartet hatte, heiratete sie und karrte schließlich meinen ganzen Kram in Containern von New York nach Berlin.

Wie ist dein Leben in Berlin?

Super! Auf einmal hatte ich ein Leben, nach all diesem ziellosen Herumwandern – eine coole Frau und einen fantastischen Sohn. Ich glaube, ich habe einen riesigen Teil meines Lebens damit verbracht, nach diesem einen Ort zu suchen, an dem ich mich wirklich zu Hause fühle. New York war’s definitiv nicht, auch wenn diese Stadt für lange Zeit mein Zuhause war – aber eben auch der Ort, an dem alles schiefging und die Türen für mich verschlossen blieben. Berlin ist der Ort, an dem alles richtig läuft. Da wusste ich: Berlin ist auch der Ort, an dem ich meinen nächsten Roman „South by South Bronx“ schreiben würde, bei Partys im Kaffee Burger auflegen oder tatsächlich Geld mit Übersetzungen verdienen. Und natürlich der Ort, an dem ich meine Band URGENT FURY wieder aufleben lasse.

Wie kam das mit dem Schreiben?

Die ganze Sache mit dem Schreiben kam wegen meines Vaters. Er haute andauernd Gedichte raus, die er auf dieser großen, alten Schreibmaschine getippt hat. Ich habe diesen Sound einfach geliebt, die Art und Weise, Buchstaben ins Papier zu hämmern. Ich, tippend, auf seinem Schoß – da kommt meine Schwäche fürs Schreiben her. Und Bücher ... ich hatte Asthma und musste viel zu Hause bleiben. Viel Zeit, die ich in der Schule hätte verbringen sollen, habe ich zu Hause mit Büchern und Schreiben gefüllt. Ich habe sogar blaugemacht, um zu Hause zu bleiben und zu tun, worauf ich Lust hatte: an einem Roman arbeiten und den ganzen Tag lang Musik hören. Meine Eltern waren arbeiten, deswegen war ich sowieso viel allein zu Hause. Das Schreiben war nicht nur eine Ausflucht, ich empfand es als Möglichkeit, mir neue Welten zu erschaffen und in ihnen zu versinken. Da gab es keine Grenzen, ich konnte überall hingehen. Geschrieben habe ich über alles und in den Siebzigern sogar Fanzines an den Start gebracht: eins über „Planet der Affen“ und ein paar über „Star Wars“, aber das hat nicht lange angehalten. Ich erinnere mich daran, dass ich sogar mal meinem Englischlehrer eins meiner Fanzines in die Hand gedrückt habe. Der hat es neugierig durchgeblättert und mich gefragt: „Warum machst du das?“ „Weil ich Schriftsteller werden möchte“, sagte ich. Seine Antwort: „Es gibt keine puerto-ricanischen Schriftsteller.“ Ja, Mann, so bin ich aufgewachsenen. Nichts als verschlossene Türen.

Das hat dich nicht vom Schreiben abgehalten.

Nein, ich habe trotzdem geschrieben. Ich denke, je mehr man eine Sache macht, weil man eine Leidenschaft für sie besitzt und weil man sie braucht, desto besser wird man darin. Eines Tages fragte mich ein alter Freund, ob ich für sein Fanzine eine Geschichte schreiben wollte. „Babies“ handelte von einem 16-jährigen puerto-ricanischen Mädchen, das feststellt, dass es schwanger ist. Aus der Geschichte wurde ein Buch, das dann von einer Redakteurin vom Story-Magazin entdeckt wurde. Lois Rosenthal hieß sie, und sie fragte mich nach mehr Geschichten und besorgte mir einen Agenten. Das führte zu meiner ersten Kurzgeschichten-Reihe. Dann kam „Spidertown“, mein wahrscheinlich bekanntestes Buch, das es fast zu einer Verfilmung durch Robert Rodriguez gebracht hätte. Ich hatte ihn in Seattle getroffen und erst mal in den Fantagraphics-Shop gezerrt, um Comics zu kaufen. Es war zwar toll, auf eigenen Beinen zu stehen, acht Jahre lang nur zu schreiben, schreiben, schreiben, aber mit dem Ergebnis, dem „Buddha Book“, war dann doch niemand zufrieden und auch das Lektorat dauerte fast ein Jahr. Meinen dritten Roman „South by South Bronx“ habe ich 2007 fertig bekommen. Den hasste mein Agent auch, aber aus Zufall bekam ich die Chance, Johnny Temples Aufmerksamkeit zu erregen. Er war der Bassist von GIRLS VS. BOYS und der Verleger von Akashic Books. Er nahm sich meiner an und brachte 2008 ein wundervolles kleines Buch heraus. Johnny ist ein Traum von Verleger: Es ist toll, mit ihm zusammenzuarbeiten, er gibt dir Freiheiten und alles, was du brauchst, um ein schönes Buch zu schaffen. Es gab sogar eine Tour mit einer Buchmesse in Jamaica als krönendem Abschluss. Ein Traum, klar. Aber das Leben als Schriftsteller hat viele Höhen und Tiefen. Ich gehöre nun mal nicht zu denen, die Millionen mit ihren Büchern verdienen, und es sind schlechte Zeiten für uns „Mid-list“-Schreiber. Immerhin hatte ich genug Geld verdient, um davon für eine Weile zehren zu können. Die Zeiten sind übrigens aber auch schon wieder vorbei.

Schreibst du momentan an einem neuen Buch?

Ich arbeite gerade an drei Romanen. Mein Fokus liegt auf einem, in dem es um den Mord an Eric Garner durch Polizisten im Jahr 2014 geht. Dann gibt’s auch noch eins über Zeitreisen und eins über Putten, diese dicken Engel in Kindgestalt. Das Buch über Eric Garner ist sehr düster, brutal und wütend – wenn ich das nicht mehr aushalte, flüchte ich mich gerne in Zeitreisen oder heitere mich mit Geschichten über Putten auf.

Wie wir aus deiner Kolumne wissen, hast du URGENT FURY Mitte der Achtziger gegründet. Erzähl uns doch was über diese alte Version der Band, die New Yorker Szene damals und auf welche Art von Hardcore du standest.

Hardcore war bis dato die intensivste Musik, die ich jemals erlebt habe. Hör dir nur mal HEART ATTACK mit „Victim’s inquisition“ an. Und ich wage zu bezweifeln, dass es irgendetwas Perfekteres gibt als „Rock for light“ von BAD BRAINS. Aber in die Szene reinzukommen war ein Alptraum. Es war ja noch nicht mal eine Szene, sondern eher zwei. Du musst bedenken, wo ich stand: URGENT FURY waren politisch. Wir wurden direkt in die Peace-Punk-Szene eingeordnet – repräsentiert durch A.P.P.L.E. und THE FALSE PROPHETS, mit denen wir zwar oft gespielt haben. Wohingegen wir zu Beginn eher mit Bands wie U.S. CHAOS zu sehen waren, die einen auf dicke Hose machten, Gürtelschnallen mit der amerikanischen Flagge trugen und dir „USA!“ ins Gesicht brüllten. AGNOSTIC FRONT haben – mit ihrem frühen Sound – die Basis geschaffen, aber die Szene bewegte sich in Richtung Metal und somit auch der Sound. Für uns waren AGNOSTIC FRONT eine Skinhead-Band. Klar, die gab es bei uns auch: große Typen, die zu Punk-Shows kamen und diese geradezu zerstörten. Ich erinnere mich noch daran, als ich mal THE EXPLOITED live gesehen habe, da waren vielleicht 200 Punks und 16 Skins – aber die haben die Show komplett ruiniert, Leute geschlagen, sind auf ihnen rumgesprungen, haben Ketten gebildet und die Zuschauer umgenietet wie Kegel. Große, faschistische Idioten, die ihre Fäuste schwingen, um Menschen zu treffen und zu verletzen. So was Dämliches. Kennst du noch die Romantic-Violence-Bewegung? Sie ist noch schlimmer geworden. Ich glaube, dass diese Leute gar keine Punks waren. Dass sie Punks und ihr Anti-Regierungs-Gegeifer hassten, sogar mehr als sie Reagan hassten. Natürlich kann eine Band wie MURPHY’S LAW im Film „NYHC“ behaupten, anti-Reagan eingestellt zu sein; aber ich erinnere mich an sie, und sie waren wirklich absolut nicht so. Ebensowenig wie AGNOSTIC FRONT. Man muss ihnen immerhin lassen, dass sie zumindest alles gleichermaßen hassten.

Erst die Begeisterung über diese Musik, dann der Frust ...

Für mich begann, alles gleich zu klingen, was mich ganz schön anödete. Die Kids in New York, die „Punks“, interessierten sich mehr dafür, kritisch zu wirken und ein gewisses politisches Bewusstsein zu verbreiten, woran die Punks so hart gearbeitet hatten. Was diese dann natürlich vertrieb. Hardcore hat sich selbst gefressen und wurde etwas anderes. Ich habe eine Menge Bands gesehen, die genauso dachten. Ich erinnere mich besonders an die Veränderungen, die REAGAN YOUTH durchlief, und daran, wie Dave Insurgent seinen letzten großen Rebel-Move machte und die Hardcore-Leute dadurch anpisste, dass er sich lange Haare und einen Hippie-Style zulegte und vorgab, dadurch sogar mehr Punk zu sein. Dazu eröffnete er seine Shows mit „War pigs“ von BLACK SABBATH. Sogar Jesse Malin, Frontmann von HEART ATTACK – eine der besten Hardcore-Bands, die es jemals aus New York raus geschafft haben –, verließ später die Szene, um als Frontmann bei D GENERATION einzusteigen. Inzwischen setze ich Hardcore mit Metal gleich. Deswegen nenne ich URGENT FURY Punk, auch wenn wir als Hardcore-Band angefangen hatten. Für mich war diese Definition, die mir ein Gespür für eine Charakterisierung und Identität gab, sehr wichtig. Hardcore hat seine eigene Sprache. Ich war als Rock-Kid aufgewachsen, und ich lasse diese klassischen Elemente in meine Punk-Welt einfließen – voller Geschwindigkeit und mit der Intensität des Hardcore. Ich schäme mich nicht, zu behaupten, dass Kurt Cobain für all unsere Sünden starb. Ich mag Melodisches und Unmelodisches, Kraft, Feedbacks, Hendrix-Momente. Eins der größten Komplimente, das ich jemals bekommen habe, war, als Tim Yohannan vom Maximum Rocknroll uns als „The CIRCLE JERKS meet Jimi Hendrix“ beschrieb.

Der Bandname geht zurück auf die US-Militärinvasion in Grenada 1983. Warum hast du den gewählt?

Ich mochte den Namen, er erinnerte mich an den Codenamen der Nazi-Invasion in Jugoslawien, eine Strafaktion in 1941, genannt „Furious Vengeance“. Das kostete die Wehrmacht einen Monat Zeit – Zeit, die ihr dann beim folgenden Russlandfeldzug fehlte. Ich benutzte früher Bilder von deutschen Soldaten, denn in Amerika hatten sie eine aggressive, ironische Wirkung. Natürlich mache ich das nicht mehr. In Deutschland haben diese Bilder eine andere Bedeutung und lassen quasi keine Ironie zu.

Wie kamt ihr als Band miteinander klar?

URGENT FURY waren nur wir drei: Harry, Zev und ich. Es gab Konflikte, dummer Scheiß, meistens mit Harry, der ja auch die ganzen sieben Jahre durchgehalten hat. Wir stritten uns über Gigs, darüber, ob wir was veröffentlichen wollten, alles Mögliche. Seine Theorie war ja, dass wir „entdeckt werden“ und einen Vertrag bekommen, aber ich war überzeugt, dass wir Aufnahmen rausbringen mussten. 1988 verloren wir Zev. Ich habe die Band aufgelöst, aber später fanden wir einen neuen Bassisten – drei neue Bassisten wurden es insgesamt, als ich die Band 1991 letztendlich wieder auflöste und die 10“ alleine herausbrachte. Harry wollte nicht daran teilhaben. Die Auflösung musste sein, denn wir hatten zu viel gestritten und ich hatte die Nase voll vom Streiten. Als ich dann noch merkte, dass es sogar unmöglich war, die Songs zu spielen, die ich geschrieben hatte, hakte ich die Band ab und habe auch für gut zwanzig Jahre nicht zu ihr zurückgeblickt. Ich habe weiterhin Musik geschrieben, Demos mit einem Vierspurrekorder aufgenommen und ein Musikprojekt, ROPE BURNS, gestartet. Da konnte ich all meine Musik abladen, die nicht „fury“ war. Bis 2011 gab es Fury überhaupt nicht.

Wie kam es zur Neuauflage?

Das Broken Rekids-Label aus San Francisco kontaktierte mich 2010, um mit mir ein Rerelease unserer 10“ zu machen. Ich war dagegen, denn ich wollte einfach das ganze Ding noch ein Mal neu einspielen. Ich war nie zufrieden mit der Aufnahme gewesen. Was ich wollte, waren neue Versionen. Ich war mir sicher, dass ich sie inzwischen viel besser spielen konnte als damals, also sagte ich nein zu dem Angebot, und dass ich nach New York gehen wollte, um ein paar Musiker für eine Neuaufnahme zu finden. Michael vom Label sagte, ich solle den Versuch wagen, und so ging ich 2011 nach New York und traf ein paar gute Leute, die mir halfen, Kaleen Marie Reading und Geena Spigarelli zu finden. Die beiden waren junge School of Rock-Absolventinnen, die auf faszinierend schnelle Art und Weise durch das Material rauschten. In diesem Jahr nahmen wir 23 Tracks auf und spielten sogar einen Gig in der Charleston Bar, der auch auf YouTube landete. Nachdem ich also meine Aufnahmen aufgebessert hatte, entschied Michael, dass er kein Interesse mehr hatte. Als ich also zurück nach Deutschland kam, musste ich einen neuen Weg finden, um die Platte rauszubringen. Das war, glaube ich, der Zeitraum, in dem Michael dann dich kontaktierte. Wer hätte gedacht, dass dein prächtiger Praktikant Markus der erste Bassist in meiner neuen URGENT FURY-Berlin-Crew sein wird? Also: Doppelt Danke! Kaleen und Geena waren zwar großartig, aber ich konnte keine Band mit ihnen gründen. Ich lebe ja nicht in New York. Außerdem waren beide extrem beschäftigt: Kaleen als Mitglied in ca. zwölf Bands, und Geena hatte auch immer was zu tun. Die beiden sind die Crew des „Let Freedom Sting“-Albums, das erste, das ich mit meiner neuen Band in Berlin rausbrachte.

Genau, du hast 2013 eine neue, Berliner Version von URGENT FURY gegründet.

Als Erster kam Markus. Wir haben zusammen an ein paar Grafiken gearbeitet und hingen manchmal auch miteinander ab. Ich habe natürlich permanent rumgemeckert, weil ich unbedingt Leute für Fury finden wollte. Er mochte Fury, und eines Tages rückte er mit der Sprache raus und sagte mir, dass er Bass spielt. Er lud mich zu einem Jam mit seinen Freunden im Rauchhaus ein, und wir spielten Fury-Songs. Ich glaube, er wollte wirklich herausfinden, ob das funktionieren kann. Aber seine Freunde waren eher Kellerratten, die es mochten, zu spielen, zu trinken und zu rauchen – mehr aber auch nicht. Die verließen einfach nie diesen Keller. Zu der Zeit erzählte mir meine Frau von einer Begegnung während ihres Jobs bei einer Filmproduktion. Eine Frau hatte sie beim Eierkartonsammeln gesehen – sie hatte mir ein paar davon für mein Homestudio zusammengesucht. Sie fragte, wofür die Kartons wären, und meine Frau sagte: „Mein Mann ist Musiker.“ „Wie lustig“, erwiderte ihre Kollegin, „meiner ist Schlagzeuger!“ „Welche Musikrichtung?“ Als sie „Punk“ sagte, wussten wir sofort, dass das Schicksal sein musste.

Was für einen Background haben Steiff und Michael?

Michael hatte zuvor bei UK SUBS gespielt und war zu dem Zeitpunkt, als ich ihn kennen lernte, völlig demotiviert, was Musik und Bands anging. Er wollte einfach in Frieden an seinen Schlagzeugkünsten arbeiten. Aber ich musste natürlich um die Ecke kommen und ihn ins Studio einladen. Mit ihm zu spielen, fühlte sich einfach perfekt an – nicht nur, dass er ein perfektes Gefühl für Musik hatte, er konnte mit Geschwindigkeit umgehen und trotzdem großartige Höhepunkte hinzufügen. Und so kam es, dass Michael, Markus und ich 2014 die ersten URGENT FURY hier in Berlin gründeten. Markus verließ die Band ein Jahr später, und Michael und ich mussten einen neuen Bassisten finden. Michael erinnerte sich an Steiff, den er Ewigkeiten vorher, bei einem Gig oder so, getroffen hatte, und dessen Nummer er sogar noch hatte. Also riefen wir ihn an. Als dieser riesige Typ dann vor uns stand, hatten wir keine Ahnung, dass wir es hier mit einem echten „Urgestein“ aus Kreuzberg zu tun hatten, der mit den legendären STROMSPERRE gespielt hatte. Dieser verrückte Typ, mit dem kannst du nicht durch die Straßen laufen, ohne jemandem zu begegnen, der ihn kennt. Er ist ein kraftvoller Bassist. Er verzerrt seinen Bass, was ich liebe, und spielt den ganzen Scheiß wie ein Gitarrist. Auf der Bühne ist er groß und wild, und ich verspüre diesen Drang, während eines Gigs auf seinen Rücken zu springen ... eines Tages mach ich das! Auf der Bühne sind wir verrückt und albern herum. Mit diesen Jungs zu spielen, macht einfach wahnsinnig Spaß. Und Steiff ist ein Riesengewinn für die Band.

„Punk aus Berlin“, das ist euer Anspruch. New Yorker Hardcore raus, Berliner Punk rein?

Ich weiß auch nicht. Wir hatten uns dieses „New York Punk“-Ding auf die Fahnen geschrieben. Aber ich denke mir inzwischen: Wen interessiert’s? Müssen wir wirklich ständig New York erwähnen? Klar, ich singe auf englisch, deswegen ist es vielleicht offensichtlich. Viel wichtiger für mich, als zu sagen, wo ich herkomme, ist, zu sagen, wo ich bin.

„Hasta Fuego!“ ist euer neues Album. Aufgenommen habt ihr es 2016, vor dem ganzen Trump-Wahnsinn. Bestimmt finden sich in den Texten trotzdem ein paar Bemerkungen zu den US of A, oder?

Ja, klar. Aber die Dinge in Amerika ändern sich gar nicht so sehr, lasst euch nicht von der Hysterie anstecken. In „Two step“ beschreibe ich das so: „One step forward, two steps back / The American way, is built like that.“ Der Song war zur Beruhigung an Obama gerichtet, der ja inzwischen schon graue Haare bekam ...

Das Album wurde von einem gewissen Rodrigo González produziert ...

Ja, dafür ist Steiff verantwortlich. Die beiden müssen mal zusammen zu Abend gegessen haben oder so. Rodrigo war fantastisch. Er hatte ein tolles Gespür für unsere Musik und gab ihr eine gewisse Fülle, so dass alles nicht so flach wirkte. Er war supercool, auch wenn ich gedacht hätte, dass er und ich mehr spanisch miteinander reden würden. Aber er ist einfach so ein Typ Producer, der Barrieren aufbricht, statt sie hochzuziehen. Wundervoll, ich könnte nicht glücklicher mit dem Album sein.

Kein Album ohne Tour. Was sind eure Pläne?

Also, im Juni haben wir unsere Record-Release-Party. Dann kommen eine Menge Gigs und – der Höhepunkt – drei Tage mit DO RADY in Prag. Letztens haben wir mit KRASH KARMA aus L.A. gespielt, und die Jungs hatten knapp 200 Auftritte im letzten Jahr hinter sich. Solche Bands können wir nur beneiden. Bei uns ist das Leben momentan kompliziert genug, deswegen haben wir uns selbst dazu verpflichtet, hauptsächlich in der näheren Umgebung zu spielen. Wir wollten erst mal bekannter werden in Berlin, aber wir steigern uns und sind immer öfter auf Abstecher in anderen Städten. Das kommt langsam, unsere Hingabe wächst.

Als in New York geborener Puerto Ricaner hast du doch bestimmt Erfahrungen mit Vorurteilen seitens Polizei und Co. machen müssen. Wie empfindest du das tägliche Leben in Berlin, wie gleichberechtigt, tolerant, vorurteilsbelastet oder vielleicht sogar rassistisch ist es?

Wenn ich etwas über Punks in Berlin weiß, dann dass sie Deutschland und ihr Deutschsein hassen. Jedes Anzeichen von Nationalismus wird missbilligt, außer während der Fußball-WM. Ich fürchte, das Problem habe ich nicht. Ich bin kein Deutscher, also liebe ich Deutschland – ganz besonders Berlin. Ich war noch nie so glücklich, an einem Ort zu leben, und das, obwohl ich hier eine andere Sprache sprechen muss. Ich schätze, ich höre mich an wie ein Einwanderer. In New York sind mir auf jeden Fall mehr Rassismus und Schikanen begegnet. „Stop and frisk“, das heißt angehalten und gefilzt werden, war dort völlig normal. Ich kann gar nicht in Worte fassen, was das für eine Erleichterung ist, eine Straße entlangzugehen und keinem New Yorker Cop zu begegnen. Bei denen bin ich permanent darauf gefasst, rausgepickt, schikaniert, durchsucht oder einfach aufgehalten zu werden. In Berlin habe ich so was noch nie erlebt.