UP TO VEGAS

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Punkstyled!

Vor ein paar Jahren hat sich die Psychobilly-Szene langsam, aber gravierend verändert. Von der Abgeschlossenheit wurde durch Vorreiter wie MAD SIN, DEMENTED ARE GO, NEKROMANTIX und nicht zuletzt die TIGER ARMY eine Öffnung angestoßen. Dies führte dazu, dass Psychobilly etwas mehr Beachtung fand, übertrieben könnte man vielleicht sogar von einem Hype sprechen. Das Wachstum entstand durch die Integration angrenzender Stile, aber auch die Puristen THE METEORS profitierten von der Wiederbelebung. Viele frühere Freunde der Musik konnten wieder reaktiviert und neue Fans konnten hinzugewonnen werden. Der Altersdurchschnitt auf den Konzerten sank ein wenig. Und Neues kam zu Vorschein. Kann man die brauchbaren Newcomer aus den Neunzigern an wenigen Fingern abzählen, wird dies mit der weltweiten Präsenz langsam schwierig. In Deutschland haben sich UP TO VEGAS in den Vordergrund gespielt und wie ich meine, zu Recht. Bei dem Quartett aus Karlsruhe sind Spaß, Qualität und Leistungsvermögen im Einklang. Der Titel ihrer neuen CD „Punkstyle Rock’n’Roll“ ist Programm und beste Beschreibung ihres Sounds zugleich. Warum sich die Band von anderen vielleicht unterscheidet, habe ich durch ein Gespräch mit Sänger Dr. F versucht herauszufinden.

Die Band UP TO VEGAS besteht bereits seit Anfang 2001. Hauptakteure sind Sänger Dr. F. (F steht für Fummel, dazu später mehr) und Carl, seines Zeichens Slapbassist. „Carl war vorher bei THE FLAMES und ist rechtzeitig vor deren Radio-Hit ausgestiegen. Die Trennung ging von ihm aus, um in den USA einen Neustart zu wagen. Aus verschiedenen Gründen hat das aber nicht geklappt. Kurz nach seiner Rückkehr haben wir uns dann zufällig in unserem Stammclub wieder getroffen. Er war auf der Suche nach einem Engagement und ich wollte eine Band auf die Beine stellen. Die Weichen für UP TO VEGAS sind an diesem Abend dann gestellt worden.“ Der Start wirkt damit recht zufällig und so klangen für mich auch die ersten Mini-CDs. Der Sound war noch nicht rund und auch die Ausrichtung noch nicht ganz klar. „Als wir angefangen haben, war der ganze Hype um Psychobilly und Kontrabass noch nicht gestartet. NEKROMANTIX’ ‚Return Of The Loving Dead‘ war gerade erst erschienen und auch TIGER ARMY wurden dann erst ein wenig bekannter, beide gepusht durch Hellcat Records. Wir selber hatten uns im Prinzip gesagt, dass wir von der ganzen Psychobilly-Szene Abstand halten wollten, da es dort eher nach Stillstand aussah. Meine Psycho-Hochzeit war Anfang der Neunziger und damit auch schon länger her. Unser Start war also wirklich zufällig zur selben Zeit und keine Reaktion auf irgendwas.“
Trotzdem wurde dieser kleine Hype natürlich gerne aufgegriffen und mit der ersten CD war auch klar erkennbar, dass sich UP TO VEGAS zumindest im Psychobilly-Umfeld sieht. „Mit der Zeit schaut man sich neben seinen Lieblingsstilen dann doch an, was so links und rechts noch passiert. Der Horizont wird einfach weiter, vor allem wenn man gleichzeitig Musik macht. Der Background der meisten Bandmitglieder liegt neben Rock’n’Roll auch im HC-Bereich. Der härtere Sound liegt uns somit. Da wir alle auch nicht mehr Anfang 20 sind, haben wir auf der einen Seite bereits viele Jahre Erfahrung als Musiker, aber eben auch als Konsumenten.“ Auch das merkt man der Band an. Erfahrungsgemäß sind musikalische Anfängerbands recht schnell rauszuhören. Bei UP TO VEGAS fehlte zum Start nur die Abstimmung und auch die Gitarre war noch nicht optimal besetzt. Dieser Mangel wurde vor den Aufnahmen der letzten Platte beseitigt. „Die Gitarrenverstärkung mit Rocky hat uns noch einen deutlichen Schub gegeben. Der Sound ist breiter, die Gitarre ist jetzt gleichwertig mit den anderen Treibern Bass und Drums. Die Umsetzung von der Idee zum richtigen Sound passt jetzt besser.“

Für die positiven Veränderungen sieht Dr. F. eine Ursache in der klaren Vorstellung und Verfolgung von Zielen, beginnend mit der Arbeit an einem neuen Album. „Eine neue Platte planen wir regelrecht. Starten mit der Festlegung des Sounds über die Tonarten bis zur Dramaturgie. Abwechslung ist aus unserer Sicht einfach zwingend notwendig, gerade im Rock’n’Roll-Umfeld. Nur turboschnell oder ultracool wird einfach eintönig und langweilig, auch wenn jeder Song für sich genommen auf einem Sampler herausstechen würde. Die Songs entstehen bei uns auch nicht spontan im Proberaum, sondern über einen längeren Zeitraum zu Hause auf Akustikinstrumenten. Wir haben bereits jetzt wieder mit Arbeiten zur nächsten Platte begonnen. Der Weg geht bei uns meistens über die Gesangsmelodie, die Hookline, die Strophenidee zur Musik und erst am Ende setze ich mich an den Text. Ideal ist es meistens, wenn alles aus einem Kopf kommt. Wir haben mit der Zeit einfach die Erfahrung gemacht, dass es wichtig ist, eine klare Zielverfolgung zu haben, die von allen geteilt wird. Besser gesagt, wir haben realisiert, dass keiner von uns so begnadet ist, um eine Band alleine zu führen und alle anderen sind trotzdem glücklich. Aber das grenzt auch schon an Genialität und kommt wirklich nicht häufig vor. Als Band ist die Abstimmung da schon schwieriger und es ist super wichtig, ein Ziel vor Augen zu haben. Trotzdem muss es auch kurze Wege geben und letztlich vielleicht einer oder maximal zwei, die entscheiden.“
Für eine startende Band mit Anspruch reicht dann natürlich nicht irgendein Studio als Technikbereitsteller, sondern auch hier versuchen die Vier im Rahmen der Möglichkeiten das Maximale herauszuholen. „Für uns war Lemmy – eine lokale Größe aus Karlsruhe – als Produzent die erste Wahl. Er deckt ein superbreites Spektrum ab und nimmt Einfluss auf den Sound. Sagt knallhart, was geht und was nicht geht. Die Meinung der Band war vorher eigentlich klar, aber durch das schonungslose Feedback war Kritikfähigkeit mehr als erforderlich. Es ging fast zum Masochismus, aber wir brauchen einfach diese klare Rückmeldung, nur so kannst du weiter kommen. Wenn einer hinter den Reglern steht, der alles gut findet, nur damit die Band wieder schnell verschwindet und der Zeit/Umsatz-Faktor hoch ist, dann kannst du auch gleich selber die Knöpfe drehen.“
Den größten Respekt als Nicht-Musiker bringe ich dem Enthusiasmus von guten Bands an der Schwelle zu Mehr entgegen. Wie motiviere ich mich, neben meinem Job, meine Freizeit hauptsächlich für eine Band aufzubringen? Noch schlimmer wird es, wenn sich die Frage nach dem Erfolg stellt. Jeder kennt Beispiele von vielleicht nicht einmal überragenden Musikern, die aus ihrem Hobby einen Job machen könnten. Aber wann setzt man mehr aufs Spiel? Wann ist der Zeitpunkt gekommen, seinen Job auf Spiel zusetzen? „Wenn es ein reines Hobby wäre, nur so zum Zeitvertreib, und sich nicht ein gewisser Erfolg einstellt, wäre das viel zu zeitintensiv. Es ist dann vorprogrammiert, dass die ganze Geschichte droht, irgendwann einzuschlafen. Erfolg misst sich für uns in dem Feedback, das wir erhalten. Vor allem sind es die Live-Auftritte. So lange wir Shows machen, bei denen die Stimmung kocht, das Feedback des Publikums bis zu uns rüber kommt und Begeisterung vorhanden ist, auf welche Art auch immer, bringt uns das genug Motivation. Der Erfolg einer Platte ist schon schwerer einzuschätzen. Die Reaktion ist immer stark zeitversetzt. Die Reviews in den Medien für ‚Punkstyle Rock’n’Roll‘ waren mehrheitlich hervorragend, auch wenn klar ist, dass die meisten Bewertungen durch Leute gemacht werden, die ohnehin unsere Art von Musik im weitesten Sinne mögen. Ein Review in einem Metal-Blatt fällt da schon anders aus, aber meist auch positiv. Nur die Art unterscheidet sich deutlich und es werden andere Sachen abgeklopft. Für uns ist es auch immens wichtig, dass wir selber noch Steigerungspotenzial erkennen. Der Rahmen für Mehr ist zwangsläufig solange begrenzt, bis einem einer mehr Geld gibt oder sich eine Platte so gut verkauft, dass besser geplant werden kann.“

Soweit ist es bei UP TO VEGAS sicher noch lange nicht, ein Schicksal, das in dieser Szene quasi vorprogrammiert ist. Aber das hält die Jungs natürlich nicht auf. Im Gegenteil: „Wir arbeiten in Teilzeitjobs, so dass wir recht flexibel sind. Bei mir sieht es jetzt etwas anders aus, aber so lange ich alles unter einen Hut bekomme, ziehen wir das durch. Wir haben aber auch festgestellt, dass zum Beispiel die reine Masse an Konzerten auch nicht hilft. Wir achten darauf, dass die Shows, die wir spielen, auch Hand und Fuß haben. Soll heißen, die Location ist okay, der Veranstalter macht es nicht zum ersten Mal und eine gewisse Grundwerbung ist sichergestellt. Die Rahmenbedingungen müssen einfach stimmen. Mit Supportauftritten, vor beispielsweise den MISFITS mit gut 1.000 Leuten, können wir nichts falsch machen.“
Wenn die Band auftritt, dann meistens gestylt. Punkstyled sozusagen. Übrigens ein Plattentitel, der nicht besser treffen könnte. Es ist kein Punk mit irgendwelchen Wurzeln und Inhalten, aber auch kein sauberer Rock’n’Roll. Punkstyle Rock’n’Roll ist eine Bezeichnung, die prägend sein könnte und ich ärgere mich, dass ich nicht schon darauf gekommen bin. Das Styling bei Auftritten ist auch immer mit einer Art Verkleidung und Maskerade verbunden. Für Dr. F. ein klares Muss. „Maskerade? Klar volle Breitseite, volle Kluft. Kein Verstecken, aber ein Verwandeln. Ich werde dann ein anderer Mensch.“ Nachvollziehbar. Namen und Konzepte sind bei Bands, die sich selbst reflektieren, natürlich auch nicht zufällig. Dr. F. aka Dr. Fummel hat natürlich seine Geschichte. „Klar ist es political incorrect. Aber eine einfache Geschichte. Lange her. Vor mehr als zwölf Jahren haben mich nach einer normalen Auseinandersetzung mit einem Mädel in einem Club die Rausschmeißer wegen sexueller Belästigung rausgeworfen. Das war so grotesk, dass ich dann den Namen weg hatte und ihn für UP TO VEGAS wieder aufgegriffen habe.“ Klar, dass auch der Bandname seine Hintergründe hat: „Las Vegas ist unser Ziel. In der allerersten Probe haben wir uns über Namen und Ziele unterhalten. Vor Jahren war ich in Las Vegas und dort hat MOTÖRHEAD im Excalibur gespielt. Aus der Situation heraus kam dann der gemeinsame Wunsch, das wollen wir auch. Und so sind dann der Name und das große Ziel entstanden. Wenn wir das schaffen, dann haben wir es geschafft.“ Und dann? „Noch mal hin!“ Ich wünsche es ihnen.
Robert Noy
www.uptovegas.de