Warum Ukulele? Gegenfrage: Warum nicht? Akustikgitarren-Alben von Punk-Musikern gibt es mittlerweile viele. Aber was zur Hölle geht mit einer Ukulele? Auf dem Rebellion Festival in England sah ich bereits Bands, die damit auf der Acoustic Stage ein wahres Höllenfeuer abfackelten. Seit gut zehn Jahren beschäftigt sich mein alter dänischer Freund und Wahl-Lübecker Kent Nielsen, der in den Achtzigern Sänger der Punkband LEBEN UND LEBEN LASSEN (L.U.L.L.) war, mit der Ukulele. Dieser Tage erscheint „Seconds Of Our Lives“, die neue CD seiner Band UKES OF TOMORROW, auf der ausschließlich Cover von Punk-Klassikern zu hören sind.
Akustische Gitarren sind innerhalb der Szene eine alltägliche Erscheinung. Ihr nutzt vorsätzlich die Ukulele als Musikinstrument. Wie bist du gerade darauf gekommen? Was macht für dich die Faszination aus?
Ich war immer der Sänger, weil ich zu faul und ungeduldig war, um ein Instrument zu lernen. Als sich 2012 meine damalige Band ONE BAR TOWN auflöste, kannte ich in Lübeck nicht wirklich Leute, mit denen ich Musik machen wollte, und hatte deswegen nur zwei Möglichkeiten: entweder ganz aufhören, womit ich durchaus meinen Frieden gemacht hätte, oder aber endlich ein Instrument außer Waschbrett zu lernen. Ich hatte gerade damit angefangen, auf der Kinder-Ukulele von meinem Sohn herumzuklimpern, als ich beim Ukulele-Workshop der PUKES in Blackpool mitmachte. Weil ich singen konnte, haben die mich in die Gruppe für Fortgeschrittene gepackt, ich habe total versagt, aber ab da war ich angefixt. Zuerst war es eigentlich nur, um zu Hause meine Lieblingssongs daddeln zu können, aber ein halbes Jahr später spielte ich schon im Vorprogramm von UK SUBS in Christiania, Kopenhagen. Und spätestens ab da war auch Schluss damit, im Sitzen zu spielen. Ich spielte die Stummelgitarre ab da auch bereits im Studio, aber eigentlich habe ich alles den PUKES zu verdanken.
Mir ist natürlich auch aufgefallen, dass es mittlerweile gerade in England eine recht große Musikgemeinde gibt, die dem Sound der Ukulele frönt und das ernsthaft kultiviert. Kannst du uns einen kleinen Einblick in diese Szene geben?
Das Ding ist, dass jeder Mensch es lernen kann, Ukulele zu spielen, der große Boom ist dabei gefühlt schon wieder am Abflauen. Aber eine Zeit lang sah es wirklich so aus, als würde die Akustikgitarre komplett von der Ukulele verdrängt werden – gerade in England. In der Szene tummeln sich auch jede Menge Puristen, was ja nicht so meins ist, aber es gibt da schon wahnsinnig talentierte Leute.
Die UKES OF TOMORROW gibt es bereits seit 2013, immer als Duo. Wie kam es zur Gründung und mit wem hast du damals zusammengespielt?
Mein ursprünglicher Partner in dem Projekt war Pommes, ex-MEDFIELD MA, der eigentlich Schlagzeuger ist. Er hatte ebenfalls gerade mit der Ukulele angefangen und da wir beide in der gleichen Stadt wohnten, dachten wir, dass wir genauso gut gemeinsame Sache machen konnte. Pommes hatte auch die Idee mit unserem Namen und war für viele der frühen Arrangements verantwortlich.
Jetzt kam ein Besetzungswechsel ...
Während der Lockdowns hatten Pommes und ich uns irgendwie ein bisschen auseinandergelebt, und weil ich fand, dass wir schon zu viel Energie in das Projekt investiert hatten, um aufzuhören, fragte ich Totti, ob er nicht Lust hätte einzusteigen. Mit ihm spielte ich schon von 1990 bis 1998 und ab 2011 bis heute bei THE LEROYS. Er hatte zuerst keine Ukulele und musste sich das ganze Repertoire auf seiner Mandoline draufschaffen, weil die bestellte Ukulele vier Monate lang im Suezkanal feststeckte. Kaum konnte er alles spielen, da tauchte die Uke auf und er durfte noch mal von vorne anfangen.
Du gehst als Solokünstler schon seit einiger Zeit landauf, landab auf Tour. Wie würdest du den Unterschied beschreiben zwischen deinem Solo-Ukulele-Live-Programm und den Songs auf der UKES OF TOMORROW-CD?
Die meisten Gigs spiele ich alleine, egal ob es reine Konzerte sind oder die Mischung aus Konzert und Lesung. Als Autor habe ich mich dazu entschieden, lieber mit anderen Komponisten zusammen Songs zu schreiben, und ich bin für die Texte zuständig. Meine sehr talentierten Freunde One Bar Steve, Nik oder Totti kümmern sich um die Musik. Jemand, den ich da unbedingt noch erwähnen möchte, ist Helge Reich, JAM TODAY, der leider im Mai 2022 gestorben ist, ein furchtbarer Verlust. Helge und ich schrieben drei Songs zusammen für mein erstes Soloalbum, und viele fanden, dass sein „Suffer in subtlety“ der beste Track darauf war. Wie auch immer, die Songs in den Solo-Sets sind eine Mischung aus Eigenkompositionen und Covertracks. Bei UKES OF TOMORROW covern wir nur, das war auch von Anfang an das Konzept. Eigene Songs schreiben Totti und ich zusammen für die LEROYS, zusammen mit Ginger, der Dritten in der Band.
Du trittst inzwischen auch regelmäßig alleine mit deiner Ukulele auf dem Rebellion Festival in Blackpool auf. Wie wirst du dort vom Publikum auf der Accoustic Stage aufgenommen?
Offiziell war ich da dreimal, 2016 bis 2018. 2022 spielte ich in dem Shuttle-Bus, der immer von Newcastle nach Blackpool zum Festival fährt, mein Kumpel Bob macht das als Charity Run. Es gibt Bingo, es werden Spenden gesammelt für Organisationen, die Bob am Herzen liegen, und dazu kommt immer ein musikalisches Rahmenprogramm. Das war im letzten Jahr eben ich. Newts von den ANGELIC UPSTARTS hat auch einen Song gespielt, er war quasi mein Anheizer. Obwohl er natürlich der weitaus bessere Musiker ist. Wie das immer so ankommt, keine Ahnung, ich bin sehr in meinem Tunnel, wenn ich auf der Bühne stehe, ich glaube aber, dass es ganz okay ist. Eventuell spiele ich 2023 wieder dort, oder mit UKES OF TOMORROW. Mal schauen ...
Auf der jetzigen CD „Seconds Of Our Lives“ spielt ihr ausschließlich Coversongs, warum?
Die Entscheidung war auch an die PUKES angelehnt, die haben ja auch lange nur gecovert. Dazu kam noch, dass weder Pommes noch ich jemals wirklich Musik geschrieben haben. Bei Totti und mir ist das natürlich eine andere Sache, wir sind eher wie ein eingeschworenes altes Ehepaar, heben unsere eigenen Stücke aber lieber für die LEROYS auf.
Man merkt, dass ihr die 14 Titel mit Bedacht ausgewählt habt. Die stammen alle von namhaften Bands. Dabei habt ihr euch aber nicht für die offensichtlichen Hits entschieden.
Das wäre ja genauso einfallslos wie die Tatsache, dass man bis heute nur „51st state“ von NEW MODEL ARMY im Radio hört, obwohl die so viele unglaublich gute Songs geschrieben haben. Wenn ich wirklich Fan einer Band bin, dann interessiert mich doch ihr ganzes Schaffen, gerade das, was nicht so offensichtlich ist. Der Katalog von Joe Strummer, Bob Mould oder der einzelnen Mitglieder von THE DAMNED ist so unglaublich vielseitig, ich finde es respektlos, immer nur den alten Kram hören zu wollen. Das sind für mich dann auch keine richtigen Fans, sondern Leute, die hängengeblieben sind, haha.
Die Bandauswahl sagt natürlich sehr viel über eure Sozialisation aus. Mit „Spøgelsesbyen“ ist natürlich auch ein Song einer dänischen Punkband mit dabei, in diesem Falle von KALASHNIKOV. Das ist übrigens mein Lieblingstrack auf eurer CD! Was verbindet dich gerade mit dieser Band?
Danke dir, ich finde ihn tatsächlich auch sehr gelungen. Damals kannte ich KALASHNIKOV nicht wirklich persönlich. Aber sie waren eine extrem gute Live-Band, keine große Show, aber eine tolle Bühnenpräsenz. Natürlich wäre es naheliegend gewesen, „Schlüters Kabinet“ von der ersten 7“ zu nehmen, das Stück, das jeder kennt. Bei der LP waren sie dann auch wieder abgeschrieben, weil angeblich zu poppig. Und da wären wir wieder beim Thema, nicht das zu machen, was die Leute erwarten.
Du bist ja auch Autor des Buchs „Wie aus mir kein Tänzer wurde“, im dem du autobiografisch und sehr charmant über die dänische Punk-Szene der Achtziger Jahre berichtest. Nach fast dreißig Jahren in Deutschland, wie viel Däne steckt immer noch in dir drin?
Ich bin sehr geprägt von der Gegend, wo ich aufwuchs, und der Mentalität der Leute. Meine ganze Familie kam aus Langeland. Ich selber wuchs zwar eine Insel weiter auf, aber das sind schon sehr eigene Menschen. You can take the boy out of Denmark, but you can’t take Denmark out of the boy.
Wo wurden die Songs zu eurer CD aufgenommen?
Aufgenommen haben wir bei mir in der Wohnung im vierten Stock, mit dem mobilen Tonstudio von Joszi Sorokowski. Ein paar Harmoniegesänge und Percussion-Spuren haben wir zum Schluss bei Joszi im Elmshorn gemacht, wo auch gemischt und gemastert wurde.
Wer hat euch produziert? Gab es irgendeine Art Vorbild oder Soundvorstellung, in welche Richtung ihr euch bewegen wolltet?
Produziert hat Joszi, und das war auch so von uns gewünscht, weil wir seine Art zu arbeiten lieben und ihm zu 100% vertrauen. Obwohl Totti zum ersten Mal einiges an Bass und Licks bei sich zu Hause aufgenommen oder vorbereitet hatte, war für uns ganz klar, wir wollten mit einem Produzenten arbeiten. Als klar war, dass Joszi es machen könnte, war die Entscheidung sehr schnell getroffen. Ansonsten gab es eigentlich nur eine Vorgabe: alles an Instrumenten, was wir selber spielen können, ist erlaubt. Einfach um ein wenig mehr Abwechslung für die Zuhörer:innen zu schaffen. Soundvorstellungen hatten wir jetzt nicht so, als Vorbild könnte man vielleicht „March Of The Giants“ von TV Smith erwähnen, für mich die perfekte Mischung aus vorrangig akustischen Instrumenten und Protestliedern.
Bemerkenswert ist auch der megacoole Look von euch beiden auf den Fotos der CD. Ihr seid ganz schön coole Sahneschnittchen, sagte dazu eine Freundin von mir. Wie wichtig ist euch euer Styling? Oder seid ihr einfach nur unbewusst so gut gekleidet?
Jetzt werden wir gleich ganz rot ... Der Grund für den Look ist eigentlich ganz pragmatisch. Dadurch, dass Totti und ich in zwei Bands zusammenspielen, dachte ich, dass es sinnig wäre, wenn diese sich optisch unterscheiden würden. Wir sind beide große Fans der Serie „Peaky Blinders“, das passt auch ein bisschen zur Ukulele, Banjole und Mandoline. Bei den LEROYS sind wir dann eher in Jeans und Band- oder Polit-Shirts unterwegs. Ich mag es einfach, wenn es auch so aussieht, als hätten sie sich was dabei gedacht, wer auch immer auf der Bühne steht.
Ihr habt eure CD teilweise über eine Crowdfunding-Aktion finanziert. Läuft die noch?
Das Crowdfunding ist zu Ende. Wenn dieses Heft erscheint, wird das Album auf den gängigen Download/Streaming-Plattformen zu hören sein, für diejenigen, die eher so unterwegs sind. Alle anderen, die lieber etwas in den Händen halten, können die CD auf Bandcamp, Discogs oder wo auch immer bestellen. Wir möchten uns hier auch noch mal aufrichtig und explizit bei allen bedanken, die uns mit Vorbestellungen während der Kampagne unterstützt haben. Eure Hilfe hat alles wirklich sehr viel einfacher gemacht! Thanx!
Wie sieht es in den kommenden Monaten mit Auftritten aus?
Ich hoffe, dass die Konzertlandschaft sich im Frühjahr 2023 endlich halbwegs normalisiert hat. Es sind schon einige Shows geplant, aber es kann nie genug sein – und um Totti zu zitieren: „Wir wollen einfach nur spielen!“ Auch sehr gerne für einen guten Zweck, solange wir nicht bloß als Hintergrundbeschallung herhalten müssen.
Noch irgendwelche abschließenden Worte?
Unsere Art, Musik zu machen, kostet Geld, wir haben uns bewusst dafür entschieden, mit einem professionellen Studio und mit einem Produzenten unseres Vertrauens zu arbeiten. Wir leben nicht davon, Musik zu machen, sondern wir leben dafür. Bands wie wir können nur durch Live-Konzerte und Tonträger- und Merchverkauf existieren, Streaming-Gedöns bringt uns rein gar nichts. Ich verstehe ja, dass viele Menschen sich nicht noch mehr Zeugs in der Wohnung holen wollen, Nachhaltigkeit und so weiter. Aber sobald nur noch die Option bleibt, ein neues Album online zu stellen, nachdem es fertig ist, damit die Leute es sich für lau anhören können, ist das der Tag, an dem ich aufhören werde, ins Studio zu gehen. Das lohnt den Aufwand beziehungsweise die Kosten einfach nicht mehr. Wenn man selber keine Tonträger braucht, kann man ja ein Exemplar kaufen, sich die Songs auf sein iPod, PC, Telefon ziehen und es an jemanden mit weniger Geld verschenken. Vielen Dank für das Interesse und vielleicht bis demnächst im Club eurer Wahl.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #166 Februar/März 2023 und Helge Schreiber
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #166 Februar/März 2023 und Helge Schreiber