TWIN RED klingen, als hätte man sie Mitte der Neunziger in Karbon eingefroren – wie Han Solo in „Star Wars“ – und jetzt erst wieder aufgetaut. Die Jungs aus Hannover lassen ihre Gitarren klingen wie DINOSAUR JR., PAVEMENT oder die Würzburger Indie-Darlings MILES. Und das, obwohl der Altersdurchschnitt der Band gerade mal 24 Jahre beträgt. Szenekennern aus Niedersachsen dürften die Musiker bereits bekannt sein, denn TWIN RED hießen vor kurzer Zeit noch CLIENT. und haben unter diesem Namen ein Album und zwei EPs veröffentlicht. Aber jetzt gibt’s einen Neustart unter anderer Flagge, erklärt Sänger und Gitarrist André Förster im Interview.
Wie alt warst du, als Kurt Cobain gestorben ist?
Wann ist der gestorben, 1994? Da war ich ein oder zwei Jahre alt.
Und wer sind deine Lieblingsbands aus den Neunzigern?
An erster Stelle stehen ganz klar bei mir SUGAR. Wir können uns alle in der Band auf PEARL JAM und OASIS einigen. Dann auf jeden Fall auch auf LEMONHEADS und HUM.
Ihr heißt jetzt TWIN RED. Warum nicht mehr CLIENT.?
Es gibt noch eine Elektropop-Band aus England, die CLIENT heißt. Die haben sich die Rechte an dem Namen schon länger sichern lassen. Und da hat es dann irgendwann bei Spotify Konflikte gegeben. So sind sie auf uns aufmerksam geworden und haben uns eine Mail geschrieben, dass wir uns umbenennen sollen, sie hätten sonst bereits einen Anwalt an der Hand. Und weil wir kein Bußgeld riskieren wollten, haben wir uns für den anderen Namen entschieden.
War das für euch nicht frustrierend?
Ehrlich gesagt hatten damit fast schon gerechnet. Wir haben das schon bei der Band DAYLIGHT beobachtet, die sich in SUPERHEAVEN umbenennen mussten. Da ist uns aufgefallen, dass uns das auch blühen könnte. Und kurze Zeit später war es dann auch soweit. Aber das war nicht so schlimm für uns. Wir sind ja keine Riesenband, die zigtausend Fans erreichen muss. Das hat sich dann auch schnell bei unseren Fans herumgesprochen und der neue Name ist etabliert.
Wofür steht TWIN RED?
Wir mussten uns einfach schnell entscheiden und ich wollte irgendwas mit Twin haben. Das hat mir schon immer gut gefallen, ich finde auch „Twin Peaks“ cool. Und außerdem fand ich eine Farbe im Bandnamen gut, deshalb Red. TWIN RED fanden dann alle gut, aber es hat eigentlich keine Bedeutung.
Ich hätte jetzt zuerst an Big Red gedacht, die Kaugummimarke. Gab es mit dem Namenswechsel auch einen musikalischen Wechsel?
Wir haben uns bisher mit jedem Release ein bisschen verändert. Aber diesmal bei „Please Interrupt“ ist der Sprung am krassesten. Wir haben die Gitarren anders gestimmt, die Songs anders aufgebaut. Das hätten wir wohl auch ohne Namenswechsel gemacht, aber vielleicht haben wir uns so einfach mehr getraut.
Kommt ihr aus der Punk- und Hardcore-Szene?
Unser erstes Demo und die erste 7“ waren noch viel punkiger und roher. Damals haben wir uns an Bands wie DAG NASTY und LIFETIME orientiert. Der ganze Hype um TITLE FIGHT hat uns damals auch beeinflusst. Und so hat sich unser Sound entwickelt. Irgendwann haben wir unsere Instrumente besser beherrscht, sind ein bisschen ruhiger geworden und haben mehr mit Melodien experimentiert.
Ich habe spontan an klassische Gitarrenbands aus den Neunzigern wie DINOSAUR JR oder PAVEMENT gedacht.
Da wollten wir auch bewusst hin. Ich stehe einfach auf coolen Gitarrensound abseits des Mainstreams. Und dafür waren die Neunziger einfach die beste Zeit. Bands wie PEARL JAM oder OASIS haben mich zwar nicht geprägt, aber sie beeinflussen mich jetzt, nachdem ich herausgefunden habe, dass es sie gibt. Wir sind natürlich nicht mit diesem Sound groß geworden, aber durch das Internet entdeckt man immer Bands mit diesem Sound.
In den Neunzigern gab es jede Menge solcher Gitarrenbands, aktuell nicht mehr so. Vielleicht YUCK oder BIG DEAL aus England. In Deutschland ist das quasi fast ein Alleinstellungsmerkmal, oder?
Da kenne ich mich gar nicht so gut aus. Wir werden öfter auf die Band SLUT angesprochen, die habe ich mir jetzt mal angehört. Da mussten wir wegen des Bandnamens ein bisschen schmunzeln. Ich höre aktuell gern Bob Mould. Der hat mich beim Songwriting sehr beeinflusst.
Womit verdient ihr euer Geld?
Einer von uns hat eine Ausbildung zum Mechatroniker absolviert und macht gerade seinen Meister. Dann haben wir einen Mediengestalter in der Band und der Rest studiert. Und zwar Anglistik, Berufsschullehramt und ich Gymnasiallehramt mit den Fächerkombination Deutsch und Geschichte.
Das hört an, als ob ihr als Musiker nicht alles auf eine Karte setzt. Welche Ambitionen habt ihr als Band?
Die Band ist mir schon sehr wichtig, das ist definitiv mehr als ein Hobby neben dem Studium. Aber ich bin realistisch oder pessimistisch, je nachdem, wie man es sieht. Wenn ich mich darauf verlassen würde, irgendwann genug Geld mit der Musik zu verdienen, wurde ich, glaube ich, enttäuscht werden. Mit unserem Sound sprechen wir einfach nicht die Masse an. Wenn wir jetzt ein halbes Jahr eine große Tour spielen könnten, würde ich wahrscheinlich mit dem Studium pausieren, aber sich komplett auf das Leben als Musiker einlassen, davon ist keiner in der Band überzeugt.
Welche Rolle spielt das Thema D.I.Y. für euch? Was macht ihr selbst, was gebt ihr ab?
Selbst machen wir natürlich erst mal die Musik, aber zum Beispiel auch das Plattencover. Sonst geben wir eigentlich viel weiter, aber in einen familiären Kreis. Ein Kumpel von uns dreht unsere Videos. Und mit Pascal von unserem Label Evil Greed sind wir auch schon lange befreundet, deshalb hat er uns gefragt, ob wir die nächste Scheibe gemeinsam herausbringen wollen.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #127 August/September 2016 und Wolfram Hanke
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #126 Juni/Juli 2016 und Wolfram Hanke