TUPAMAROS gelten schon lange nicht mehr nur als "Geheimtip" in Sachen deutscher Emo/Hardcore. Mittlerweile existiert die Band aus Solingen schon seit vier Jahren mit wechselnder Besetzung und ist mit fast 2000 verkauften Exemplaren des Erstlings "Our modern past" der "Bestseller" ihres Labels Scene Police. Andauernd ist die Band auf irgendwelchen Bühnen zu sehen und hat schon Touren durch England, die USA oder Japan absolviert. Ihre Meinung zum Trendbegriff "Emo", den stimmlichen Vergleich zu Robert Smith in der Presse oder auch, warum sie einen japanischen Song im Repertoire haben, verrieten mir Sänger Christian, Drummer Marius und die beiden Gitarristen Marcel und Markus Mitte Oktober.
Müßig, über Bandnamen zu spekulieren, aber in eurem Falle sieht die Sache etwas anders aus: der Name TUPAMAROS ist nicht gerade gewöhnlich für eine Band aus dem HC-Bereich. Also wie kam es zu der Namensgebung und welche Bedeutung hat er für die einzelnen Bandmitglieder?
Markus: "Ich habe mir eigentlich noch keine wirklichen Gedanken darüber gemacht, ich war bis jetzt erst einmal mit den ganzen Songs beschäftigt."
Marcel: "Eigentlich bin ich auch erst zur Band gestossen, als der Name schon existierte, von daher kann ich nur sagen, dass ich hinter diesem Namen und den Aktivitäten der Guerilla stehe."
Christian: "Seit meiner frühesten Jugend habe ich ein Faible für politische Literatur und Geschichte und dabei bin ich auch auf die Tupamaros gestossen, die mich mit ihrem unerbittlichen Willen, mit dem sie sich gegen das damalige faschistische Regime Uruguays auflehnten, sehr beeindruckt haben. Ich kann jedem empfehlen, sich mit politischer sowie sozialer Geschichte zu beschäftigen, denn oft ist nichts aufschlussreicher und lehrreicher als die Vergangenheit."
Im Bezug auf TUPAMAROS fallen oft Vergleiche zu BOY SETS FIRE und GRADE. Wie steht ihr dazu und wie würdet ihr euren Stil definieren?
Markus: "Es ist schon angenehm, mit solchen Bands verglichen zu werden, ich hingegen würde unseren Stil als harten Rock bezeichnen. Besonders wichtig dabei ist für mich persönlich die Emotionalität in der Musik! Musik zum Fühlen!"
Marius: "Ich find´s schade, dass immer diese zwei Bands als Vergleich angeführt werden, aber das ist wohl das Naheliegendste, unter dem sich fast jeder was vorstellen kann. Vielleicht ist das auch gut so, da wir dadurch einen "wohlklingenden Stempel" verpasst bekommen. Meiner Meinung nach könnten auch mal Namen wie STARMARKET oder VAN PELT fallen. Das mit dem Stil ist ´ne schwierige Frage, ich sag immer "Punkrock"."
Marcel: "Diese Vergleiche sehe ich als Kompliment an, obwohl ich diese Bands nicht zu meinen Einflüssen zähle. Für mich ist die Wirkung unserer Musik eigentlich das Wichtigste. Ich bin kein grosser Freund vom Schubladendenken, daher würde ich uns als HC Band bezeichnen."
Christian: "BOY SETS FIRE finde ich scheisse und GRADE sind schleimig, obwohl deren erste Platte ganz nett ist. Um zu zeigen, dass BOY SETS FIRE scheisse SIND, zitiere ich aus Thrasher #237 vom Oktober 2000: "The reason I ask why you are on Victory is because Victory is an easy target for a lot of kids. One of the things is that the label scored a porno. How do you feel about it?". Darauf antwortete Rob von BOY SETS FIRE: "We heard about that. IF we were on it, I would have a lot to say about not being happy. A lot of this has been a learning experience, and they are busting their asses. But they are in the BUSINESS OF SELLING RECORDS. They are not really out there to change the world like we are." Ja klar!! Zu deine Frage: Unsere Musik würde ich als eine Mischung aus HÜSKER DÜ, UNSANE und NATIVE NOD bezeichnen."
Ihr scheint euch also nicht nur an einem Stil zu orientieren. Welche Bands betrachtet ihr als Wegweiser für TUPAMAROS und welche Musik hören die einzelnen Mitglieder privat?
Christian: "Musikalisch sind bei mir fünf Bands zu nennen, die mich in meiner Weise bei TUPAMAROS zu singen, beeinflusst haben. Mein melodischer Gesang ist vor allem von SERPICO geprägt. Der Sprechgesang, der für mich immer noch ein wesentliches Element des traditionellen Emos und die beste Möglichkeit ist, meine Gefühle und Gedanken dem/der HörerIn deutlich zu machen, kommt von meiner absoluten Liebe zu Bands wie MOSS ICON oder auch NATIVE NOD. Mein Schreigesang ist sicherlich geprägt von alten New School-Bands wie 108 oder FUNCTION."
Marcel: "Ich versuche schon, mehrere Einflüsse in unsere Musik zu integrieren, obwohl ich minimalistisches Gitarrenspiel bevorzuge. Einflussreiche Bands sind vor allem THE VAN PELT und deren Vorgänger NATIVE NOD."
Marius: "Ich denke, dass wir mittlerweile eine Art eigenen Sound haben und der Kenner ihn schnell als TUPAMAROS einordnet. Ich persönlich habe mich da aber von Bands wie WEEZER, HELMET oder auch FUGAZI leiten lassen."
Markus: "Ich versuche eigentlich bei den Songs immer ganz objektiv vorzugehen. Aber im Unterbewusstsein prägen die Bands, die man selber gerne hört, schon seine eigenen Ideen. Meine Lieblingsbands sind auch THE VAN PELT und alles, was deren Sänger Chris Leo ins Leben gerufen hat. Der Mann ist Rock´n´Roll..."
Der Begriff "Emo" avanciert im Moment zu einem Modewort und scheint von vielen Bands geprägt zu sein, die auf die momentane Erfolgswelle dieser Sparte aufspringen wollen. Wie denkt ihr über diesen sogenannten "Emo-Trend"?
Marcel: "Ich finde, dass kaum eine Band, die heutzutage als "Emo" bezeichnet wird, wirklich Emo ist, da sonst jegliche Art von Musik als "Emo" bezeichnet werden könnte. Ich würde sie eher als "independent" bezeichnen. EMO wurden Bands wie MOSS ICON oder diverse Dischord-Bands genannt, aber alles in allem denke ich, dass dieser Begriff nur von der Musikindustrie als neues Label verwendet wurde um ihre Produkte zu kategorisieren."
Markus: "Hey, was ist "Emo"? Nee, im Ernst, ich mag´ solche Begriffe nicht besonders. Es gibt halt verschiedene Wörter, die sich jeder selbst so zusammensetzen kann bis er die passende Bezeichnung für eine Band oder einen Musikstil gefunden hat! Wow, das ist einfach! So ist bestimmt für jeden was dabei. Marcel, was sind wir eigentlich?"
Marcel: "ScreamoMetalNoisePunkrawk! Haha!"
Markus: "Hihi, genau!"
Christian: "College Rock ist nicht "Emo". Das ist wohl das Einzige, was ich dazu sagen kann. Ich würde den derzeitigen Trend als "The Great Emo Core Swindle" bezeichnen."
In Besprechungen eurer Veröffentlichungen wird oft der stimmliche Vergleich zu Robert Smith von THE CURE gezogen, was für eine HC-Band auch nicht gerade typisch ist. Gefallen euch THE CURE oder ist der Vergleich eher reiner Zufall?
Christian: "Ich habe in meinem Leben nicht einmal bewusst THE CURE gehört, geschweige denn eine Platte von denen besessen. Vielleicht kommt der Vergleich wegen meines oft sehr hohen Gesangs auf, keine Ahnung. Ich sollte mir wahrscheinlich mal eine Platte von denen zulegen."
Markus: "Ein Wahnsinnskompliment für uns. Ich mag THE CURE sehr gerne. Marcel und ich haben die mal live gesehen. Oh Gott, diese ganze Stimmung während des Konzertes, das war unglaublich schön. Fast zum Weinen, aber "Boys don´t cry", lalala..."
Marcel: "Hammer Band, Hammer Musik! Eine Ehre, mit denen verglichen zu werden! Thanx!"
Wie kamt ihr zu Scene Police und wie gefällt es euch dort?
Alle: "Dennis von Scene Police studiert mit Christian zusammen in Bonn, begleitet uns seit den letzten anderthalb Jahren bei fast all unseren Konzerten und ist uns allen ans Herz gewachsen. Manchmal müssen wir auch bluten, in welchem Sinne auch immer. Als wir dann die Lieder für "Our modern past" aufgenommen hatten, war dann auch schon ganz klar, dass wir das nur auf Scene Police rausbringen würden, weil uns sonst auch keiner haben wollte, hehe."
Durch den Bandnamen ist ja schon zu ersehen, dass ihr auch in textlicher Hinsicht keine typische "Hau drauf"-HC-Band mit stumpfsinnigen Lyrics seid. Wovon handeln sie hauptsächlich?
Christian: "Hauptsächlich beziehen sich meine Texte auf das soziale wie auch politische Verhalten des Menschen im Allgemeinen. Zentrale Punkte sind hier vor allem die Verantwortung, die der Mensch in seinem Handeln gegenüber seinen Mitmenschen, der Natur und den Tieren hat, und vielleicht das Ziel, uns von allen unnötigen und komplizierten Dingen, die das Leben in einer westlich, kapitalistisch geprägten Gesellschaft mit sich bringen, zu befreien. Zu nennen sind hier Arbeit, massloser Konsum und alle anderen Luxusbedürfnisse, die uns von der Industrie aufgedrückt werden. Inspirierend sind hier jegliche Texte, die sich mit dem Gedanken einer freien bzw. staatsfreien Gesellschaft oder mit dem Wert der Natur beschäftigen."
Was hat es mit dem japanischen Song "Nami" auf sich?
Christian: "Der Text ist sehr persönlich und deshalb auch in einer Sprache, die hoffentlich niemand versteht. Die Lieder, die wir zur Zeit neu machen, sind zum Teil auf Deutsch, vielleicht mache ich dadurch deutlicher, was ich eigentlich ausdrücken will, denn eine Menge meiner alten Texte sind sehr zweideutig. Ich fände es auch ganz cool, wenn Menschen auf mich zukommen wenn sie über die Texte diskutieren wollen."
Eure aktuelle EP habt ihr auch als 10" veröffentlicht. Bevorzugt ihr privat eher CDs oder das klassische Vinyl?
Markus: "Platten waren und sind schon immer schöner gewesen. Halt nur ein wenig nervig beim Kuscheln, wenn man die Seite wechseln muss."
Marcel: "Es gibt Bands, die ich mir nur auf Vinyl kaufe und wiederum Bands, die einfach besser auf CD klingen..."
Christian: "Ganz meiner Meinung."
Ihr seid ja eine sehr aktive Liveband mit 50 bis 100 Gigs pro Jahr. Mit wem habt ihr so getourt habt, ist einem da jemand besonders "ans Herz gewachsen"?
Marcel: "Yo, das mit den Auftritten ist echt ´ne schöne Sache und wir freuen uns über jeden weiteren. Also, ans Herz gewachsen sind uns AT THE DRIVE IN und ENVY aus Japan. Mit denen hatten wir wirklich eine coole Zeit. Und natürlich unsere Local-Freunde LOCKJAW! Neu dazugekommen sind HUNTERGATHERER aus den USA, mit denen wir dort getourt sind."
Christian: "Nicht zu vergessen sind die Chaos-Math-Rocker LEARY aus Monheim, die mit uns in Japan waren und mit denen wir schon ´ne Menge lustige Konzerte gespielt haben."
Ihr sprecht es schon an: TUPAMAROS waren ja mittlerweile schon in England, Japan oder den USA unterwegs. Wo gefiel es euch am besten und, wenn es überhaupt Unterschiede gab, an welches Land habt ihr die schönsten Erinnerungen bezüglich der Publikumsreaktionen?
Alle: "Die besten Shows haben wir in Japan gespielt, es waren halt die meisten Leute dort und die beste Publikumsreaktion. England war sehr kurz, aber wir hatten echt ´ne Menge Spass dort und haben nette Menschen dort getroffen. Amerika ist krass, man kann dort echt Supershows spielen, aber auch richtig Pech haben und nur vor drei Leuten stehen. Wir alle denken zurück an den unvergesslichen Abend im Brass Mug, die erste Show in Florida..."
Seit kurzem habt ihr mit Markus einen zweiten Gitarristen. Habt ihr vorrangig an den Livesound gedacht oder wie ist es dazu gekommen?
Markus: "Das passierte folgendermassen: eine Freundin und ich begleiteten TUPAMAROS zu einer Show in Münster. Vor dem Auftritt standen wir alle zusammenstanden und sprachen über den nächsten Auftritt von TUPAMAROS in Schweinfurt. Das bedeutete: grosse Bühne, geiler Sound und bestimmt viele Leute. Christian fragte mich ganz nebenbei mehr aus Spass, ob ich nicht Lust hätte, für diesen wichtigen Auftritt als zweiter Gitarrist auszuhelfen, und da Marcel und ich uns sowieso schon hassten, machte ich mir halt Gedanken darüber und willigte ein. Und ehe ich mich versah, stand ich schon bei einem Auftritt in Bonn in der "Klangstation"mit auf der Bühne. Mit einer einzigen gemeinsamen, vorausgegangenen Probe! Das klappte dann ganz gut und so wuchsen wir dann so zusammen, dass wir uns auch nicht mehr trennen wollten."
Christian: "Ohne Markus kann ich mir TUPAMAROS gar nicht mehr vorstellen."
Marius: "Wir haben Markus aufgrund unserer Liveerscheinung engagiert, da zwei Mützen einfach besser aussehen, hahaha."
Eure neu gestaltete Homepage ist sehr aufwendig gestaltet und seit einiger Zeit im Netz. Ist das Medium Internet für euch ein wichtiger Aspekt oder seht ihr es eher nur als nettes Werbemittel?
Marcel: "Aufgrund der Zugriffszahlen kann man schon sagen, dass das Internet ein wichtiges Medium bildet, wobei für uns aber immer noch das Livespielen das Schönste ist! Ein gutes Werbemittel ist es allemal."
Habt ihr euch schon mal überlegt, wo ihr mit TUPAMAROS in ein bis zwei Jahren stehen wollt und würdet ihr eure Jobs für die Band sausen lassen, wenn ein entsprechendes Angebot käme?
Markus: "Ich persönlich mache mir wenig Gedanken über die Zukunft. Ich denke, wir haben alle ´ne tolle Zeit als Band und im Vordergrund steht auf jeden Fall der Spass, den wir zusammen haben. Wenn ein Angebot käme, wäre ich natürlich verdammt glücklich, da dies ja sicherlich der Traum eines jeden Musikers ist, mal von der Musik zu leben bzw. einen Teil seines Lebensunterhaltes zu verdienen. Wobei das bei dieser Art von Musik recht utopisch ist."
Marcel: "Wird sich zeigen, was wir in zwei Jahren machen werden... Ausserem haben wir ja gar keinen schlechten Deal mit Dennis von unserem Label Scene Police. Er hat uns schliesslich einige Sachen ermöglicht, wovon wir vor einiger Zeit nur geträumt haben. Wenn ein Angebot von einem grossen Label käme, würde ich, sofern alle Konditionen stimmen, die Möglichkeit, so viele Menschen zu erreichen wie möglich, annehmen. Vinyl nur auf Scenepolice, oder Dennis?! Haha!"
Christian: "Ich mach für Geld alles. Dann kann ich endlich mal meine Gerichtskosten bezahlen."
Gerichtskosten? Sonst noch ein Anliegen?
Marcel und Marcus: "Scene Police Family forever!!! Grüsse an den Onkel!"
Marius: "Schaut euch Solingen, die Punkrawkcity #1, an!! Grüsse an die LOCKJAW-Boys, und treibt mehr Sport!"
Christian: "Vegan und drogenfrei siegt. Jeden zweiten Sonntag um 13 Uhr heisst es "Food not Bombs" auf der Domplatte in Köln. Kommt und helft mit!"
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