TOM HOLLISTON

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No more NOMEANSNO

An einem trüben Novembertag des vergangenen Jahres gab es eine musikalische Sternstunde in Duisburgs Jazzspelunke Djäzz, als Tom Holliston, Ex-Gitarrist von NOMEANSNO, und die brillante Selina Martin die Besucher*innen mit ihren akustischen Arrangements in den Bann zogen. Ich kann mich nicht mit allen Auswüchsen der Singer/Songwriter-Gilde anfreunden, aber Toms und Selinas spitzfindig-schelmische Texte haben mich direkt mitgerissen. Offensichtlich ging es nicht nur mir so, denn das Djäzz war an jenem Dienstag gut gefüllt. Ich verwickele Tom vor dem Konzert in ein Gespräch über Unruhestand, Wertstoffrückgewinnung und Bären. Die beiden sind im Mai/Juni wieder in Europa unterwegs. Verpasst sie nicht.

Ich will mal das Unangenehme vorwegnehmen, auch wenn das schon ein paar Jahre zurückliegt. Es gab am 25.09.2016 einen Beitrag auf der Facebook-Seite von NOMEANSNO, der wohl nicht nur mich ziemlich auf kaltem Fuß erwischt hat. Dann gab es verschiedene Quellen im Netz, aus denen hervorging, dass du derjenige warst, der aus der Band ausgestiegen ist. Ist dem so?


Es war John, der dort schrieb, dass NOMEANSNO in den Ruhestand gehen. Ja, ich bin vorher ausgestiegen, weil ich eben nicht in den Ruhestand gehen wollte. Ich weiß nicht genau, wie John darüber denkt, aber ich glaube, er wollte ebenso wie ich noch ein Album machen und vielleicht auch noch mal touren. Sagen wir es mal so, Rob kommuniziert nicht wirklich gut mit John und mir. Er hat zu mir nie wirklich direkt gesagt, dass er aufhören will. Wir hatten auch so privat nicht sonderlich viel Kontakt zueinander. Wie auch immer, das ist seine Entscheidung. Aber gut, ich habe irgendwie mitbekommen, dass er die Band in den Ruhestand schicken wollte, aber wie gesagt, das wollte ich auf keinen Fall. Deswegen bin ich vorher aus der Band ausgestiegen. Auch um zu zeigen, dass ich vorhabe, noch etwas anderes zu machen.

Ich habe gedacht, ihr hättet ein engeres Verhältnis. Viele Leute waren sehr bestürzt, dass ihr keine Abschiedstour gemacht habt. Da wird wohl auch keine mehr kommen, oder? Es sah so aus, als ob ihr für immer und ewig touren würdet. Manche wetteten sogar heimlich darauf, dass ihr auf der Bühne den Löffel abgebt. Das unerwartete Aus war unfassbar für viele eurer Fans.

Nein, es wird leider keine Abschiedstour mehr geben. Ich habe uns auch gerade live auf der Bühne als unglaublich stark empfunden. NOMEANSNO waren eine absolute Live-Band. John und ich würden auch sicher noch mal zwanzig Shows in Europa spielen, auch um allen zu danken. Gerade den ganzen Veranstaltern, die sich immer so viel Mühe gegeben haben und um auf Wiedersehen zu sagen. Aber Rob möchte das nicht und das akzeptiere ich selbstverständlich. Ich wünsche ihm wirklich alles Gute. Allerdings habe ich das Thema in der letzten Zeit ein wenig aus meinen Kopf verbannt.

Sicher ist das auch gesünder, nicht mehr drüber zu grübeln. Dadurch kannst du dich jetzt mehr auf deine Projekte konzentrieren. So hart das auch ist.

Für mein Gehirn war das auf jeden Fall besser, irgendwann einen Schlussstrich zu ziehen. Aber wie gesagt, ich kann Rob nicht wörtlich zitieren, weil er nie mit mir darüber gesprochen hat. Ich bin sicher auch enttäuscht. Wenn man annimmt, man ist mit jemandem befreundet und so über die Jahre doch eine gewisse Nähe entstanden ist, und plötzlich macht der andere einen solchen Schritt, ohne in irgendeiner Weise mit dir darüber zu kommunizieren, dann kannst du am Ende nichts dagegen machen.

Klar, nach all den Jahren ist das sicher bitter.

Wir haben uns in den letzten vier, fünf Jahren vielleicht ein Mal gesehen. John sehe ich dafür öfter, er wohnt vierhundert Meter von mir entfernt. Ich spiele keine große Rolle in ihrem Leben, das ist mir klar und das akzeptiere ich auch. Es hatte sich lange angefühlt, als wäre ich einfach der Ersatz für Andy Kerr. Und es war auch sehr lange noch so, dass Leute zu mir meinten: „Oh, ich habe dich 1989 gesehen!“ Dazu habe ich natürlich irgendwann nichts mehr gesagt. Die erste Show, die ich mit NOMEANSNO gespielt habe, war 1992. Andy und ich haben damals zusammen in einer Wohngemeinschaft gewohnt. Nun, schließlich kann ich mich wirklich glücklich schätzen, dass die Jungs damals darauf bestanden haben, dass ich in die Band einsteige, als Andy in die Niederlande ging. Ich wollte das eigentlich nicht. Ich mochte die HANSON BROTHERS, aber für die war ich meiner Meinung nach nicht gut genug beziehungsweise ich hätte meinen ganzen Stil umstellen müssen. Das wäre zu schwierig gewesen. Am Ende habe ich mich nie als großartigen Gitarristen betrachtet und war immer auch ein bisschen dankbar, überhaupt mit NOMEANSNO spielen zu können.

Ich befürchte, die HANSONS sind somit auch auf Eis gelegt?

Ich hatte überlegt, ob es sich lohnt, noch mal mit den HANSONS zu touren. Vielleicht interessieren sich die Leute nicht mehr so dafür. Tendenziell würde ich es machen, wenn das für Rob okay ist. Ohne Robs Segen geht das natürlich nicht. Aber es wären nur ein paar Shows.

Du hast Gitarre spielen von Rob gelernt?

Ja, Rob war ein guter Lehrer. Er war nicht immer wirklich geduldig – meist war er eher sehr ungeduldig. John dagegen war immer hilfreich und ist generell ein sehr entgegenkommender, zugänglicher Musiker. So es hat dann gut mit uns geklappt und nach vier, fünf Jahren habe ich mich dann auch mehr und mehr wohl gefühlt. Aber ich wollte eigentlich nie für andere Gitarre spielen, ich wollte einfach meine eigenen Songs schreiben. Als ich ein kleiner Junge war, dachte ich immer, wenn man Künstler ist, nimmt man ein Instrument in die Hand und spielt seine eigenen Stücke. Ich hätte niemals daran gedacht, die Sachen von jemand anderem zu spielen.

Hast du in deinem Leben noch etwas anderes gemacht, außer Gitarre zu spielen?

Ich habe lange für das kanadische National Radio gearbeitet. Dieser Job war richtig genial, denn ich habe generell gern Radiosendungen gemacht. Aber leider existiert diese Art Radio zu machen nicht mehr, so wie man es kannte. So ist der Lauf der Dinge. Später war ich dann lange in einem Museum angestellt, bis die staatliche Unterstützung gestrichen wurde und somit auch die Zuschüsse für den Job. Im Moment arbeite ich in einem kleinen Recyclingunternehmen in unserem Dorf, das macht mir wirklich eine Menge Spaß. Ich bin der verschrobene Recyclingtyp, die Leute kommen mit ihrem Müll zu mir und ich erkläre ihnen, was recyclet werden kann und was nicht. Ich bringe auch Kindern bei, wie das mit dem Recycling funktioniert, was ich extrem wichtig finde. Ich zeige ihnen, was ihre Art einzukaufen bewirkt.

Wo wir gerade bei alten Dingen sind, was ist eigentlich mit den SHOW BUSINESS GIANTS? Ich hörte von Ford Pier, dass da was im Busch ist.

Wahrscheinlich werden wir im September 2020 ein Konzert an Fords fünfzigstem Geburtstag zusammen spielen. Ford versucht, an dem Tag etwas mit ALICE DONUT zu arrangieren, und dann werden wir ein Konzert in Johns Bar in Powell River und eines in Vancouver spielen. Eventuell wird ein Freund von mir, Simon Wells von SNUFF, für uns die Show eröffnen. Ich hoffe, dass er für ein paar Wochen bleiben und ein paar Konzerte im kleinen Rahmen spielen wird. Und insgeheim spekuliere ich darauf, dass er, wenn er im September kommt, von einem Bären gejagt wird. Ich werde alles daran setzen, das habe ich ihm in die Hand versprochen. Die Chancen stehen gerade dann nicht schlecht, denn September ist der beste Monat, um viele Bären bei uns in der Ecke zu sehen. Sie futtern sich bei uns am Fluss mit Lachsen den Winterspeck an. Also merke dir, wenn du Bären sehen willst, dann komm im September. Vielleicht jagt dich dann auch einer.

Das werde ich unbedingt beherzigen. Noch mal schnell zu deiner jetzigen Arbeit, bevor die Show gleich losgeht. Was ist dir gegenwärtig wichtig, wenn du deine Songs schreibst?

Am Ende möchte ich, dass die Leute einen guten Abend haben, dass sie relaxen und Spaß haben. Ich will ihnen nicht Dinge sagen, die sie sowieso schon wissen, weil sie die Nachrichten sehen oder persönlich direkt mit dem Mist konfrontiert sind. Meiner Meinung nach brauchen die Leute niemanden, der ihnen sagt, wie schlecht die Dinge im Moment laufen. Das ist ja offensichtlich. Vielleicht wollen sie einfach nur tanzen und die Welt für einen Moment vergessen.