Nostalgie war eigentlich noch nie Teil von Punk. Trotzdem gibt es immer wieder Bands und Fans, die euphorisch von der guten, alten Zeit schwärmen. Und es gibt auch einen ganz bestimmten Musikstil, den man damit verbindet. Die fünfköpfige Band THIS MEANS WAR! aus den Niederlanden – zusammengewürfelt aus Leuten von DISCIPLINE, HIDDEN GUNS, SUPERHERO STATUS und CONVICT – spielen eben genau diesen und veröffentlichen nun mit „Heartstrings“ ihr erstes Album mit einer vollen Packung Hymnen. Sänger Bert Van Dyck gibt uns bereitwillig Auskunft.
Bert, was genau braucht man für eine richtig überzeugende Hymne?
Meiner bescheidenen Meinung nach ist das ein Stück, das dir noch tagelang im Kopf hängenbleibt. Eines, das dich vom ersten Moment an, wenn es aus der Anlage donnert, einfach massiv bewegt und komplett anfixt. Und zu guter Letzt kann man so ein Lied natürlich auch immer richtig gut mitsingen.
Wie läuft es bei THIS MEANS WAR!, seid ihr eine sehr disziplinierte Band mit strikten Proberaumzeiten?
Na ja, diszipliniert sein ist jetzt nicht wirklich Punk, haha. Wenn du in dieser verrückten Musikindustrie irgendwas erreichen möchtest, dann musst du dir immer den verdammten Arsch aufreißen, sehr viel arbeiten und noch mehr Opfer bringen. Im letzten Sommer haben wir sehr viel Zeit in einem dunklen Proberaum verbracht, während unsere Freunde mit Cocktails draußen am Strand abhingen. Aber wenn du dann auf der Bühne bist, dann weißt du genau, wofür du die Mühe auf dich genommen hast.
Wie beeinflusst Punk heutzutage dein Leben, im Vergleich mit deinen Erinnerungen als Jugendlicher?
Die meisten Leser werden das ähnlich sehen: Punk ist eine Lebenseinstellung. Es geht nicht nur um die Musik, sondern auch um die Botschaft, die Punkbands in ihren Texten vermitteln wollen. Es geht darum, aktiv zu sein, sich gegen das Establishment zu wenden und seine Stimme bei Ungerechtigkeit laut zu erheben.
Und wenn du für zehn Sekunden die Aufmerksamkeit der kompletten Welt hättest, was würdest du dann laut sagen?
Ich würde Joe Strummer zitieren mit: „People can change anything they want to, and that means everything in the world.“
Nahezu alle Songs auf „Heartstrings“ lassen sich prima mitsingen und sind gut für ein Konzert geeignet, das ist richtig viel wert. Wie wichtig ist dir die Interaktion mit dem Publikum?
Danke fürs Kompliment. Wenn ich eines über die Jahre gelernt habe, dann, dass die Interaktion mit dem Publikum für eine Punkband das Wichtigste ist. Ich hasse es, Backstage rumhängen zu müssen, und mische mich viel lieber unter die Menge, um die Leute genau kennen zu lernen, die zu unseren Shows kommen und unsere Platten kaufen.
Das Coverartwork von „Heartstrings“ unterscheidet sich deutlich von dem eurer vorangegangenen EP. Wie sehr beschäftigt ihr euch mit Grafik, Schriftarten und solchem Zeug?
Zak von Pirate Press Records kam auf die Idee mit dem Soldaten für die EP, das hat uns damals ziemlich gut gefallen und wir mochten den Ansatz. Für das erste Album kontaktierte ich aber Ernst-Jan Smits, den Gitarristen von ALL FOR NOTHING. Er ist Tätowierer und hat auch das letzte Album für seine eigene Band gestaltet. Seine Designs haben mich schon immer so beeindruckt, dass ich unbedingt seine Hilfe wollte. Er willigte sofort ein und das Ergebnis ist überragend.
Abgesehen vom Punkrock höre ich auf „Heartstrings“ auch öfter mal Anklänge aus dem Hardrock, zum Beispiel am Ende von „Off with their heads“. Wie offen seid ihr generell anderen Musikrichtungen gegenüber?
Wir haben bei THIS MEANS WAR! natürlich alle einen ganz unterschiedlichen Background. Unser Bassist Carlo hat beispielsweise das Wort „Street Punk“ ganz breit auf seinem Körper tätowiert. Unser Gitarrist Dave spielte schon bei BACKFIRE! und LENGTH OF TIME, unser Gitarrist Robbie hat schon in unterschiedlichen Skapunk-Bands gespielt, von daher ... Ja, es ist kein Geheimnis, dass wir unterschiedliche Stile zu unserem ganz eigenen Sound mischen. Grundsätzlich sind wir da völlig offen, aber Techno würde sich jetzt natürlich eher schwierig in unsere Musik integrieren lassen, haha.
Für den Song „Greed is out“ habt ihr einen Teil der stark emotional aufgeladenen Rede von Eli Sunday aus dem Film „There Will Be Blood“ von Paul Thomas Anderson mit Daniel Day-Lewis in der Hauptrolle verwendet. Warum habt ihr genau diese Szene genommen?
Daniel Day-Lewis ist für mich einer meiner absoluten Lieblingsschauspieler und als wir das Lied im Studio aufgenommen hatten, kam es mir absolut richtig vor, genau diese Szene aus dem Film zu nehmen. Im Text dieses Songs geht es ja um den modernen Kapitalismus. Dass die Menschen immer nach mehr Geld streben, größere Häuser und immer noch dickere Autos haben wollen. Wir wollen alle immer mehr und vergessen diejenigen, die leider nicht so mit Glück gesegnet sind. Dabei können kleine Dinge im Leben schon wirklich große Veränderungen bewirken.
Mit Carlo und Dave habt ihr bei THIS MEANS WAR! zwei Quasi-Neue. Wie beeinflussen die beiden die Band, persönlich und in kreativer Hinsicht?
Carlo kam schon vor einem Jahr zu uns und Dave ist jetzt seit einem halben Jahr dabei. Da wir uns 2017 gegründet haben, ist die Band ja sowieso noch relativ jung. Aber ihr Beitrag ist enorm, beide haben viel Erfahrung und können so viel einbringen, noch dazu lässt sich super mit ihnen abhängen. Sie haben einen sechsten Sinn zum Schreiben von Punk-Hymnen!
Eure Platte „Heartstrings“ hat melodischen Streetpunk als Basis, vermag es aber trotzdem, davon ganz viele Varianten zu zeigen, so dass man die knappe halbe Stunde gut in einem Rutsch durchhören kann. Meiner Meinung nach ist so etwas sehr wichtig. Wie sehr achtet ihr auf solche Dinge?
Die Frage ist schwer zu beantworten. Es ist unser erstes Album und auch das erste, das wir in dieser Konstellation geschrieben haben. Der Schreibprozess an sich ging schnell und wie von selbst vonstatten, wir haben uns nicht darum gekümmert, ob dann letztendlich alles zusammenpasst. Am Ende hat es das dann. Aber als wir die Songs schrieben, waren wir uns darüber noch nicht im Klaren. Unbewusst haben wir eventuell schon darauf geachtet.
Wie muss ein Song sein, damit er zu THIS MEANS WAR! passt?
Purer, roher Punk und er muss auf jeden Fall viele Melodien haben.
Eure Songs erinnern an das, was man als traditionellen Punk beschreibt. So was wird leider heutzutage von neuen Bands nicht mehr oft gespielt. Kannst du dir vorstellen, woran das liegen könnte?
Das ist für uns einer der Hauptgründe gewesen, warum wir überhaupt mit der Band angefangen haben. Ich bin mit Bands wie den COCK SPARRER, SHAM 69, THE BUSINESS, DROPKICK MURPHYS und FLOGGING MOLLY aufgewachsen und es stimmt schon, so viele neue Bands tauchen nicht mehr auf, die diese Musik machen. Aber es gibt auch talentierte, frische Bands wie THE BAR STOOL PREACHERS, GRADE 2, GRIM und noch viele andere. Der Hauptgrund wird wohl sein, dass die Jugendlichen heutzutage viel mehr Möglichkeiten zur Verfügung haben, um ihre freie Zeit zu füllen. Also warum sollten sie dann erst mal mühsam ein schwieriges Instrument lernen und zusammen mit anderen im dunklen, stickigen Proberaum abhängen? Alles immer in der Hoffnung, irgendwann mal auf einer Bühne spielen zu dürfen. Das ist aber wirklich nur meine ganz persönliche Meinung und ich bin mir ganz sicher, dass Underground-Musik immer attraktiv bleiben wird, wenn es für junge Leute darum geht, gegen den Strom zu rudern.
Was habt ihr mit THIS MEANS WAR! in den nächsten Monaten noch vor?
Erst mal möchten wir unser Album „Heartstrings“ so vielen Leuten wie möglich bekannt machen. Das Wichtigste für uns ist aber, dass wir 2019 viel live spielen können. Punk muss man eben einfach live erleben, um den Schweiß, die Tränen und die Leidenschaft spüren zu können. Wir geben mit der Band immer 200 Prozent auf der Bühne, ganz egal, ob wenige oder viele Leute im Publikum sind.
Welches Konzert blieb dir von 2018 ganz besonders in Erinnerung?
Wir haben jetzt gerade beim Any Port In A Storm Festival in Antwerpen gespielt und das Line-up war einfach phänomenal. THE RATCHETS, CRIM, THE BAR STOOL PREACHERS und COCK SPARRER ... Es hat sich für uns angefühlt wie eine Punkrock-Party im Himmel. Auch die Auftritte mit FLOGGING MOLLY und DROPKICK MURPHYS waren super, das sind beides absolute Punkrock-Legenden.
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