THIS LOVE IS DEADLY

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Schrammelnd zum Glück

Erstaunlich, THIS LOVE IS DEADLY wohnen in Berlin und klingen doch ganz anders als die vielen Wahlberliner, die sich sonst so in der Szene tummeln. Frisch und ungewohnt hört sich ihr Anfang 2012 erschienenes Debüt an. Schrammelnde Gitarrenwände und säuselnder Dreampop-Gesang fließen zu einer Mischung zusammen, die Schubladendenker wie mich erst mal vor Rätsel stellt. Also auf nach Frankfurt zum nächsten Konzert und nachgehakt! Rede und Antwort steht gleich das komplette Trio. Sängerin/Bassistin Lisa und Gitarrist Louis kommen eigentlich aus Wiesbaden, da ist Frankfurt natürlich fast ein Heimspiel. Entsprechend ausgelassen ist die Laune backstage – bis ich komme und versuche, ein bisschen Ordnung in die zerwühlten Schubladen zu bringen ...

Ihr habt ja viel positives Echo in Presse und Netz bekommen. Ungewöhnlich daran war, dass sich fast alle Rezensenten sehr schwer damit getan haben, eure Musik einzuordnen, und sich dadurch eigentlich in erster Linie darauf beschränkt haben, nach Parallelen und möglichen Vorbildern zu suchen. Wie beschreibt ihr eure Musik selbst?

Louis: Wir spielen auf jeden Fall alternative Musik mit einem starken Pop-Appeal. Alternative Pop, so kann man es durchaus nennen.

Gibt es sie tatsächlich, die zentralen Einflüsse, nach denen alle gesucht haben?

Louis: Zentral? Das ist schwierig.

Lisa: Das ist sehr breit gefächert.

Auf was könnt ihr euch alle drei einigen?

Louis: Also mit unserer eigenen Musik sind wir uns schon relativ einig, so wollen wir klingen. Was Einflüsse angeht, sind Schnittmengen zum Beispiel SONIC YOUTH oder die BEACH BOYS.

Lisa: Nina Simone!

Louis: Ja gut, das sind so die entfernteren Einflüsse. Die Sixties spielen schon eine Rolle, aber eigentlich eher die psychedelische Sechziger-Ecke, die psychedelischen Sachen von den BEACH BOYS und so. Aber sonst sind Einflüsse eher im Indie- und Underground-Bereich zu finden, klassische Achtziger/Neunziger-Jahre-Indie-Sachen, JESUS & MARY CHAIN, DINOSAUR JR, NIRVANA.

Hubert: Und vom Songwriting her sind die natürlich auch alle sehr, sehr Pop-affin.

Louis: Wir versuchen eine Breite mit unserem Sound zu erzeugen, die so klingen soll wie das, was die BEACH BOYS mit ihren Stimmen hinbekommen haben. Fünf BEACH BOYS und ihre Wand von Stimmen werden bei uns teilweise ersetzt durch Gitarre, Bass und Drums. Ich denke auch, dass es das in der Form schon lange nicht mehr gegeben hat. Also haben wir’s versucht.

Ich habe immer wieder geglaubt, MY BLOODY VALENTINE heraushören zu können. Liege ich da richtig?

Lisa: Auf jeden Fall. Unter anderem.

Louis: Was viele dabei unterschätzen, ist, dass MY BLOODY VALENTINE ja auch schon Sachen gehört haben, die wir jetzt auch hören.

Es geht also eigentlich noch weiter zurück?

Louis: Bevor wir MY BLOODY VALENTINE gehört haben, haben wir auch schon VELVET UNDERGROUND und SONIC YOUTH gehört. Das hört man dann auch raus und erkennt dann auch schon wieder diese Schnittmengen. Als wir schließlich auf MY BLOODY VALENTINE stießen, war natürlich klar, das ist unser Ding.

Hubert: Generationsübergreifend quasi. MY BLOODY VALENTINE haben von den gleichen musikalischen Großvätern gelernt, von denen wir auch gelernt haben. So sollte man das sehen. Musik wiederholt sich ja immer. Im Prinzip gibt es ja schon alles, alles ist gesagt in der Musik. Deswegen geht es jetzt eher darum, wer wie was wo interpretiert. Wie man als neuer Künstler seine persönliche Beziehung zur Musik in die Musik, die man auch selber macht, einbringt. Ich glaube, das ist eher das Entscheidende. Und bei unserer Musik sind es teilweise die gleichen Hintergründe, die MY BLOODY VALENTINE auch hatten.

Louis: Was für uns wichtig war, war vor allen Dingen, einen Sound in die Neuzeit zu bringen, den es so oder so ähnlich schon lange nicht mehr gab und damit ein Fenster für eine neue Hörergeneration zu öffnen. Nach „Loveless“ kam ja gar nichts mehr von MY BLOODY VALENTINE. Gut so, dadurch konnten wir das jetzt machen. Ich trauere schon bestimmten Platten nach wie zum Beispiel „Dark Side Of The Moon“ von PINK FLOYD. Es gab danach nicht annähernd eine Platte, die diese Qualität hatte. Wir haben es uns auf die Fahnen geschrieben, einen guten vorhandenen Sound modern zu machen. Es kommt immer wieder dieser Vergleich mit den Neunzigern, das finde ich einerseits ein bisschen schade, andererseits ist es aber auch ehrlich. Natürlich sind diese Einflüsse da. Vielleicht klingen wir mehr nach Neunzigern, weil die Soundqualität heute so HiFi ist und wir im Gegensatz dazu eher LoFi klingen. Wir wollen schon modern klingen.

Wofür steht „modern“ in diesem Zusammenhang?

Hubert: Mit dem Wort „modern“ muss man schon ein bisschen vorsichtig sein. Man kann ja schließlich auch sagen, der moderne Sound ist das, was sich am besten verkauft. Die Plattenfirmen drehen am Rad, weil sie keine Platten mehr verkaufen, und versuchen dann einfach verzweifelt, irgendwie am Sound zu schrauben.

Louis: Ich denke da eher an „modern“ in dem Sinne, dass man einen Sound kreiert, der sich abhebt. Klar gibt es dieses Wort „Mode“ und wir sind vielleicht nicht „in Mode“. Aber alles, was Mode geschaffen hat, war doch erst mal kreativ und interessant. Wir müssen als Neulinge einfach ein bisschen Frische reinbringen. Was wiederum einschließt, die eigenen Einflüsse einzubringen. Macht ja sowieso jeder. Bis vor ein paar Jahren gab’s ja zum Beispiel diese britische Welle. Da hat ja jeder versucht, zu klingen wie die TALKING HEADS oder so. Und trotzdem war es auf einmal modern, obwohl es ein total alter Sound war. Oder die WHITE STRIPES, KILLERS, KILLS, BLACK KEYS, die klingen alle wie eine total glatt polierte Version von JON SPENCER BLUES EXPLOSION. Das war alles schon mal da, wird halt nur ein bisschen moderner getrimmt. Und es hat Erfolg. Ich meine das jetzt nicht böse, ich mag diese Bands, aber es war einfach nichts Neues, galt aber trotzdem als „modern“.

Wie seid ihr an das Album herangegangen, was war euer Ausgangspunkt und wie hat sich das im Laufe der Zeit entwickelt?

Lisa: Das hat sich in den letzten fünf bis sechs Jahren entwickelt. Seitdem Louis und ich uns kennen und wir beschlossen haben, zusammen Musik zu machen, schreiben wir Songs und nehmen auch zu Hause auf. Wir haben von Anfang an ein kleines Homestudio zusammen aufgebaut, in dem wir immer unsere Demos und Ideen festhalten konnten. Da entstanden die ersten Songs. Bis zum letzten Jahr haben wir dann an diesem Album geschrieben.

Also hat sich die Entstehung über Jahre hingezogen?

Louis: So wie wir heute unterwegs sind, mit Hubi an den Drums, gibt es uns eigentlich erst seit zwei Jahren. Vorher haben Lisa und ich uns schon gekannt und auch schon einiges zusammen geschrieben. Aber da waren wir noch eher zurückhaltend. Wir haben ausprobiert, viel Zeit mit Songwriting verbracht. Hubert hat dann alles erst auf eine professionelle Ebene gebracht, so dass wir dann auch sagen konnten, ja, damit können wir jetzt rausgehen und den Leuten was bieten.

Ist es wichtig für euch, Konzerte zu spielen?

Louis: Musik ist für uns ja eher Entspannung, das ist so eine Art meditativer Akt. Manchmal werden wir gefragt, warum wir bei Konzerten nicht das Haus rocken, aber bei uns geht es eben um das Konzentrierte, auf die Schuhe gucken, haha, für uns ist der Sound wichtiger als unsere persönliche Ausstrahlung. Da arbeiten wir noch dran.

Hubert: Die Ausstrahlung kommt ja auch mit der Masse der Konzerte. Nach einer Welttournee trittst du einfach ganz anders auf.