Die TERMITES kommen aus Kilmarnock, einem Kaff bei Glasgow. Als sie sich Mitte der Achtziger gründeten, war die Stadt offiziell die drittärmste Großbritanniens, und im ärmsten Teil Kilmarnocks wiederum gründeten ein paar jugendliche Psychobillys die TERMITES, als schräge Verbeugung vor den BEATLES. Schnell erspielten sie sich eine loyale Anhängerschaft, die sich nicht gerade durch Gewaltfreiheit und Abstinenz auszeichnete. In den folgenden Jahre nahm man einige Platten auf, wurde auch außerhalb der Insel bekannt, doch 1991 war es vorbei mit der alten Crew, Drogen, Alkohol und andere Exzesse hatten ihren Tribut gefordert. Frontmann Kenny versuchte zwar die nächsten Jahre mit wechselnden Besetzungen sein Glück, doch ohne viel Erfolg. 2000 ging er nach Boston, wurde bei einem Unfall schwer verletzt, wurde Tätowierer und kehrte nach Schottland zurück. 2005 fanden sich die TERMITES wieder zusammen, ein neues Album erschien 2006, und ein paar Irrungen, Verletzungen und Krankheiten später kam 2008 „Kicked In The Teeth“ heraus. Ich stellte Kenny „The Duke“ Mitchell (Gesang), Scott Ballantyne (Gitarre), Ewin Murray (Schlagzeug), Matt Black (Kontrabass) und Jonny Fiddles (Geige) ein paar Fragen.
„Termiten sind eine sozial geordnete Gruppe von Insekten, die sich hauptsächlich von totem pflanzlichen Material ernähren. Etwa 10% der geschätzten 4.000 Arten sind ökonomisch als Schädlinge bekannt, die ernsthafte strukturelle Schäden an Gebäuden, Feldern, Plantagen oder Wäldern anrichten können. Ihre Wiederverwertung von Holz und anderen Pflanzenarten ist für die Umwelt von besonderer Bedeutung.“ Sehr interessant, was Wikipedia über Termiten zu berichten hat – was sagt das über eure Band aus?
Kenny: Wir haben den Namen gewählt, weil Termiten zu den zerstörerischsten Kreaturen auf der Erde zählen. Er passte zu unserer damaligen Gefühlslage: Wir waren destruktiv, voller Wut gegen unsere Lebensumstände. Aber die Termite zerstört, baut dann wieder auf. Wir wollten die vorherrschende Musikszene zerstören und dann wieder nach unseren Vorstellungen aufbauen. All hail the termites!
Wenn man sich eure Band-History durchliest, bekommt man fast Angst: So viele Katastrophen, Unfälle, Krankheiten und Unglücke. Ist in letzter Zeit irgendwas passiert oder geht es euch zurzeit mal gut?
Kenny: Scheiße passiert in unserem Leben täglich, wir leben sie einfach voll aus. Wir sind keine „Wochenend-Rock-Stars“, mein Freund! Die meisten Geschichten, die du über uns gehört hast, haben wir uns selbst eingebrockt ... und sie sind zudem auch noch wahr. In letzter Zeit ist auch viel passiert, wenn du einen Tag Zeit hast, erzähle ich’s dir gern ...
Matt: Zählt meine Syphilis?
Jonny: Nee, weil du sie von deiner Mama hast!
(Scott haut Matt vor den Hinterkopf)
Jonny: Rock’n’Roll ist eine Lebenseinstellung und Katastrophen sind ein Teil davon. Ohne sie hätten wir keine Inspiration für unsere Lieder.
Ihr beschreibt eure Heimatstadt in eurer Bandbio als einen finsteren, bedrückenden Ort. War das lediglich die Situation in den späten Achtzigern oder hat sich mittlerweile vielleicht etwas zum Vorteil entwickelt?
Kenny: Es ist mittlerweile sogar noch schlimmer. Alle Läden machen zu und es herrscht eine hohe Arbeitslosigkeit. Die Gewaltbereitschaft in der Stadt ist sehr groß und sie ist voll mit Heroinabhängigen. Sieht man allerdings von all dem mal ab, ist es fantastisch!
Jonny: Es war schon immer schlimm, aber das Drogenproblem ist heutzutage echt um einiges schlimmer. Scheinbar schließt wirklich alles. Es wird zum Las Vegas der Gebrauchtwarenladenwelt, hahaha.
Matt: Ich mag den Ort, kann nicht meckern ...
(Scott haut Matt erneut vor den Hinterkopf)
THE TERMITES gründeten sich zu einer Zeit, als der erste Psychobilly-Boom auf seinem Höhepunkt war. Was hat euch an diesem Musikstil fasziniert und welche Bands waren eure Vorbilder?
Kenny: THE TERMITES gründeten sich Mitte der Achtziger und zu dieser Zeit stand die Szene in ihrer Blüte, sie starb erst gegen 1991 allmählich aus. Wir veröffentlichten verschiedene Songs auf Samplern, eine 4-Song-EP und dann 1989 das Album. Bis 1990 konnten wir keine Schwächung der Szene beobachten. Es war der erste Musikstil, bei dem wir von Anfang an ein Teil sein konnten. Für Punk waren wir damals noch zu jung und vom Rest nur gelangweilt. Psychobilly war „unsere“ Szene. Außerdem standen wir auf Rockabilly, Teddy Boy Music und Rock’n’Roll. Der punkig angehauchte Psychobilly passte zu unserer Grundstimmung. Die Musik, die wir liebten, vermischte sich mit den Aggressionen, die wir fühlten. Meine Lieblingsband waren die METEORS.
Jonny: THE METEORS waren gewaltig, außerdem war diese Musik überall und sie war neu und rau.
Psychobilly oder Rockabilly, an was macht ihr den Unterschied fest?
Kenny: Wir legen uns da nicht fest. Wir spielen wütenden Rock’n’Roll. Du kannst es nennen, wie du willst, Hauptsache, es hat „billy“ in sich! Es könnte Hillbilly, Rockabilly oder Punkabilly sein ... entscheide du! Letztendlich sind das doch alles nur Modewörter, die von der selben „Billy“-Familie stammen. Mir ist es scheißegal. Ich schreibe einfach Songs und spiele sie dann so, wie es zu den jeweiligen Songs passt. Wir benutzen Geige, Banjo, Kontrabass, sowie einen elektrischen Bass. Wir möchten unsere Musik nicht durch einen Namen eingrenzen. Wir spielen sie einfach.
Jonny: Was wirklich zählt ist, dass es gut klingt. Die Tatsache, dass wir eine Geige und ein Banjo bei manchen Songs benutzen, macht es unmöglich, unsere Musik zu klassifizieren, und das ist gut.
Jonny, du warst ein Punk, als du das erste Mal mit der Band in Berührung kamst. Ich kann mich erinnern, dass in den Achtzigern Punks und Billys nicht unbedingt gut miteinander auskamen. Wie kommt es, dass du ihre Frisuren mehr mochtest als einen klassischen Iro?
Jonny: Um ehrlich zu sein verändert sich meine Frisur wöchentlich. Außerdem kam in Kilmarnock eigentlich niemand mit irgendwem gut aus, also war es nur theoretisch von Bedeutung, wie du aussahst oder welcher Szene du angehörtest. Die Band traf ich zum ersten Mal durch meinen Cousin, der ursprünglich in der Band Schlagzeug spielte, bevor er versehentlich Feuer fing ...
Wie groß oder klein ist die heutige schottische Rockabilly-Szene?
Kenny: Es gibt eine kleine gute Underground-Szene. An jedem ersten Samstag im Monat findet zum Beispiel in Glasgow die „All tore up“ Rockabilly-Night statt, die immer gut besucht ist. Wir sind auch immer mit dabei. Psychos, Punks, Teddy Boys, Rockabillys – alle sind da. Es gibt nie Stress, ok, manchmal schon, hehe. Die Psychoszene ist generell aber eher schwach. Manche Konzerte sind gut besucht, andere wieder weniger.
Jonny: Ja, die Szene ist klein, aber um ehrlich zu sein ist es auch nicht unser Problem, diese Leute finden uns eh scheiße! Ha!
Scott: Halt die Klappe!
(Scott haut Matt ohne Grund vor den Hinterkopf)
Ok, dann besten Dank. Und seid nett zueinander.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #82 Februar/März 2009 und Joachim Hiller
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© by Ox-Fanzine - Ausgabe #64 Februar/März 2006 und Robert Noy