TEN56.

Foto© by Karo Schaefer

Auf der dunklen Seite

Jeder Song von TEN56. transportiert negative Emotionen und repräsentiert musikalische Destruktivität. Nu Metal, Trap, Deathcore und Industrial werden entlang einer experimentierfreudigen Grundhaltung effektvoll und immer wieder anders miteinander kombiniert. „Downer“ rekapituliert das bisherige Schaffen der französischen Band und kombiniert die beiden EPs gleichen Namens.

Obwohl die Musik anderes vermuten lässt, outet sich Schlagzeuger Arnaud (auch UNEVEN STRUCTURE) im Gespräch gleich als friedfertiger Zeitgenosse: „Ich bin ein fröhlicher, ruhiger und nachdenklicher Mensch“, so der Musiker. „Also nicht unbedingt jemand, von dem man annehmen würde, dass er solch brutale Musik spielt. Das ist für mich aber das perfekte Ventil für all die Emotionen und Ansichten, die ich sonst nur schwer aussprechen und verarbeiten könnte.“ Nachdem Arnaud und Frontmann Aaron (ex-BETRAYING THE MARTYRS) das Projekt starteten, hat sofort eine ansehnliche Eigendynamik eingesetzt, die TEN56. nach wie vor verblüfft: „Wir waren alle sehr überrascht davon, wie sich die Dinge entwickelt haben“, bestätigt der Schlagzeuger. „Selbst heute sind wir über die hervorragende Resonanz und die Möglichkeiten, mit denen wir Tag für Tag gesegnet sind, regelmäßig überrascht. Als es losging, war ich gewillt, aus der Metal-Musik auszusteigen und mich mit Jazz und experimentellen Sachen zu beschäftigen, was schon immer meine zweite Heimat ist. Doch Aaron hat mich wieder auf die dunkle Seite gezogen. Anfangs ging es uns allein darum, ein einfaches, spaßiges Nebenprojekt zu haben, das aus der Musik und den Prozessen ausbricht, mit denen wir davor zu tun hatten. Das ging natürlich schief. Jetzt ist es für die meisten von uns ein Vollzeitjob geworden, weshalb wir sehr fokussiert und leidenschaftlich aktiv sind, was jeden Aspekt der Band angeht – von der Musik über den Merch bis hin zu den Beziehungen, die wir zu all den Kooperationspartnern entwickelt haben, die auf den TEN56.-Zug aufgesprungen sind, und zu unserer Präsenz in den sozialen Medien.“

Als besonders oder innovativ wertet der Franzose das Spiel seiner Band dabei nicht: „Nik Nocturnal nannte es einmal ignorant, wenn Leute nach dem Genre einer Band fragen, weil sie sich kein eigenes Bild machen können“, holt Arnaud aus. „Das ist ein Wort, das wir seitdem auch benutzten. Die Raffinesse liegt bei uns ohnehin in den Texten und der Produktion. Natürlich sind wir froh, dass die Leute in unserer Musik das finden, wonach sie suchen, auch wenn es vielen wohl eigentlich darum geht, Gründe zu finden, uns zu hassen.“ Die Gruppe aus Paris nimmt es, wie es kommt: „Uns geht es allein darum, Themen in Worte und Musik zu verpacken, von denen wir das Gefühl haben, dass sie sonst nicht so explizit ans Licht gezerrt werden“, formuliert der Schlagzeuger den Anspruch von TEN56. „Wir wollen etwas tun, auf das wir stolz sind, und schätzen den Freiraum, um uns zu verbessern und zu experimentieren. Das ist aufregend. Dass wir von einem sehr treuen Publikum unterstützt werden, das mit allem, was wir bisher veröffentlicht haben, mitfiebert, ist ein Segen. Man kann mit Sicherheit sagen, dass wir unsere Zehen in fremde Gewässer getaucht haben, sei es mit Songs wie ,Sick dog‘ oder kürzlich mit ,RLS‘. Doch die Leute haben uns bisher noch jedes Mal verstanden.“
Tracks wie „RLS“ zeigen klar auf, dass TEN56. selbstbewusste Kreativgeister sind, die keine Genregrenzen kennen: „Trap- und Drill-Musik sind etwas, womit wir gerne herumspielen“, verrät Arnaud. „Als Band hören wir gemeinsam viele Musikrichtungen und sind offen, was unseren Geschmack angeht. Bei der Entscheidungsfindung darüber, was wir tun wollen, und dem kreativen Prozess insgesamt hilft das sehr. Bei uns gibt es keine Einschränkungen oder Selbstzweifel. Wir tun voll und ganz das, was wir wollen.“ Es ist ein guter Ansatz, dass sich TEN56. allein auf ihre Weiterentwicklung konzentrieren: „Bei der Geschwindigkeit, mit der sich alles entwickelt, hat man mitunter das Gefühl, dass man nur ein Jahr Zeit hat, bevor alles, was man spielt, veraltet ist, oder dass es alles schon einmal gemacht wurde“, weiß der Musiker. „Selbst aus der Sicht einer Band wie der unseren kann es passieren, dass man glaubt, man hätte bereits alles innerhalb der spezifischen Parameter eines einzigen Albums gesagt. Hat man diesen Punkt erreicht, geht es nur noch darum, die eigenen Entscheidungen durchzuziehen. Das führt dann dazu, dass man sich in die eine oder andere Richtung vertieft oder dass man beim Songwriting eine völlig andere Richtung einschlägt.“ Mit „Downer“ gibt es nun aber erst einmal die bisherige Werkschau von TEN56.: „Der Hauptgrund für die anfängliche Fokussierung auf separate EPs war es, damit in der Lage zu sein, schnell etwas zu veröffentlichen und danach genauso schnell wieder etwas Neues nachzulegen“, erklärt der Schlagzeuger. „Dadurch war alles frisch und entsprach unserer Vision der Band. Die kombinierte Wiederveröffentlichung der beiden EPs soll nun vor allem dem großen Teil unserer Fangemeinde, der nach Vinyl fragt, die Möglichkeit geben, auf das zurückzublicken, was wir in den ersten zwei Jahren unseres Bestehens erreicht haben.“

Arnaud hat es bislang nicht bereut, es doch noch einmal mit brutalen Klängen versucht zu haben: „Bei dieser Band standen die Sterne von Anfang an günstig. Wir kannten uns alle in unterschiedlichem Ausmaß und kommen gut miteinander aus. Es gibt ein Gefühl des Vertrauens in die Fähigkeiten jedes Einzelnen. Eigentlich hatte ich mich für ein Medizinstudium eingeschrieben, weil mir der Gedanke, Menschen zu helfen, ganz natürlich vorkommt. Aber dann war da etwas in der Musik, das mich auf eine Art und Weise angesprochen hat, die ich nicht erklären kann. Sie war meine Fluchtmöglichkeit und stärker als alles andere, was ich sonst kennen gelernt habe. Bei TEN56. geht es für mich vor allem darum, Gefühle zu vermitteln. Es gibt nichts Kompliziertes zu spielen, so dass ich mich voll und ganz darauf konzentrieren kann, eine möglichst klare und präzise Botschaft an unser Publikum zu senden.“