SWEATMASTER

Foto© by Kimmo Nurminen

Weiß, männlich, privilegiert und alt

Es gibt Bands, die in dein Leben scheppern – aus Gründen! Mit der Single „Hold it“ fixen mich die 1998 gegründeten SWEATMASTER aus Turku in Finnland Anfang der Nuller Jahre so hart an, dass ich sofort ein kleines Festival für Garage-Punk namens Gutter Island in Dänemark besuchen muss, in der Hoffnung, die Band schafft es für eine halbe Stunde so gut und intensiv zu sein, wie es das kleine Vinyl verspricht. Was dann folgt, ist eine Offenbarung. Das Trio hat einen Groove, der den meisten Bands dieser Zeit fehlt, keiner rollt so dämonisch und hart das R wie Bassist und Sänger Sasu und niemand spielt so präzise, akzentuiert und manisch Gitarre wie Mikko. Viele Platten und ein Jahrzehnt später ist Schluss, die Band verkündet eine letzte Show in Finnland. Aber die Dämonen des Rock’n’Roll verlangen nach einem allerletzten Auftritt, der 2011 in Berlin über die Bühne geht. Und dort wird im Mai 2024 in der Franken Bar auch das erste Konzert nach dem Neustart stattfinden. Was in der Zwischenzeit passiert ist, verrät uns Bassist und Sänger Sasu Mykkänen.

Wie ging es 2011 nach der letzten Show in Berlin weiter?

Wir haben natürlich eine neue Band gegründet! Nicht direkt 2011, es hat vielleicht zwei Jahre gedauert, bis wir als LOST BOOTS wieder zusammenkamen. Mikko spielte zudem ein paar Jahre in einer Band namens PÄÄ KII, mit der er viel in Finnland spielte. Zuerst haben wir, oder zumindest ich, versucht, etwas möglichst anderes als bei SWEATMASTER zu machen. Ich habe auf Finnisch gesungen, was ich vorher nicht wirklich gemacht habe, und auch der Sound sollte etwas softer werden. Wir hatten einen gemeinsamen Freund gebeten, bei uns Bass zu spielen, aber ansonsten waren es die gleichen Jungs wie vorher bei SWEATMASTER. Nach einer Weile stellte sich heraus, dass der Sound von LOST BOOTS anscheinend doch nicht so weit von SWEATMASTER entfernt war. Jemand meinte mal, es klingt so wie SWEATMASTER auf Downern, und das trifft es irgendwie ganz gut. Wir haben 2015 sieben Songs für eine EP namens „Come Cold, Come Wind“ aufgenommen. Man könnte sagen, es ist eine dumme Idee, eine neue Band mit den gleichen Jungs zu gründen, und letztlich war es das auch.

Und wie kamen SWEATMASTER wieder ins Spiel?
Irgendwann nachdem das mit dem Corona-Scheiß losging, wünschte sich ein Freund, dass SWEATMASTER auf seiner Geburtstagsparty spielen. Da er nicht weit weg wohnte und wir uns wirklich langweilten, wie alle anderen zu dieser Zeit, fanden wir das eine gute Idee. Nur ein kleines Set mit alten „Hits“. Und es war wirklich toll, die Songs nach ein paar Jahren zu spielen! Wir hatten nicht das Gefühl, quasi als unsere eigene Coverband aufzutreten. Stattdessen war da eine Energie zu spüren, auf der man etwas aufbauen könnte. Also war uns klar, sollte uns wieder jemand nach einem Gig fragen, dann wären wir bereit. Wir waren uns damals schon einig, wieder neue Songs schreiben zu wollen. Die alten Sachen zu spielen ist schön, aber nach einer Weile braucht man auch etwas Frisches, um in Stimmung zu bleiben.

Wenn du auf 25 Jahre als Band zurückblickst: Was waren die Höhepunkte und Tiefpunkte in all den Jahren?
Wir waren viel auf Reisen und haben viele nette Leute kennengelernt, ich denke, das ist schon etwas Besonderes.Also Leute aus anderen Bands oder aus dem Publikum. Mein Gedächtnis ist nicht das beste, aber ich kann mich noch an bestimmte Gesichter und Gespräche von vor zwanzig Jahren erinnern. Nicht so sehr an die Shows, diese Erinnerungen sind ein wenig wackelig. Auch das Tüfteln an den Songs hat sich gelohnt. Ich kann mich noch daran erinnern, wie ich einen Song in meinem Kopf fertig hatte, als ich am Fluss spazieren ging, und wie aufgeregt ich war, ihn zur Probe mitzubringen, damit wir ihn zum Laufen bringen konnten. Und dann erinnere ich mich vor allem daran, wie Matti mit einem Grinsen im Gesicht Schlagzeug spielte. Es war auch immer toll, Shows zu spielen. Der erste Auftritt war in einem kleinen Club in Helsinki, und danach gingen wir in einen Pub in der Nähe, und alle Leute skandierten „Turku, Turku!“, als wir hereinkamen. Selbst die nicht so guten Gigs fühlen sich in der Erinnerung okay an. Etwa als das Equipment kaputt ging und die Stimme absackte, aber all das gehört eben dazu. Und die Tatsache, dass wir in der Band gute Beziehungen zueinander haben, ist etwas, wofür ich dankbar bin.

Wie ging das eigentlich los mit euch?
Ich hatte Glück, dass ich die Jungs zufällig traf und sie mich fragten, ob ich der Band beitreten möchte. Angefangen haben wir in der Garage von Mattis Eltern. Sein Vater kümmerte sich drinnen mit einem Gehörschutz auf dem Kopf um seine Geschäfte und seine Mutter lud uns manchmal zum Kaffee ein. Vielleicht auch nur, um eine kleine Pause vom Lärm zu bekommen. Dort sind die ersten Songs entstanden: „Tonight, hold it!“ oder „Nothing to do but win“. Dann ging eines Tages der Nachbar von nebenan auf die Barrikaden und wir mussten umziehen. Ich bin offenbar gut darin, die Tiefpunkte zu verdrängen. Vielleicht waren die letzten Jahre vor 2011 nicht so denkwürdig. Da war das Gefühl, alles schon mal gesehen und erlebt zu haben, das sich nicht wirklich gut damit verträgt, etwas Kreatives zu machen. Es kann leicht passieren, dass man sich ein bisschen zu viel Druck macht und dann enttäuscht ist, wenn es nicht so gut funktioniert. Verlierst du den Fokus und die Richtung, sieht plötzlich alles fad aus. Du musst hungrig bleiben.

Als eure erste Platte rauskam, schien es eine riesige Welle von Bands aus Skandinavien zu geben, die weltweit für Aufsehen sorgte. Wie hat es sich damals angefühlt, ein Teil davon zu sein, und wie sieht es heute aus? Vor allem mit Blick auf die Szene in Finnland.
Natürlich haben wir das alles auch verfolgt, es gab viele tolle Bands in dieser Zeit! THE HELLACOPTERS habe ich schon sehr früh in Turku gesehen, in einem kleinen Club mit 100 Leuten. Voller Zigarettenrauch ... THE HIVES, TURBONEGRO und THE FLAMING SIDEBURNS waren die Bands, die uns gefielen. Vor SWEATMASTER habe ich Gigs für schwedische Bands organisiert, weil Stockholm nur eine Fährfahrt entfernt ist. THE SEWERGROOVES, DOZER, MISDEMEANOR, THE STROLLERS, solche Bands. Also habe ich mich in Stockholm umgesehen. Aber sozialisiert wurden wir eher mit den obskuren kleinen finnischen Punk- und Indie-Bands, die hier aus der Gegend kamen, das war die Szene, in der wir uns umsahen. Der Rest der skandinavischen Länder ist kulturell enger verbunden, wir sind dieses Hinterland neben Russland mit der seltsamen Sprache. Sicher, wir haben auch oft profitiert vom guten Ruf der skandinavischen Rockmusik. Sonst hätten wir es nie nach England geschafft und in den Maida Vale Studios für die BBC aufgenommen oder wären so ausgiebig durch Deutschland getourt. Aber ich glaube nicht, dass wir wirklich so viel darüber nachgedacht haben, ob wir Teil irgendeiner Szene sind, wir haben uns einfach hier und da etwas geliehen, ob alt oder neu, um etwas zu kreieren, das kein totaler Abklatsch ist. Vielleicht hat es geholfen, dass wir Finnen sind – und nicht einmal aus Helsinki – und deshalb etwas origineller klingen. Ich weiß nicht, ob es jetzt eine Szene in Finnland gibt. Ich versuche, meine Ohren offen zu halten, aber es kommt nicht viel rein.

Ist es nicht ein bisschen überholt, in einer Rock’n’Roll-Band zu spielen und weiß, männlich und privilegiert zu sein? Was ist dein Geheimnis, um die Grenzen dieses Diskurses zu überwinden?
Genauer: weiß, männlich, privilegiert und alt zu sein! Ich fürchte, dass ich in keinem anderen Bereich begabt bin. Letztlich kümmert es niemanden, ob ich das tue oder nicht, und ich habe genug Geschichtsbücher gelesen, um zu verstehen, dass das, was wir tun, nicht wichtig ist. Aber ich empfinde es wirklich als etwas Reines, wenn wir zusammen spielen und wenn ich singe, und das ist alles, was für mich momentan zählt. Vielleicht sind unsere Gehirne seit unserer Kindheit durch dumme amerikanische Musik und Filme infiziert, und das hat uns zusammen mit etwas Eitelkeit hierher gebracht. Aber jetzt, da wir hier sind, können wir auch unseren albernen Traum von einer Band zusammen leben und uns hoffentlich für eine Weile geliebt fühlen.

SWEATMASTER hatten schon immer einen besonderen Groove, der beide Geschlechter ansprach – heute vielleicht sogar noch mehr. Habt ihr das bewusst so gemacht?
Ich kann mich nicht erinnern, dass wir jemals als Band darüber gesprochen haben, aber ich denke, es ist ein schöner Blick auf uns. Wir haben versucht, uns von der offensichtlichsten Rock-Macho-Attitüde zu entfernen, das stimmt. Wir hatten lieber Songs über Gefühle und Liebe als über Autos oder Motorräder. Ich weiß nicht, wie viel es mit den Texten zu tun hat, da ich in der Regel beim Musikhören nicht so sehr auf die Inhalte achte. Könnte es am Rhythmus liegen? Oder dass wir ein paar Pop-Einflüsse haben? Bei den Partysongs haben wir immer versucht, einen Rhythmus zu finden, zu dem man sich bewegen und tanzen kann. Zumindest in Finnland ist man schnell geneigt, nur düstere Musik zu machen, aber das wollten wir möglichst vermeiden. Ich fand, das ist gegen unsere Natur!

Wenn du auf dich als Teenager zurückblickst, was ist davon noch da und was ist verschwunden?
Ich fühle mich immer noch manchmal ein wenig verloren in der Welt, aber definitiv nicht mehr so sehr wie damals. An diesem Punkt im Leben fühlt es sich an, als gäbe es mehr Türen, die sich schließen als öffnen. Die Welt ist so nicht mehr offen. Ich habe also viel von diesem Abenteuergeist verloren. Ich bin auch nicht mehr schnell bereit, irgendwelche Dummheiten zu machen, da ich hoffentlich mit der Zeit etwas dazugelernt habe. Mein Kind ist jetzt zehn Jahre alt und ich erlebe durch ihn meine eigene Kindheit noch einmal. Als ich zehn Jahre alt war, bekam ich das erste W.A.S.P.-Album zu Weihnachten! Ich saß auf dem Boden, das Cover in der Hand, dachte nur, wie cool es aussieht mit den ganzen Knochen und dem Blut. Ich konnte es kaum abwarten, die Platte aufzulegen. Und alles, was folgte, war so neu ... Es ist unmöglich, noch einmal so ein Gefühl des Entdeckens zu empfinden, aber ich glaube, ich bin immer noch neugierig und offen für neue Ideen.

Was ist die Hauptquelle, die du anzapfst, um Musik zu machen?
Ich weiß, wie meine Stimme am besten klingt und was unsere Grenzen und Stärken als Band sind, also arbeite ich daran. Ideen können überall entstehen, normalerweise ist es ein Rhythmus, der mir in den Sinn kommt. Dann baue ich eine Gesangslinie darauf auf oder überlege mir ein Riff, mit dem ich weitermachen kann. Ich versuche, nicht zu viel ähnliche Musik zu hören. Normalerweise, wenn wir als Band arbeiten, tauchen sowieso Referenzen auf. Dann diskutieren wir, was wir davon gebrauchen können und was zu uns passt. Es ist eine bestimmte Art von Energie und Gefühl, die wir erzeugen wollen. Die Texte können kniffliger sein, ich warte meist einfach ab, bis ich etwas finde, das mich bewegt oder begeistert. Viel zielloses Umherirren, bis etwas meine Aufmerksamkeit erregt. Früher haben wir mehr über andere Bands geredet, was wir mal ausprobieren wollen und was wir vermeiden sollten. Wie wir uns von der Masse abheben können.

Beeinflusst auch die politische Situation, weltweit oder in Finnland, die Musik und die Texte, die du machen möchtest?
Ich lese viel. Nachrichten, Geschichte, Politik, soziale Medien. Es ist schwer, das nicht in die Musik einfließen zu lassen. Aber wir passen auch auf, was zu SWEATMASTER passt, welche Art von Energie wir anzapfen wollen und können, und versuchen, das im Fokus zu behalten. Ich denke, am Ende können wir nur so etwas Gutes zu dieser Welt beizutragen. Wie gesagt, ich bin nicht so der Lyrics-Typ. Ich habe meine politischen Ansichten zum Beispiel nie aus Punk-Songs übernommen. Aber ich möchte auch über nichts singen, wo ich nicht dahinterstehen kann. In diesem Sinne wirkt sich die Politik schon aus.

Wie hat sich die politische und musikalische Landschaft in Finnland über die Jahre verändert?
Ich denke, es ist wie überall anders auch. Angst vor Veränderung, Vorurteile. Ich weiß nicht, ob sich wirklich so viel verändert hat, außer dass sich alles immer schneller dreht und heute jeder seine Meinung in die Welt hinausschreit, bevor er darüber nachdenkt. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat die Menschen vielleicht vorsichtiger gemacht, aber in Finnland haben wir eine lange Geschichte mit russischer Einflussnahme – selbst wenn der Überfall ein Schock war, war es nicht so überraschend. Die Musiklandschaft in Finnland ist derzeit ziemlich deprimierend. Mir fällt keine neue Band ein, die ich empfehlen könnte, und ich halte mich schon für aufgeschlossen. Ich höre Pop, HipHop, Techno, wenn es gut ist, aber mir fällt nichts ein. Es ist alles so langweilig geworden, irgendjemand muss die Leute mal aufrütteln.

Ihr habt bereits ein paar Shows in Finnland gespielt. Gibt es einen Masterplan für 2024? Touren? Aufnahmen? Neue Songs?
Wir haben ein paar neue Songs. Wir haben sie live ausprobiert und es hat uns einen Hinweis darauf gegeben, in welche Richtung wir gehen wollen. Oft, wenn wir einen Song machen, der sich wirklich gut anfühlt, und wir ihn am Proberaum aufnehmen, bleibt die Uhr bei 2 Minuten und 40 Sekunden stehen. Das ist eine Faustregel, die wir anwenden. Wir finden, dass die neuen 2:40-Songs ziemlich gut klingen und wir versuchen, noch mehr zu schreiben, um hoffentlich sogar etwas aufzunehmen. Ich kann dir kein Datum nennen, aber wir bemühen uns, Nägel mit Köpfen zu machen. Sicher können wir euch ein paar neue Sachen präsentieren, wenn wir im Mai nach Deutschland kommen.