SWAMP ROOM SINGLE CLUB

Singles! Manch einer soll ja diese lieblichen kleinen Schallplatten verachten und schmähen. Da fallen dann häufig so Phrasen wie die von der Lästigkeit des dauernd Aufstehen-Müssens zwecks Umdrehen des Tonträgers. Singles! Was weiß ich, wie oft schon totgesagt, als zu nostalgisch verabschiedet und aus dem Angebot vieler großer Plattenkaufhäuser entfernt. Aber gerade hier zeigt sich das heimliche Potential. Gab es früher jeden Scheißdreck auf diesem sympathischen Tonträger, hat gerade in dem Bereich die Maxi-CD die Spreu vom Weizen getrennt. Mainstream-Radio-Mucke gehört sicher nicht auf Vinyl und schon gar nicht auf dieses "coolste aller Tonträgermedien". Die Single hat sich die Marktnische gesucht, die ihr allein schon von der Tradition her, mehr als jedem anderen Medium zusteht: den Underground.

Bei Singles mag der eine oder andere sogar an Single-Partys denken, also jenen Ball der einsamen Herzen, wo sich bestimmt nur selten findet, was zusammengehört. Ganz anders ist das bei den Single-Partys, die Willem Kucharzik, seines Zeichens Labelinhaber von Swamp Room Records aus Hannover und nebenbei Kopf der MANDRA GORA LIGHTSHOW SOCIETY, veranstaltet. Streng genommen ist es gar keine Party, sondern ein Club. Laute Aufschreie höre ich, die in diesen Aktivitäten jetzt einen Swinger Club mit abstoßenden Pornopartys vermuten. Nun kann ich nicht beschwören, was außer dem psychedelischen Untergrund noch zu den persönlichen Vorlieben dieses Herrn Kucharzik gehört, aber an erster Stelle dürfte wohl doch Musik stehen, denn darum dreht sich alles: "Der Swamp Room Single Club bringt die Bands zu den Freaks, bei denen noch die Seelen brennen, und die sich lieber nachts in einem verrauchten Club berauschen, als die Zuschauerzahlen bei den Fernsehsendern zu erhöhen", meint Willem. "Das ist doch eigentlich das Ding, um das es bei Musik geht. Musik ist kein Markt, den es zu erschließen gilt. Swamp Room Records will nicht den Sumpf urbar machen, sondern seine wilde brodelnde Kultur fördern." Besser hätte man es nicht ausdrücken können. Aber dennoch, was ist denn jetzt eigentlich der Single-Club, mag sich der geneigte Leser, oder seine Frau fragen. Zunächst einmal gar nichts so ungewöhnliches: Zwei Bands spielen live in einem Club. Ein Konzert also, und da dürfen dann nur ganz einsame Menschen hingehen, um vielleicht die Person zu finden, die bis dahin nur in der eigenen Fantasiewelt Form und Gestalt hatte? Nein, leider bleiben die den Underground mögenden einsamen Herzen auch weiterhin auf ihre imaginären, also leider nicht vorhandenen Partnerschaften angewiesen, denn jeder Besucher erhält gratis als Eintrittskarte eine extra für diese Veranstaltung produzierte Vinyl-Split-Single, mit eben den beiden Bands, die sich die musikalische Ehre geben. Das Besondere an dieser Sache ist, dass beide Bands den gleichen Anfangsbuchstaben haben, so dass nach und nach ein komplettes Swamp Room ABC entsteht. Gute Sache das und vor allem mal eine neue Idee im Veranstaltungseinheitsbrei. Dennoch möchte vermutet werden, dass ein solches Unterfangen nicht ganz kostengünstig funktioniert, bedenkt man Eintrittspreise, die sich im 5 Euro-Rahmen bewegt haben. Richtig vermutet:"Pro Veranstaltung zahle ich ca. 150 Euro drauf, also bei ungefähr sechs Veranstaltungen im Jahr kostet mich das 900 Euro, um das Ding am Laufen zu halten", so die nüchterne Einschätzung von Willem. Moment! Normalerweise wollen Veranstalter doch eher an ihren Events verdienen, als noch Kohle beisteuern zu müssen. Handelt es sich beim Swamp Room Head womöglich um einen reichen Wohltätigen, der unsereins als seine Schützlinge ansieht? "Natürlich nicht", widerspricht Willem, "denn eigentlich ist die Idee dahinter ganz niederträchtig, nämlich Promotion. Wie ein guter Dealer fixe ich die Leute mit der Single direkt an", gibt Willem zu. "Wir kennen das noch aus unserer Discozeit. Heute gibt´s den Trip noch gratis in die Cola, morgen musst du dafür bezahlen." Lassen wir es dahingestellt, ob anfixende Dealer tatsächlich gut sein können. Stattdessen stellt sich natürlich die Frage, wie die zum Tanz ladenden Bands zu der Sache stehen, denn wo schon Geld draufgezahlt wird, scheinen sich die Einnahmen für die Musiker doch wohl auch eher in Grenzen zu halten. "Das funktioniert natürlich nur mit einer Handvoll ausgewählter Bands", erklärt Willem. Ich glaube, es ist tatsächlich leichter, eine Band zu überzeugen, ein paar Auftritte zu machen, bei denen es zwar nur etwas Kohle gibt, die aber gleichzeitig dafür eine Single gepresst bekommen. Die Veranstalter, die Band, das Label und die Leute, die kommen, denn die nehmen mit der Single quasi Label, Band und Erinnerung an den Laden mit nach Hause. Das Produkt an sich ist also der Kultursatellit, der die Signale aussendet, nicht irgendwelche gedruckten Zeitungsbilder." Hört sich alles gut an, und als Rheinländer möchte ich glatt neidisch werden auf die Hannoveraner, die stilecht mit Käseigel, verschiedenen Sorten Bowle und Blubber-Lavalampenlicht auf der Hollywoodschaukel im "Bei Chez Heinz" sitzen und sich mit guter Musik berieseln lassen. Doch halt, der Single-Club ist gar keine rein lokale Veranstaltung. Ebenfalls erfreuen können sich nämlich die Leute, die in Berlin ins "Wild at Heart" gehen, oder in Leipzig bei "Ilses Erika" ihre Abende verbringen. Zu weit weg? Gut, dann geht nach Dortmund ins FZW. Auch in Düsseldorf im AGB wurde die Veranstaltungsreihe schon tätig. Wer weiß, ob nicht demnächst auch ein Laden in deiner Nähe zum Single-Club bittet. Doch auch die schönste Veranstaltung hat ihre Haken und Ösen. "Natürlich ist es nicht immer ganz einfach, coole Bands zu finden", stimmt Willem zu. "Allein schon wegen der Tatsache, dass es sich um zwei Bands mit dem gleichen Anfangsbuchstaben handeln muss. Allerdings glaube ich, dass in ca. vier Jahren das erste Alphabet voll sein wird und dann ist geplant, die gesammelten Songs als Sampler zu veröffentlichen und eventuell dazu noch eine 4-LP-Box mit anderen exklusiven Songs der jeweiligen Bands. Danach fängt dann wieder alles von vorne an." Die Hürde des Findens der richtigen Bands nimmt man dadurch, dass nicht zwanghaft in der richtigen Reihenfolge veröffentlicht wird, sondern munter durch den Buchstabensalat getanzt werden darf. Auch durfte den Buchstaben "E" ein einzelner Interpret besetzen, Elvis Pummel, weil es sich bei der Veranstaltung um ein Weihnachtsspecial des Single-Clubs handelte. Wer schon mal Scrabble gespielt hat, dem dürfte mitunter klar geworden sein, dass nicht jeder Buchstabe gleichviel hergibt und so darf auch schon mal ein klein wenig geschummelt werden. Denn die etwas unbeliebteren Buchstaben in der Namensgebung internationaler Undergroundbands, wie X und Y sollen sich auf einer Single treffen dürfen. Dabei ist anzumerken, dass der Buchstabe Y schon an die YUCCA SPIDERS vergeben wurde, während für X noch "eine säuisch coole Rock´n´Roll, Sixties Garage, Acidpunk, oder Surfband" gesucht wird. Wer sich also mit diesen Klassifizierungen angesprochen fühlt und dessen Band eben diesen Buchstaben als den Anfangsbuchstaben des Bandnamens vorzuweisen hat, sollte sein Demo ruhig mal an Swamp Room Records, Postfach 5663, 30056 Hannover schicken. Auch möglich, einfach schnell eine X-Band gründen und sich am besten auch gleich so nennen.

Kontakt:
info@swamp.room.de

Bislang im Single Club erschienen:
- COLOUR HAZE/COLOR CACAS
- Elvis Pummel
- GAS GIANT/GOOD WITCH OF THE SOUTH (Feb. 2002)
- LIQUID VISIONS/LIQUID ZOO
- MANDRA GORA LIGHTSHOW SOCIETY/MATHMOSPHERE
- SONIC FLOWERS/SPLASHDOWNS,
- VAMPYRE STATE BUILDING/VELVETONE