SUMMER CANNIBALS

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Positiv frustrierter Garagenfuzzpunk

Falsch liegen, Mist reden, Scheiße sein, sich schlecht benehmen, im amerikanischen Englisch hat „full of it“ gleich eine ganze Stange von Bedeutungen. Welche jetzt auf das dritte Album der SUMMER CANNIBALS aus der hippen Alternative-Hochburg Portland zutrifft, darf jeder für sich entscheiden. Soll so sein, sagt Frontfrau Jessica Boudreaux, die textlich gerne kräftig nach allen Seiten tritt. Und sich am Rande des Interviews tierisch über die Wahl des neuen US-Präsidenten Trump aufregt. Ob sich das im nächsten Album, das gerade in der Mache ist, niederschlagen wird? „Full Of It“ speist sich jedenfalls noch aus Frust im Allgemeinen, ohne durchgehenden inhaltlichen Schwerpunkt.

Jessica, bezüglich Frauen in Bands hast du mal gesagt: „Ein Mädchen in einer Band zu sein, ist wie ein Junge in einer Band zu sein, mit dem Unterschied, dass die Leute dir mehr dumme Fragen stellen.“

Es ist weit verbreitet, dass Frauen, die Musik machen, danach gefragt werden, wie es ist, „ein Mädchen in einer Band zu sein“ ... Das ist anfangs nervig, irgendwie auch taktlos und ab einem gewissen Punkt ist es einfach nur noch dumm. Diese Frage macht Frauen nur noch mehr zu Fremdkörpern in einer Industrie, bei der wir sowieso schon das Gefühl haben, nicht hineinzupassen oder nicht ernst genommen zu werden.

„Full Of It“ wurde ja von vielen Kritikern ziemlich abgefeiert, eigentlich stehst du Reviews an sich aber eher skeptisch gegenüber. Hindern sie den Einzelnen deiner Meinung nach daran, sich selbst ein unvoreingenommenes Bild zu machen?

Das würde ich nicht so verallgemeinern – ich finde wirklich, dass Musikkritik eine sehr wichtige Funktion erfüllt. Ich denke aber, dass das, was die derzeitigen großen Meinungsmacher für „cool“ halten, die kreative Diskussion vernebelt und fürchte, dass man damit kreative Vielseitigkeit eher unterbindet, als sie zu fördern oder anzuregen.

Nicht nur Musikkritik im großen Stil regt dich auf, den Texten nach zu urteilen scheint Frustration per se eine deiner zentralen Inspirationsquellen zu sein.

Das ist widersprüchlich, aber auch ziemlich witzig, denn ich sehe mich selbst überhaupt nicht als negativen oder frustrierten Menschen. Ich glaube, die Band war bisher mein Ventil für diese Art von Gefühlen, die mein tägliches Leben dann einfach gar nicht mehr trüben konnten. Die Band und die Musik, die wir in den letzten vier Jahren gespielt haben, ist sehr kathartisch und ermöglicht es mir, Frustrationen rund um Gesellschaft, miese Beziehungen, die Musikindustrie etc. auf eine gesunde Art und Weise loszuwerden.

Was stört dich speziell an der Musikindustrie?

Die Musikindustrie ist die Welt, in der ich arbeite und lebe, also sehe ich den sexistischen Zustand unserer Gesellschaft auch immer von diesem spezifischen Standpunkt aus. Ich liebe es, Teil der Musikwelt zu sein, ich sehe absolut keinen alternativen Weg für mich und im Grunde genommen bin ich auch absolut zufrieden mit dem, was ich tue. Weil es für mich eigentlich auch gar keine andere Möglichkeit gibt ...

Du führst mit New Moss Records ja auch ein eigenes Label, bist damit ja bis zu einem gewissen Grade noch mehr der Teil dieser Industrie.

Ich habe darauf ein paar Portland-Bands veröffentlicht und auch die ersten beiden SUMMER CANNIBALS-Alben. Es liegt aber im Moment komplett auf Eis, weil die Band so viel zu tun hat.

„Full Of It“ habt ihr jetzt auch nicht mehr selbst herausgebracht, sondern über Kill Rock Stars veröffentlicht.

Es war wirklich großartig, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Es gibt so viel Geschichte in ihrem Backkatalog. So viele Bands, die sie unter Vertrag hatten, haben mich und die Band beeinflusst. Außerdem bin ich gerne Labelmate von einigen meiner Lieblings-Comedians. Darüber hinaus sind sie einfach großartige Menschen, die sich ganz auf ihre Künstler konzentrieren. Ihre Künstler sind ihnen wichtig, deren Musik ist ihnen wichtig und das ist eigentlich das Wesentlichste an einem Label. Was will man mehr?

Aber ihr habt nicht nur das Label gewechselt, auch als Band habt ihr einige Veränderungen durchlebt.

Stimmt, das SUMMER CANNIBALS-Line-up hat sich in den vergangenen Jahren viele Male geändert und ich bin tatsächlich das einzige verbliebene Gründungsmitglied. Aber das derzeitige Line-up besteht eigentlich schon seit zwei Jahren in der Form. Mit Jenny Logan am Bass und Devon Shirley an den Drums. Sie sind großartig, talentiert und wir alle stehen mit Leidenschaft hinter dem, was wir tun. Ich bin echt glücklich, sie in der Band zu haben.

Dann ist Harrison Rapp an der Gitarre nur ein Teil eures Tour-Line-ups?

Wir lieben, lieben, lieben es, mit Harrison zu spielen, aber im Moment ist er nur ein Tourmitglied und wird nicht auf dem Album spielen, das wir im Winter aufnehmen werden. Aber wir alle hoffen, dass er mit uns touren wird, solange er kann. Mal abwarten. Er hat ein großartiges Projekt namens DIVERS, bei dem er als Frontmann viel zu tun hat.

Nicht fehlen darf an dieser Stelle natürlich die Portland-Frage ...

Haha. Portland ist eine schöne, freundliche Stadt, in der es sich bestens leben lässt, und das Wetter dort ist großartig. Ich ziehe bald um und werde sehr traurig sein, es hinter mir lassen zu müssen.

Weißt du schon, wohin es dich verschlagen wird?

Ja, ich werde nach Los Angeles gehen. In einer Band zu sein, ist großartig, aber für eine Musikkarriere, mit der du deinen kompletten Lebensunterhalt bestreiten kannst, ist, nur in einer Band zu sein, einfach nicht genug. An einem Ort wie Portland gehen dir da irgendwann die kreativen Möglichkeiten aus.