Es müsste mit dem Teufel zugehen, falls man von denen nicht bald noch mehr hört“, hieß es in Ox #76 in der Besprechung des STRAWBERRY BLONDES-Debüts „Rise Up“. Und nun ist es soweit: Die britische Band steht mit dem Nachfolger „Fight Back“ in den Startlöchern. Veröffentlicht wird das Album bei Wolverine Records, und spätestens wenn die Band mit ihrem straighten, melodischen Punkrock im November auf Europatour kommt, werden sie wohl in aller Munde sein. Grund genug für uns, Sänger und Gitarrist Mickie Stabbs ein paar Fragen zu stellen.
„Fight Back“ ist euer zweites Album. Was ist anders als bei eurem Debüt „Rise Up“?
Ich denke, der Hauptunterschied zwischen den beiden Alben liegt darin, dass bei „Rise Up“ das Einzige, das wir bereuten, war, dass Joe Strummer es nie hören konnte, während wir bei „Fight Back“ rein gar nichts bereuen.
In Deutschland wird es von Wolverine Records veröffentlicht. Wie kam dieser Kontakt zustande und warum habt ihr dieses Label ausgewählt?
In der UK- sowie der Punk-Szene generell hat Wolverine einen Ruf als großartiges Label, es ist sicherlich eines der bekanntesten Punk-Labels in Deutschland. Ich glaube, Sascha, der das Label ja betreibt, ist uns sehr ähnlich, was sein hundertprozentiges Engagement sowohl für die Bands und ihre Musik als auch für das Label angeht. Diese Art von Enthusiasmus und Musikleidenschaft ist uns sehr wichtig.
King Django, ehemaliges Mitglied der STUBBORN ALL-STARS, wirkt mit auf eurem neuen Song „Manners and respect“. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Wir sind schon seit Jahren große Fans von Django. SKINNERBOX und die STUBBORN ALL-STARS waren verdammt gute Bands! Django kommt einem musikalischen Genie sehr nahe. Wir wollten ihn von Anfang an auf dem Album haben. Glücklicherweise liebt er die STRAWBERRY BLONDES und wir sind seit ein paar Jahren befreundet, also habe ich ihn gefragt. ob er einen Song für das Album mit uns schreiben und aufnehmen wolle und das Ergebnis klingt großartig!
Und die Kollaborationen mit John Robb und Don Letts auf dem ersten Album?
Bei John Robb von GOLDBLADE, Don Letts und Joey von THE BRIGGS war es ziemlich ähnlich. Man freundet sich mit den Leuten an und teilt eine Vorliebe für die Musik des jeweils anderen. Da ist es nur natürlich, dass man irgendwann auch zusammenarbeiten will. In ein paar Wochen gehen wir in Großbritannien mit den BRIGGS auf Tour. Diese Tour war schon lange geplant und es ist toll, dass sie endlich zustande kommt!
Viele eurer Texte sind eher links und politisch – wie wichtig sind euch diese Texte?
Sehr wichtig! Wir haben das Album „Fight Back“ genannt, weil es an der Zeit ist, dass die Leute aufwachen und sich gegen all die Sachen in der Welt auflehnen, die falsch sind, sei es Rassismus, Armut, Sexismus, Political Correctness, Homophobie oder Zensur. Vorurteile und Intoleranz sind schlimm, wir leben in gefährlichen Zeiten. In Zeiten der Rezession zeigt der Faschismus seine hässliche Fratze und es ist wichtig, dass wir von der Vergangenheit lernen und ihm entgegentreten. Wir sind ein Produkt dessen, wo wir herstammen. Warst du schon mal in Süd-Wales? Es ist wie in einem Land der Dritten Welt dort. Margaret Thatcher hat in ihrer Zeit als Premierministerin in den Achtzigern die Kohlebergwerke und Stahlwerke zerstört und alles, was noch übrig ist, sind Verfall und Arbeitslosigkeit. Es gibt keine Postkarten mit Fotos von Newport darauf, weil es Fotos von Trümmern und Scheiße wären. Wenn man dort den Fernseher anschaltet, kriegt man Storys über Kriegsopfer, Armut, Hungersnot oder Arbeitslosigkeit zu sehen. Was bedeuten Liebeslieder diesen Leuten? Nichts! Darum werden wir nie ein Liebeslied schreiben.
Hältst du Punkrock noch für ein politisches Genre?
Ich finde, Punkrock ist so vieles, es gibt so viele verschiedene Leute dahinter. Die politischen Ansichten im Punk tendieren dazu, alle Spektren abzudecken, aber was uns angeht, so stehen wir ideologisch für Freiheit und Gerechtigkeit ein.
Ihr bezieht euch auf britische Bands wie THE CLASH oder THE SPECIALS. Dennoch sind eure Songs offensichtlich von amerikanischem Punkrock beeinflusst und erinnern etwa an RANCID. Wo siehst du den Unterschied zwischen britischer und amerikanischer Punk-Musik und -Subkultur?
In Goßbritannien scheint es diese Tendenz zu geben, dass die Leute künstlerische Originalität für sich beanspruchen, wofür wir keinerlei Verständnis haben. Der spanische Architekt Antoni Gaudí hat einmal gesagt: „Der Mensch kreiert nicht, er entdeckt.“ Wenn es um unsere Einflüsse geht, machten wir aus denen noch nie ein Geheimnis. Unsere Helden sind die Naheliegenden: THE CLASH, SEX PISTOLS, RANCID, SOCIAL DISTORTION, Johnny Cash. Es ist uns egal, ob eine Band jetzt aus Großbritannien oder den USA kommt, oder aus Deutschland oder Japan. Was zählt, ist nur, dass sie gute Musik macht. Musikalisch beeinflusst uns – direkt oder indirekt – alles, was wir hören, aber ich finde, einzelne Elemente aufzuzeigen, bevormundet den Hörer. Wir machen unser eigenes Ding. Wir werden es uns nie erlauben, uns durch Formeln, Klischees oder Konventionen beherrschen zu lassen.
Ihr benennt Künstler wie Desmond Dekker oder Lee Perry als Einflüsse. Die Verbindung zwischen Ska und Punk ist durch die Ska-Punk-Bewegung ja inzwischen offensichtlich, während Reggae aber oft noch als langweilige, altmodische Richtung gilt, die für Punkrocker nicht weiter von Relevanz zu sein scheint. Was fasziniert euch an diesen Reggae-Musikern?
Also von meinen Freunden findet keiner Reggae langweilig oder altmodisch. Reggae ist für seine sozialkritische Tradition bekannt. Wie auch im Punk beschäftigt man sich im Reggae mit Themen wie Religion, Frieden, Ungerechtigkeit und anderen sozialen und politischen Themenbereichen. Reggae, Folk und Punk sind alles Arten von Protestmusik. Punk ist Folk mit elektrischen Gitarren.
Könntet ihr es euch denn vorstellen, euren Sound in eine ähnliche Richtung wie die AGGROLITES zu entwickeln? Ihre sehr rauhe und energetische Spielweise des Early Reggae scheint dazu in der Lage zu sein, die Meinung, die viele Punk-Fans von Reggae haben, zu ändern.
THE AGGROLITES sind eine großartige Band und sehr nette Typen. Was die STRAWBERRY BLONDES angeht, denke ich, werden wir weiterhin Reggae- und Ska-Einflüsse in unsere Musik einbinden, denn es ist Musik, die wir lieben. Dennoch glaube ich, dass wir von ganzem Herzen eine Punkrock’n’Roll-Band sind.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #86 Oktober/November 2009 und Jan-Niklas Jäger
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